„Schummelsoftware“ als Sachmangel im VW Abgasskandal

Veröffentlicht am in Verbraucherrecht

Im Zuge des im Herbst 2015 bekannt gewordenen Abgasskandals rund um den Automobilhersteller Volkswagen stellen sich auch deutsche Kunden vermehrt die Frage, ob sie Rechte gegen den Branchenriesen aus Wolfsburg geltend machen können. Gute Chancen bestehen nach einem Urteil des Landgerichts Regensburg vom 21. November 2016 (Az. 6 O 409/16), das dem Kläger ein Rücktrittsrecht einräumte.

Die sogenannte Abschaltsoftware in VW Modellen

"Schummelsoftware" als Sachmangel im VW AbgasskandalDer Kläger schloss mit dem Beklagten, einem Autohaus, einen Kaufvertrag über einen gebrauchten VW Touran 1.6 TDI. Der Kaufpreis betrug 20.745 Euro, das Fahrzeug wies bei der Übergabe eine Laufleistung von 7.100 Kilometern auf. Der PKW war mit einem Dieselmotor vom Typ EA189 ausgestattet. In ihm kommt eine Software („Abschaltsoftware“) zum Einsatz, die erkennt, dass sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand befindet, und dann den Ausstoß von Stickoxiden reduziert. Im normalen Fahrbetrieb sind deshalb die Stickoxidemissionen höher als während eines Emissionstests auf dem Prüfstand und insbesondere höher als von Volkswagen öffentlich angegeben. Der Kläger sah darin einen Mangel und forderte zunächst erfolglos Nachbesserung und dann die Rückabwicklung des Kaufvertrages.

Der Sachmangel bei betroffenen Fahrzeugen im VW Abgasskandal

Nach Ansicht des Landgerichts Regensburg sei ein vom VW Abgasskandal betroffener Gebrauchtwagen, bei dem eine „Abschaltsoftware“ erkennt, dass das Fahrzeug auf einem Prüfstand einem Emissionstest unterzogen wird und deshalb den Stickoxidausstoß reduziert, im Sinne des § 434 BGB mangelhaft. Denn weder sei der Einsatz einer entsprechenden Software in vergleichbaren Fahrzeugen anderer Hersteller bekanntermaßen üblich, noch erwarte ein Durchschnittskäufer, dass die gesetzlich vorgegebenen Emissionsgrenzwerte nur scheinbar eingehalten werden.

Insoweit resultiere der Sachmangel nicht etwa daraus, dass die unter Laborbedingungen gemessenen Werte im alltäglichen Straßenverkehr nicht eingehalten werden, sondern basiere darauf, dass der Motor die Vorgaben im Prüfstandlauf nur aufgrund der manipulierten Software einhält. Darüber hinaus eigne sich ein vom VW Abgasskandal betroffenes Fahrzeug nicht zur gewöhnlichen Verwendung, weil es im Rahmen einer Rückrufaktion umgerüstet werden muss, um den Auflagen des Kraftfahrt-Bundesamtes zu genügen und nicht den Verlust der Allgemeinen Betriebserlaubnis zu riskieren. Dem stehe auch nicht entgegen, dass der Kläger das streitgegenständliche Fahrzeug uneingeschränkt nutzen konnte.

VW Abgasskandal – die Erheblichkeit des Sachmangels

"Schummelsoftware" als Sachmangel im VW AbgasskandalEin wichtiger Aspekt in der Entscheidung war zudem die Feststellung des Gerichts, dass das Rücktrittsrecht nicht ausgeschlossen war, da der vorliegende Mangel die Erheblichkeitsschwelle überschreitet. Gemäß § 323 Abs. 5 S. 2 BGB ist der Rücktritt ausgeschlossen, wenn der Schuldner eine Schlechtleistung erbracht hat, die Pflichtverletzung jedoch unerheblich ist.

Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der streitgegenständliche Mangel im vorliegenden Fall grundsätzlich behebbar ist – selbst wenn die Nachbesserung lediglich das Aufspielen einer neuen Software sowie den Einbau eines sogenannten Strömungstransformators direkt vor dem Luftmassenmesser erfordere und dies lediglich mit einer Arbeitszeit von weniger als einer Stunde und Kosten in Höhe von circa 100 Euro verbunden sei. Der Mangel, der einem vom VW Abgasskandal betroffenen Fahrzeug anhaftet, sei schon deshalb nicht geringfügig im zuvor genannten Sinne, weil das Kraftfahrt-Bundesamt die zur Mangelbeseitigung vorgesehenen Maßnahmen prüfen und genehmigen muss. Außerdem führe bereits das Risiko, dass trotz ordnungsgemäßer Nachbesserung ein merkantiler Minderwert bestehe, dazu, dass der Mangel nicht als geringfügig angesehen werden könne.

Die Auswirkungen der Gerichtsentscheidung für VW Käufer

Die Entscheidung hat nicht nur Auswirkungen auf Käufer von Volkswagen-Modellen. Betroffen sind grundsätzlich alle Fahrzeuge, bei denen der Dieselmotor Typ EA 189 verbaut wurde – darunter befinden sich auch Fahrzeuge von Audi, Seat und Skoda. Im Hinterkopf sollten die Käufer zudem behalten, dass mit Ablauf des Jahres 2018 etwaige Ansprüche verjähren. Ob ein Rücktritt auch für Sie in Frage kommt, ist jedoch immer eine Frage des Einzelfalls und von zahlreichen juristischen Fragestellungen und individuellen Details abhängig. Die Prüfung durch einen erfahrenen Juristen ist insoweit unerlässlich, um alle relevanten Aspekte zu beleuchten.

In vielen Fällen übernehmen mittlerweile Rechtsschutzversicherungen die Kosten für ein weiteres Vorgehen gegen die Volkswagen AG. Die Rechtsanwaltskanzlei VON RUEDEN vertritt zahlreiche Mandanten gegen die Volkswagen AG und bereitet entsprechende Prozesse vor. Bei Fragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.