Neue Homeoffice-Pflicht für Arbeitnehmer – was bedeutet das?

Veröffentlicht am in Arbeitsrecht

Die Bundesregierung hat im geänderten Infektionsschutzgesetz eine Homeoffice-Pflicht für Arbeitnehmer eingeführt und so die Vorgaben für das Arbeiten im Homeoffice während der Corona-Pandemie weiter verschärft. Durch die neue Regel soll die Zahl der Corona-Neuinfektionen am Arbeitsplatz gesenkt werden. Bisher hatte der Gesetzgeber Arbeitnehmer wählen lassen, ob sie Homeoffice arbeiten oder im Unternehmen. Die Homeoffice-Pflicht bietet allerdings viele Schlupflöcher: Wer zu Hause zu wenig Platz hat oder gestört würde, kann die Homeoffice-Pflicht umgehen.

Bislang mussten Arbeitgeber ihren Beschäftigten – wenn möglich – anbieten, im Homeoffice zu arbeiten. Künftig können Arbeitnehmer nicht mehr frei entscheiden, ob sie im Büro arbeiten: Mit dem vom Bundestag beschlossenen neuen Infektionsschutzgesetz werden sie jetzt rechtlich verpflichtet, in ihrer Wohnung zu arbeiten – falls ihr Arbeitgeber ihnen das anbietet. Der Arbeitgeber muss Arbeitnehmer nach Hause schicken, wo „keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen“. So gibt es die am 21. April 2020 beschlossene neue Vorschrift vor.

Ausnahmen höhlen die Neuregelung aus

Arbeitnehmer sind also jetzt verpflichtet, das Homeoffice-Angebot auch anzunehmen. Im ergänzten Infektionsschutzgesetz heißt es dazu: „Der Arbeitgeber hat den Beschäftigten im Fall von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten anzubieten, diese Tätigkeiten in deren Wohnung auszuführen, wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen. Die Beschäftigten haben dieses Angebot anzunehmen, soweit ihrerseits keine Gründe entgegenstehen. Die zuständigen Behörden für den Vollzug der Sätze 1 und 2 bestimmen die Länder nach § 54 Satz 1.“

Es gibt allerdings zahlreiche Gründe, nicht im Homeoffice arbeiten zu müssen. Auf der Internetseite des Deutschen Bundestags werden einige genannt: „Gründe können räumliche Enge, Störungen durch Dritte oder unzureichende technische Ausstattung sein.“ Zur Darlegung reicht eine Mitteilung des Beschäftigten auf Verlangen des Arbeitgebers aus, dass das Arbeiten von zu Hause aus nicht möglich ist. Ein Arbeitnehmer, der lieber im Unternehmen arbeitet, muss also nur behaupten, dass seine Wohnung ungeeignet ist. Kontrollbesuche des Arbeitgebers oder der Arbeitsschutzbehörde in der Wohnung des Mitarbeiters dürften unzulässig sein.

Homeoffice-Potenzial bei weitem nicht ausgeschöpft

Noch immer arbeiten in Deutschland deutlich weniger Beschäftigte im Homeoffice als möglich wäre. So hätten im März 2021 laut einer Studie des Ifo-Instituts 56 Prozent der Beschäftigten in Deutschland zumindest teilweise zu Hause arbeiten können. Doch nur 31,7 Prozent haben davon auch Gebrauch gemacht. Im Februar lag die Quote bei 30,3 Prozent. Der Vergleich nach Firmengröße macht deutlich, „dass kleine und mittlere Unternehmen (KMU) wesentlich weniger auf Homeoffice umgestellt haben als Großunternehmen im selben Sektor“, so die Studienautoren.

Im RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) kommentiert Gunnar Roloff, Fachanwalt für Arbeitsrecht die Homeoffice-Pflicht. Er sieht in der neuen Regelung einen politischen Kompromiss. „Die SPD beziehungsweise der Arbeitsminister fordern seit Monaten eine Pflicht zum Homeoffice. Andererseits stemmten sich die Gewerkschaften gegen eine strengere Regelung: Sie wollten, dass kein Arbeitnehmer gezwungen werden dürfe, im Homeoffice zu arbeiten“, so Roloff.

Mehr Zwang zum Homeoffice würde auf den Widerstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes stoßen. DGB-Chef Reiner Hoffman findet es „in der jetzigen Situation richtig und wichtig“, dass Beschäftigte das Homeoffice-Angebot grundsätzlich ernstnehmen müssen, so Hoffmann in der F.A.Z. Klar müsse allerdings sein: Niemand darf gezwungen werden, im Homeoffice zu arbeiten. Wer nicht zu Hause arbeiten könne, müsse das durch Zuruf klären können. „Es darf kein aufwändiger Nachweis damit verbunden sein“, so der DGB-Chef. „Und es dürfen keine Sanktionen drohen, wenn die Gründe von den Beschäftigten nicht genannt werden.“

Neuregelung sieht keine Sanktionen bei Verstößen vor

Es darf also bezweifelt werden, ob die Neuregelung tatsächlich zu einem nennenswerten Anstieg der Beschäftigten im Homeoffice führen wird. „Der vermeintliche Zwang zum Homeoffice wird durch Ausnahmen wieder ausgehöhlt, die bereits im Gesetz angelegt sind“, so Roloff. Zumal bei Verstößen gegen den Homeoffice-Zwang nicht einmal konkrete Sanktionen vorgesehen seien.

Das neue Gesetz enthält nämlich keinerlei konkrete Sanktionsdrohung zur Homeoffice-Regelung. Der Bußgeld-Paragraf wurde nur um Verstöße gegen andere Neuerungen wie die Ausgangssperren erweitert. Das könnte sogar bedeuten, dass auch Arbeitgebern jetzt keine Strafen mehr drohen, wenn sie Mitarbeitern kein Homeoffice anbieten. Bisher waren Bußgelder bis zu 30.000 Euro vorgesehen.