Berlin/Karlsruhe – Der Bundesgerichtshof (BGH) hätte am kommenden Dienstag über eine Revision eines Verbrauchers im Bereich des Bankrechts verhandelt. Die Parteien haben sich zwischenzeitlich außergerichtlich geeinigt. „Wir müssen davon ausgehen, dass die verklagte Bank dem Verbraucher ein derart attraktives Angebot gemacht hat. Damit sollte wohl eine kundenfreundliche Entscheidung verhindert werden“, sagte Rechtsanwalt Johannes von Rüden von der Kanzlei VON RUEDEN in Berlin. Die angegriffene Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamburg befindet sich auf unserer Webseite (OLG Hamburg, Urt. v. 02.04.2015, 13 U 87/14).
Der BGH hätte sich im Wesentlichen mit der Frage zu befassen gehabt, ob die Ausübung des Widerrufsrechts ausgeschlossen ist, wenn der Verbraucher nur von der Intention gelenkt wird, sich von einem für ihn nachteiligen Geschäft zu trennen.
„Maßgeblich ist nur, ob die fehlerhafte Widerrufsbelehrung abstrakt dazu geeignet sein kann, den Verbraucher von der Ausübung seines Widerrufsrechts abzuhalten. Insoweit bleiben die wahren Motive des Verbrauchers unberücksichtigt. Das zeigt sich auch darin, dass der Widerruf nach dem Willen des Gesetzgebers keiner Begründung bedarf“, sagte von Rüden mit Blick auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart. Das Verfahren ist ebenfalls am BGH anhängig, in dem von Rüden die Verbraucher vertritt.
Der Verbraucher hatte im Jahr 2005 spekulative Kreditgeschäfte zur Finanzierung einer Kommanditbeteiligung über 110.000 Euro abgeschlossen, die mit sogenannten Stop-Loss-Orders für Optionsscheine verbunden waren. Dabei werden Verkaufsorders ausgelöst, sobald der Kurs eine vorher festgelegte Schwelle unterschreitet, um Verluste weitestgehend abzuwenden. Das Landgericht Hamburg (LG Hamburg, Urt. v. 04.06.2014, 307 O 139/14) war nach einer Beweisaufnahme davon ausgegangen, dass der Verbraucher ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht aufgeklärt worden ist. Insbesondere sei ihm auch die Widerrufsbelehrung ausgehändigt worden.
Auf die sogenannte Gesetzmäßigkeitsfiktion nach § 14 Abs. 3 BGB-Info-Verordnung könne sich die Bank mit Recht berufen. Danach gilt auch eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung als ordnungsgemäß, wenn die Bank nicht von dem (fehlerhaften) gesetzlichen Muster inhaltlich abgewichen ist. Zwar sei die Widerrufsbelehrung wegen der Formulierung, die Widerrufsfrist beginne „frühestens“ mit Erhalt der Widerrufsbelehrung, fehlerhaft – die Gesetzmäßigkeitsfiktion würde aber greifen: Es habe keine inhaltlichen Änderung vorgelegen, sondern nur sprachliche Konkretisierungen, die dem besseren Verständnis dienen würden.
Das OLG Hamburg beurteilt dies jedoch anders: Durch das Weglassen eines Satzes aus der ursprünglichen Musterwiderrufsbelehrung würde eine inhaltliche Änderung vorliegen. Dies hatte das Landgericht Hamburg nicht erkannt. Danach könne sich die Bank nicht mehr auf die Gesetzmäßigkeitsfiktion berufen.
Allerdings könne der Verbraucher das Widerrufsrecht vorliegend nicht mehr ausüben. Dies würde eine unzulässige Rechtsausübung darstellen. Gem. § 242 BGB sei die Ausübung eines Gestaltungsrechts auch dann zu versagen, wenn ein berechtigtes schutzwürdiges Eigeninteresse fehlen würde. Das Widerrufsrecht soll von seinem Zweck her dazu dienen, dem Verbraucher die Möglichkeit einzuräumen, seine auf den Vertragsschluss gerichtete Willenserklärung zu überprüfen, eventuell andere Angebote einzuholen und keine unüberlegten Entscheidungen zu treffen. Zu diesem Zweck sei das Widerrufsrecht aber vorliegend nicht ausgeübt worden.
Rechtsmissbräuchlich sei es nach der Auffassung des Oberlandesgerichts Hamburg auch, wenn durch die Ausübung des Gestaltungsrechts „Vorteile in Anspruch genommen werden und die dazugehörigen Nachteile abgewendet werden sollen“. Vor dem Landgericht hatte der Verbraucher eingeräumt, dass er im Nachhinein erfahren habe, dass sich die Geschäfte steuerlich nicht so absetzen ließen, wie er es sich vorgestellt hatte. Damit aber, so das OLG Hamburg, würden die Risiken der Geldanlage unzulässigerweise auf den Kreditgeber abgewälzt.