Online-Knebelung der Fachhändler durch Hersteller?

Veröffentlicht am in Wettbewerbsrecht

Nicht selten möchten kleine stationäre Fachhändler, die mit bestimmten Markenartikeln handeln, heutzutage die Möglichkeit des Internets als zusätzlichen Vertriebskanal neben dem stationären Handel nutzen. Schnell lassen sich eine eigene Webseite oder ein entsprechender Shop auf einem Portal wie eBay oder Amazon einrichten.

Umso überraschter ist dann mancher Fachhändler, wenn er vom Hersteller der Ware aufgefordert wird, den Vertrieb über eBay und andere Plattformen zu unterlassen. Ein solches Verlangen wird häufig unter Hinweis auf den zwischen Hersteller und Händler geschlossenen Vertrag ausgesprochen. Da der Online-Vertrieb ein attraktiver Vertriebskanal ist, stellt sich aus Sicht des Händlers die Frage, ob es zulässig ist, dass Hersteller von Markenartikeln ihren Händlern bestimmte Online-Vertriebswege untersagen.

Eine solche Vertragsklausel kann gegen Kartellrecht verstoßen und daher nichtig sein. Den Begriff Kartellrecht kennt man meist aus den Medien im Zusammenhang mit der Fusion großer Unternehmen oder der unzulässigen Absprache von Preisen. Doch das Kartellrecht ist mehr als das. Vereinfacht gesagt will das Kartellrecht alle Beschränkungen der frei wählbaren unternehmerischen Handlungsoptionen verhindern. Eine solche unzulässige Beschränkung kann es sein, wenn der Vertragspartner in seinen Vertriebswegen beschränkt wird. Grundsätzlich sind Wettbewerbsbeschränkungen nach deutschem und europäischem Kartellrecht verboten.

Bei der Beschränkung des Vertriebswegs zwischen Hersteller und Händler handelt es sich um eine so genannte „vertikale Vereinbarung“, da Hersteller und Händler auf unterschiedlichen Produktionsstufen stehen. Für vertikale Vereinbarungen sieht das europäische Kartellrecht bestimmte Ausnahmen vom Kartellverbot vor (normiert in der Verordnung (EU) Nr. 330/2010 vom 20. April 2010). Der deutsche Gesetzgeber verweist im deutschen Kartellgesetz auf die europäischen Regelungen. Der europäische sowie auch der deutsche Gesetzgeber gehen davon aus, dass bestimmte vertikale Vereinbarungen keine negativen Auswirkungen haben und daher zulässig sind, solange der auf jedes beteiligte Unternehmen entfallende Anteil am relevanten Markt bestimmte Grenzen nicht überschreitet. Welcher der relevante Markt ist und wie sich die Anteile darstellen, muss in jedem Einzelfall konkret ermittelt werden. Die Abgrenzung des Marktes erfolgt anhand eines bestimmten rechtlichen Konzepts.

Wird die kartellrechtliche Schwelle überschritten, wird es erst richtig interessant, denn nun geht es um die Frage, ob die Untersagung eines Vertriebs über eBay eine kartellrechtlich unzulässige Wettbewerbsbeschränkung ist. Eine derartige Wettbewerbsbeschränkung ist grundsätzlich nur dann zulässig, wenn sie Folge eines qualitativen selektiven Vertriebssystems ist. Diese Voraussetzung liegt vor, wenn die Auswahl der Wiederverkäufer aufgrund objektiver Gesichtspunkte qualitativer Art erfolgt, die sich auf die fachliche Eignung des Wiederverkäufers, seines Personals und seiner sachlichen Ausstattung beziehen und sofern diese Voraussetzungen einheitlich für alle in Betracht kommenden Wiederverkäufer festgelegt und ohne Diskriminierungen angewendet werden.

Bereits im Jahr 2003 hat der BGH entschieden, dass es unzulässig sei, den Internethandel vollständig auszuschließen. Allerdings erging die damalige Entscheidung zu Markenparfums, und es ist bislang ungeklärt, inwieweit die ergangene Entscheidung sich auch auf den Vertrieb anderer Waren übertragen lässt. Hinzu kommt, dass auch noch ungeklärt ist, in welchem Umfang der Internethandel zugelassen werden muss bzw. welchen Beschränkungen der Online-Vertrieb unterworfen werden darf.

Soweit ersichtlich haben sich mit der Frage der Zulässigkeit von Beschränkungen bezüglich eBay-Vertrieb bislang lediglich zwei Landesgerichte befassen müssen, nämlich das Landgericht Berlin und das Landgericht Mannheim. In beiden Fällen ging es um Marken-Schulranzen. Die Ansichten aus Berlin und Mannheim, die sich unterscheiden, sind zu den jeweiligen Oberlandesgerichten gelangt. Auch deren Entscheidungen sind uneinheitlich:

Das OLG Karlsruhe hat ein vom Hersteller ausgesprochenes Verbot des Vertriebs von Markenartikeln über eBay für kartellrechtlich zulässig erachtet. Das Gericht war der Ansicht, dass ein Händler beim Vertrieb übers Internet denselben sachlichen Anforderungen des Herstellers genügen müsse, wie es beim stationären Vertrieb der Fall ist. Das heißt, der Internetauftritt müsse denselben sachlichen Ausstattungskriterien, wie etwa der angemessenen Markenpräsentation, genügen. In dem entschiedenen Fall erfüllte ein Vertrieb über eBay die Kriterien des Herstellers nicht.

Anderer Ansicht ist das Kammergericht Berlin (KG). Es bestätigte kürzlich die Entscheidung des Landgerichts Berlin, wonach der Hersteller diesen Vertriebsweg nicht untersagen darf. Nach Ansicht des Gerichts stellt der Ausschluss des Vertriebs über eBay eine kartellrechtlich unzulässige Einschränkung des Wettbewerbs dar, weil dadurch die Handlungsfreiheit der beteiligten Unternehmen beschränkt wird.

Das generelle Verbot des Warenabsatzes über eBay stelle kein kartellrechtlich zulässiges, qualitatives Merkmal für die Auswahl der Wiederverkäufer dar. Qualitative Auswahlkriterien knüpften ausschließlich an die Beschaffenheit der Ware an, sei es, dass dem Wiederverkäufer besondere, durch die Teilnahme an Schulungen fortlaufend aufzufrischende Kenntnisse über ihre Eigenschaften abverlangt würden oder er ein bestimmtes Serviceangebot, z.B. einen Reparaturservice, bereithalten müsse. Der Verkauf über eBay weise indes keine Verbindung zu bestimmten Produkteigenschaften auf. Aus diesen unterschiedlichen Einschätzungen folgt, dass es bis zur höchstrichterlichen Entscheidung spannend bleibt.

Wer als Fachhändler damit konfrontiert wird, dass der Hersteller den Online-Vertrieb untersagen will, sollte rechtlich prüfen lassen, inwieweit eine solche Untersagung kartellrechtlich zulässig ist.