Äußerungsrecht – Ohrfeige für die Amtsanwaltschaft Berlin

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Berlin – Das Amtsgericht Tiergarten (AG Tiergarten, Beschl. v. 15.04.2016, 262 Ds 16/16) hat die Eröffnung eines Verfahrens gegen einen Mandanten der Rechtsanwaltskanzlei VON RUEDEN abgelehnt. Dieser hatte im Rahmen einer Strafanzeige eine benachbarte Familie als „kriminelle Familie“ bezeichnet. Ein Mitglied der benachbarten Familie fühlte sich daraufhin beleidigt und erstattete eine Strafanzeige.

„Bereits gegenüber der Polizei gaben wir eine kurze Stellungnahme ab, in der es hieß, dass es sich bei der inkriminierten Äußerung um eine so genannte privilegierte Äußerung handelt. Sie war im Rahmen eines formellen Verfahrens gefallen und diente der Rechtsverteidigung“, sagt Ehssan Khazaeli von der Kanzlei VON RUEDEN.

Zudem gab ein Urteil des Amtsgerichts Neukölln (AG Neukölln, Urt. v. 06.01.2016, 20 C 157/15, nicht rechtskräftig) Rückenwind: Das Gericht beurteilte die Äußerung ebenfalls als privilegiert. Das Amtsgericht Neukölln hatte argumentiert, dass jemand, der gegen einen anderen eine Anzeige erstattet, diesem zwangsläufig vorwirft, kriminell zu sein. „Das Urteil lag der zuständigen Dezernentin bei der Amtsanwaltschaft vor. Wieso sie dennoch zu einer anderen rechtlichen Beurteilung kam, ist nicht nachvollziehbar.“

Zuständige Amtsanwältin nicht für Stellungnahme erreichbar

Ende Januar reichte die Amtsanwaltschaft dann nach § 170 Abs. 1 StPO die Anklageschrift ein. Das Amtsgericht Tiergarten kam hingegen zu dem Schluss, dass nach § 203 StPO kein hinreichender Tatverdacht gegen den Angeschuldigten bestünde und lehnte die Eröffnung des Hauptverfahrens ab. Zur Begründung führte das Gericht aus:

„Es besteht kein hinreichender Tatverdacht. Eine Beleidigung nach § 185 StGB setzt einen Angriff auf die Ehre einer Person durch Kundgabe von Missachtung voraus. Ein solcher Angriff auf die Ehre liegt in der Bezeichnung als kriminell im Rahmen einer Strafanzeige nicht vor.

Maßgeblich ist, dass die Äußerung nicht etwa öffentlich oder gegenüber Mitgliedern der Familie […] erfolgte, sondern an die Amtsanwaltschaft gerichtet war. Bei einer Äußerung gegenüber sonstigen Dritten mag die Bezeichnung als „kriminell“ ggf. die Merkmale einer Beleidigung zu erfüllen.“

Die zuständige Amtsanwältin war für eine Stellungnahme nicht erreichbar. Sie befand sich im Urlaub, so dass ihre Vertreterin über eine mögliche sofortige Beschwerde zu entscheiden hatte. Die Amtsanwaltschaft kann gem. §§ 210 Abs. 2, 311 Abs. 2 StPO sofortige Beschwerde einlegen.