Bundesverfassungsgericht kippt Zweitwohnungsteuern

Veröffentlicht am in Immobilien- und Mietrecht

Das Bundesverfassungsgericht (BverfG) hat die Erhebung von Zweitwohnungsteuernauf Basis der Einheitsbewertung von 1964 für verfassungswidrig erklärt. Was für die Grundsteuer gilt, betrifft auch die Zweitwohnungsteuer: Die Bemessung darf nicht aufDaten basieren, die mehr als fünfzig Jahre alt sind. Demnach können Städte und Gemeinden bei der Berechnung der Zweitwohnungsteuer nicht länger Daten aus denSechzigerjahren nutzen. Die inzwischen eingetretenen Wertverzerrungen werden durch eine Hochrechnung mit dem Verbraucherpreisindex nicht ausglichen, so die Richter.

Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes

Mit dem Verweis auf sein Grundsteuerurteil vom April 2018 ließ das Gericht in Karlsruhe die Beschwerden von Wohnungseigentümern gegen die Steuern der bayerischen Gemeinden Oberstdorf und Sonthofen zu. Geklagt hatten zwei Eigentümer von Zweitwohnungen in den Gemeinden. Sie sahen eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes, weil die Berechnung der Zweitwohnungsteuer auf Grundlage der Einheitsbewertung von Grundstücken verfassungswidrig sei. Außerdem weise die Staffelung des Steuertarifs in der Gemeinde Markt Oberstdorf eine zu geringe Differenzierung auf.

Für die Erhebung einer Zweitwohnungsteuer bestehe seit der Änderung des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes keine verfassungskonforme Ermächtigungsgrundlage mehr.

Gemeinden müssen ihre Satzungen überarbeiten

Die Richter stimmten den Klägern in den wesentlichen Punkten zu. Die Satzungen der beiden Gemeinden müssen überarbeitet werden. Sie erheben aufgrund kommunaler Satzungen eine Zweitwohnungsteuer, die auf dem fiktiven jährlichen Mietaufwand basiert. Basierend auf der Einheitsbewertung von Grundstücken zum 1.Januar 1964 wird dafür eine fiktive Jahresrohmiete entsprechend der Steigerung der Wohnungsmieten nach dem Verbraucherpreisindex hochgerechnet. Diese Art der Berechnung wurde jetzt in Karlsruhe für unzulässig erklärt.

In einer Pressemitteilung des Gerichts vom 24. Oktober 2019 heißt es dazu: „Die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat mit heute veröffentlichtem Beschluss zwei Verfassungsbeschwerden stattgegeben, die sich gegen die Erhebung von Zweitwohnungsteuern in den bayerischen Gemeinden Oberstdorf und Sonthofen wenden. In beiden Gemeinden werden zur Berechnung der Zweitwohnungsteuer die Werte der Einheitsbewertung von Grundstücken basierend auf den Wertverhältnissen von 1964 herangezogen und diese entsprechend dem Verbraucherpreisindex hochgerechnet.“

Eine Hochrechnung mit dem Verbraucherpreisindex sei nicht geeignet, diese Wertverzerrungen auszugleichen. Darüber hinaus verstoße die Art der Staffelung desSteuertarifs in einer der Gemeinden gegen das Gebot der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit

Befreiung von Geringverdienern gerechtfertigt

Ein weiteres Argument der beiden Kläger betraf die Befreiung für Geringverdiener. Sie führe dazu, dass die Zweitwohnungsteuer ihren Charakter als örtliche Aufwandsteuer verliere und dadurch nicht mehr der Gesetzgebungskompetenz der Länder unterliege.

Diesem Punkt der Beschwerde widersprachen die Karlsruher Richter jedoch: Die im bayerischen Kommunalabgabengesetz vorgesehene Befreiung von Geringverdienern von der Zweitwohnungsteuer ändere am Charakter der Zweitwohnungsteuer als Aufwandsteuer nichts. Es würden nur sehr wenige potentiellSteuerpflichtige von der Steuer befreit. Die damit verbundene Ungleichbehandlung von einkommensschwächeren gegenüber einkommensstärkeren Zweitwohnungsinhabern sei gerechtfertigt und verhältnismäßig, weil sie der Abmilderung sozialer Härten diene.

Die Reform der Grundsteuer

Die Grundsteuer dient dazu, Eigentümer an den Kosten für die Infrastruktur der Gemeinden zu beteiligen. Um den Wert des zu besteuernden Grundstücks zu bestimmen, wird der sogenannte Einheitswert angelegt, ein spezifischer Wert für jedes Grundstück. Der Einheitswert der deutschen Grundstücke wurde am 1. Januar 1935 festgelegt und sollte eigentlich alle sechs Jahre aktualisiert werden. In Westdeutschland fand das jedoch nur ein einziges Mal im Jahr 1964 statt und in Ostdeutschland aufgrund der Teilung gar nicht.

Wegen der veralteten Berechnungsgrundlagen muss die Grundsteuer demnächst für etwa 35 Millionen Grundstücke in Deutschland geändert werden. Das aktuelle System zur Berechnung der Grundsteuer ist laut einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom April 2018 verfassungswidrig. Es sei völlig überholt und führe zu gravierenden Ungleichbehandlungen der Immobilienbesitzer. Deshalb muss die Grundsteuer bis Jahresende reformiert werden.

Zweitwohnungsteuer ebenfalls verfassungswidrig

Gemeinden erheben seit Anfang der Siebziger Zweitwohnungsteuern von Eigentümern oder Mietern, deren Hauptwohnsitz sich nicht in der Gemeinde mit der weiteren Wohnung befindet. Das ist laut Bundesverfassungsgericht auch grundsätzlich zulässig, allerdings gibt es bei der konkreten Ausgestaltung oft Probleme. So wurde zum Beispiel entschieden, dass Eheleute, die zum Arbeiten in eine andere Stadt pendeln, nicht mit der Steuer belastet werden dürfen. Studenten müssen dagegen zahlen, wenn sie noch zu Hause bei ihren Eltern gemeldet sind.

Die jüngste Entscheidung der Karlsruher Richter zur Zweitwohnungsteuer basiert auf dem Urteil zur Grundsteuer. Die jetzt bemängelten Steuern für Zweitwohnsitze werden nach demselben verfassungswidrigen Prinzip erhoben: Auch hier könne es zu erheblichen Wertverzerrungen kommen, heißt es in dem Beschluss.

Als Beispiele wurden neue Ausstattungsstandards und eine veränderte Anbindung von Immobilien genannt. Die Steuer in ihrer jetzigen Form widerspreche dem allgemeinen Gleichheitssatz, so die Argumentation des Bundesverfassungsgerichts.Darüber hinaus verstoße der gestufte Tarif in Oberstdorf gegen das Gebot der Besteuerung nach Leistungsfähigkeit. Wer sich nur eine niedrige Miete leisten könne,werde nach diesem System überdurchschnittlich stark belastet.

Die Gemeinden Oberstdorf und Sonthofen haben bis Ende März 2020 Zeit, ihre Satzungen zu überarbeiten. Unklar ist noch, ob die Entscheidung noch andere Gemeinden betrifft. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund geht davon aus, dass bundesweit eine dreistellige Zahl von Gemeinden eine Zweitwohnungsteuer erhebt. Der Verband prüft jetzt, wie viele von ihnen ähnliche Satzungen haben wie die Gemeinden Oberstdorf und Sonthofen.