Fehler im Corona-Hilfspaket: Mieter könnten ihre Wohnung verlieren

Veröffentlicht am in Immobilien- und Mietrecht

Mieter, die wegen der Coronakrise in Finanznöte geraten, genießen ab dem 1. April einen besonderen Kündigungsschutz. Normalerweise dürfen Vermieter kündigen, wenn es einen Mietrückstand von zwei Monatsmieten gibt. Doch damit zahlungsunfähige Mieter jetzt nicht ihre Wohnung verlieren, hat der Gesetzgeber entschieden, dass Vermieter es akzeptieren müssen, wenn Mieter in Not ihre Miete nicht mehr bezahlen. Bleibt die Mietzahlung zwischen dem 1. April und dem 30. Juni ganz oder teilweise aus, darf die Wohnung nicht gekündigt werden. Die Sache hat allerdings einen Haken …

Der politische Wille hinter dem Gesetz ist klar: „Wohnen ist ein elementares Grundbedürfnis. Gerade in Zeiten, in denen das öffentliche Leben massiv eingeschränkt wird, darf die Krise nicht dazu führen, dass Menschen ihre Wohnung verlieren“, erläutert die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Eva Högl, die neue Regelung. Es soll verhindert werden, dass Mieter ihre Wohnung verlieren, weil sie als Folge der Coronakrise die Miete nicht zahlen können. Sie haben jetzt bis Juni 2022 Zeit, ihre Mietschulden zu begleichen.

Vermieter befürchten unbegründete Zahlungsausfälle

Die neue Regel im Artikel 240 der „Vertragsrechtlichen Regelungen aus Anlass der COVID-19-Pandemie“ gilt auch für Gewerbemieten. Doch Vermieter befürchten jetzt, dass manche Mieter das neue Gesetz ausnutzen. Dass diese Sorge nicht unbegründet ist, zeigt der Fall Adidas, der letzte Woche für viel öffentliche Empörung gesorgt hat. Adidas hatte angekündigt, ab April keine Miete mehr für seine geschlossenen Shops zu zahlen. Von prekärer Finanzlage kann bei dem Sportartikelhersteller allerdings keine Rede sein: Der Gewinn des Unternehmens lag 2019 bei 1,9 Milliarden Euro.

Schwerwiegender Formulierungsfehler im Gesetz

Doch das Gesetz birgt noch andere Fallstricke. So wie es formuliert ist, besteht nämlich die Gefahr, dass betroffene Mieter nach Juni 2022 trotzdem ihre Wohnung verlieren – und zwar mit Hinweis auf die nicht gezahlten Mieten. Das gilt unabhängig davon, ob sie ihre Mietschulden inzwischen bezahlt haben oder nicht. Auf dieses Problem weist der Jura-Professor Markus Artz in einem Spiegel-Interview hin.

Grundsätzlich gilt nämlich, „dass ein Vermieter einem Mieter, der zwei Monate die Miete für seine Wohnung nicht bezahlt, kündigen kann. Der Verzug stellt eine Pflichtverletzung dar – sie ist der Grund für die Kündigung. Man kann aber die Auffassung vertreten, dass das einmal entstandene Kündigungsrecht nach der aktuellen Fassung des neuen Gesetzes sogar bestehen bleibt, obwohl der Mieter bis 2022 die Schulden zurückzahlt.“

Kündigung ab 2022 trotz Nachzahlung möglich

Das bedeutet: Ein Vermieter könnte seinem Mieter zum Stichtag Juni 2022 mit dieser Begründung doch noch kündigen. Im Fall einer juristischen Auseinandersetzung vor Gericht würde er recht bekommen. Abhilfe könnte laut Artz ein konkreter Satz im Gesetz schaffen, der klarstellt, dass die Kündigung ausgeschlossen ist, wenn der Vermieter vorher sein Geld bekommt.

An anderer Stelle müsse außerdem dringend ein Wort gelöscht werden: „Im Gesetz steht nämlich, wortwörtlich, dem Mieter dürfe nicht allein aus dem Grund gekündigt werden, dass er die Miete in Folge der Coronakrise schuldig bleibt.“ Das Wörtchen „allein“ ist aber in diesem Kontext gefährlich, betont Artz und nennt ein Bespiel: Falls jemand aus irgendwelchen Gründen schon vor Corona die Miete nicht bezahlt hat und dann wurde sein Geschäft wegen Corona geschlossen, sodass er im April wieder nicht zahlen kann, könnte sein Vermieter trotzdem fristlos kündigen, weil dann zwei Monatsmieten fehlen – und nur eine wegen Corona.  

Was können zahlungsunfähige Mieter jetzt tun? 

Betroffene Mieter sollten sich an ihren Vermieter wenden, um gemeinsam eine Lösung zu finden. Sie sollten glaubhaft versichern, dass der Grund für die Zahlungsschwierigkeiten die Coronakrise ist. Grundlos die Mietzahlungen auszusetzen lohnt sich ohnehin nicht, die fällige Miete muss schließlich später nachgezahlt werden – zuzüglich Zinsen in Höhe von etwa vier Prozent.