Kein sturmfrei – welche Rechte haben Arbeitnehmer bei Unwetter?

Veröffentlicht am in Arbeitsrecht

Dürfen Beschäftigte bei Sturm zu Hause bleiben, wenn der Weg zur Arbeit schwierig wird? Diese Frage haben sich vermutlich viele Arbeitnehmer gestellt, als „Sabine“ über Deutschland hinweggefegt ist. Schließlich hat das heftige Sturmtief für umgestürzte Bäume, gesperrte Straßen und Zugausfälle gesorgt. Der Fernverkehr stand komplett still und in einigen Bundesländern gab es schulfrei. Oft konnten die Eltern selbst entscheiden, ob sie ihre Kinder auf den stürmischen Schulweg schicken wollten. Aber dürfen auch Angestellte wegen Unwetter wie Sturm oder Blitzeis zu Hause bleiben?

Arbeitnehmer tragen Wegerisiko

Grundsätzlich gilt: Der Arbeitnehmer trägt das Wegerisiko und muss auch bei schwierigen Wetterbedingungen pünktlich zum Arbeitsplatz kommen – also auch an Tagen, an denen ein Sturm den Weg zur Arbeit behindert oder Züge sich verspäten beziehungsweise ganz ausfallen. Erscheint ein Angestellter nicht, muss der Arbeitgeber ihm in der Regel auch keinen Lohn zahlen.

Es kann also sein, dass Wochenendpendler, die feststecken oder später ins Büro kommen können, für die Zeit, in der sie nicht da waren, kein Gehalt bekommen. Wenn Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen ausdrücklich eine andere Regelung vorsehen, gilt allerdings die vertragliche Vereinbarung.

Begründete Arbeitsverhinderung

Der Weg von der Wohnung zum Arbeitsplatz stellt nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts grundsätzlich keine Arbeit für den Arbeitgeber dar, denn seine Pflicht als Beschäftigter ist die Erbringung der Arbeit. Dafür bekommt er den vertraglich vereinbarten Lohn. Laut dem Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) verliert ein Arbeitnehmer seinen Anspruch auf Vergütung aber nicht bereits dadurch, dass er für kurze Zeit ohne sein Verschulden an der Ausübung seiner Arbeit gehindert wird. Wenn ein Unwetter so heftig wütet, dass es unzumutbar ist, das Haus zu verlassen, kann es sich um eine „begründete Arbeitsverhinderung“ handeln.

Eine weitere Ausnahme bilden Arbeitsplätze, bei denen die Mitarbeiter nicht in der Lage sind, pünktlich zu erscheinen. Das kann bei Arbeitsplätzen auf Offshoreplattformen oder Inseln der Fall sein, wenn starker Wind oder eine Flut das verhindern. Bei diesen Arbeitsplätzen trägt der Arbeitgeber das Wegerisiko und muss auch dann den vollen Lohn zahlen, wenn der Mitarbeiter nicht zum Einsatz kommen kann.

Droht bei Verspätung durch Unwetter eine Abmahnung?

Eine Abmahnung droht Angestellten nur, wenn sie die Verspätung verursacht haben, nicht bei unvorhersehbaren Ereignissen wie einem Unwetter. Gibt es auf dem Arbeitsweg jedoch regelmäßig Staus, muss der Mitarbeiter dafür sorgen, rechtzeitig zur Arbeit zu kommen.

Dürfen Arbeitnehmer früher gehen, um ihre Kinder abzuholen?

Wenn ein Kind nicht anders betreut werden kann, handelt es sich um eine Notsituation. In dem Fall haben Arbeitnehmer das Recht, ihren Arbeitsplatz früher zu verlassen. Aber die ausgefallene Arbeitszeit muss dann auch nicht vergütet werden. Alternativ können Eltern sich Urlaub nehmen oder mit dem Chef vereinbaren, die Zeit nachzuarbeiten – zum Beispiel im Homeoffice.

Ernsthafte und geeignete Vorkehrungen treffen

In Fällen höherer Gewalt wie beim Orkan „Sabine“ müssen Beschäftigte „ernsthafte und geeignete Vorkehrungen“ treffen, um trotz der widrigen Umstände zum Arbeitsplatz zu kommen. Wer also am Montagvormittag an seinem Arbeitsplatz erwartet wird, muss sich im Extremfall schon am Sonntag auf den Weg machen. Tut er das nicht, entfällt für den Arbeitgeber die Vergütungspflicht. Unternehmen können dann entscheiden, ob sie dem Mitarbeiter entsprechend weniger Lohn zahlt oder ob er den Tag nacharbeiten muss.

Allerdings gibt es Fälle, in denen Arbeitnehmer keine Möglichkeit haben, früher anzureisen – etwa wenn sie nicht bei Familie oder Bekannten in der Nähe des Arbeitsplatzes unterkommen können. Entstehen dem Arbeitnehmer durch eine frühere Anreise Kosten, etwa für eine Taxifahrt oder eine Hotelübernachtung, muss er vorher mit dem Vorgesetzten klären, ob sein Arbeitgeber sich an diesen Kosten beteiligt. Manchmal überschreiten die Kosten nämlich den Verdienst des Mitarbeiters.

Gerichte haben in solchen Fällen entschieden, dass dem Arbeitnehmer eine frühere Anreise nicht zugemutet werden kann. Nur wenn ein Unternehmen vor Ort über Unterkünfte verfügt, kann eine frühere Anreise erwartet werden.

Gängige Praxis: Homeoffice

Es empfiehlt sich, dem Arbeitgeber von sich aus anzubieten, im Homeoffice zu arbeiten oder die ausgefallene Arbeitszeit nachzuholen. Viele Arbeitgeber haben bei Verkehrsbehinderungen wegen eines Unwetters Verständnis, wenn Mitarbeiter zu spät kommen oder zu Hause bleiben.

Während des Sturmtiefs „Sabine“ haben tatsächlich viele Arbeitnehmer in ganz Deutschland im Homeoffice gearbeitet. Doch noch gibt es den von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) geforderten Rechtsanspruch auf Heimarbeit nicht, deshalb gilt auch hier: Angestellte müssen vorab mit ihrem Vorgesetzten klären, ob er das Arbeiten am heimischen Schreibtisch genehmigt. Beschäftigte, die unangekündigt nicht im Büro erscheinen, riskieren Ärger mit dem Chef, einen Lohnabzug oder sogar eine Abmahnung.