BGH: Kündigung von Sparverträgen zulässig

Veröffentlicht am in Bank- und Kapitalmarktrecht

In der aktuellen Niedrigzinsphase können sich Verbraucher freuen, die vorher noch einen Sparvertrag mit attraktiver Verzinsung oder Bonusregelungen abgeschlossen haben. Doch schon lange klagen Banken über die hohen Belastungen durch negative Zinsen. Deshalb sind ihnen diese teuren Altverträge ein Dorn im Auge und immer mehr Geldinstitute versuchen die entsprechenden Verträge zu beenden. Ein Urteil des Bundesgerichtshofes beflügelt diese Pläne.

Im Mai 2019 hat sich der BGH damit beschäftigt, ob Sparkassen Prämiensparverträge einseitig kündigen dürfen. Die Karlsruher Richter befanden das Vorgehen im Wesentlichen für zulässig. In der Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs heißt es: „Urteil vom 14. Mai 2019 – XI ZR 345/18: Der u.a. für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat hat entschieden, dass ein Kreditinstitut einen Prämiensparvertrag nicht vor Erreichen der höchsten Prämienstufe kündigen kann.“
Das klingt zunächst erfreulich für Sparer, aber das Urteil impliziert, dass der Vertrag mit Erreichen der höchsten Prämienstufe doch gekündigt werden darf. Das BGH-Urteil kann jetzt als Präzedenzfall dienen und zieht Tausende von Kündigungen nach sich.

Sparkasse Nürnberg: Kündigungen im großen Stil

Nachdem der BGH der Sparkasse Stendal recht gab, Kunden mit dem Sparvertrag „S-Prämiensparen flexibel“ unter bestimmten Umständen zu kündigen, zog einige Wochen später die Sparkasse Nürnberg im großen Stil nach: Sie beendete mehr als 20.000 Verträge von 16.000 Kunden. Die Verträge wurden zwischen 1993 und 2004 abgeschlossen – ohne feste Laufzeit.

Die Sparkasse in Franken war die erste, die sich bei den Kündigungen auf das Bundesgerichtshof-Urteil berufen hat. Sie argumentiert, dass der BGH entschieden habe, dass ab dem Erreichen der höchsten Stufe dieser Prämiensparverträge gekündigt werden dürfe.

Gegenüber dem BR äußerte sich Dr. Ulrich Maly, Vorsitzender des Verwaltungsrats der Sparkasse Nürnberg, zu den Kündigungen: „Die Kündigung der Prämiensparverträge ist für die betroffenen Kundinnen und Kunden nicht erfreulich. Sie leiden damit genauso wie Banken und Sparkassen in der Eurozone unter der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank. Auch die Sparkasse Nürnberg ist gezwungen sich darauf einstellen, denn sie muss auch künftig für alle ihre rund 388.000 Kundinnen und Kunden ein zuverlässiges Kreditinstitut bleiben. Und wir wollen und müssen diese Sparkasse für die Kreditversorgung in Stadt und Region gesund und leistungsfähig erhalten.“

Weitere Kündigungen folgten

Im September 2019 hat dann auch die Sparkasse München 28.000 Prämien-Sparverträge zum Jahresende gekündigt. Bei weiteren 15.000 Kunden soll der Vertrag 2020 beendet werden. Das betrifft Sparer, deren Sparverträge seit mehr als 15 Jahren laufen. In diesem Jahr haben laut der Stiftung Warentest unter anderem auch die Städtische Sparkasse zu Schwelm, die Stadtsparkasse Schwedt, die Sparkasse Pfaffenhofen, die Sparkasse Mittelthüringen, die Sparkasse Jerichower Land und die Kreisparkasse Kandel-Germersheim Kündigungen ausgesprochen. Insgesamt listet die Stiftung Warentest 29 Geldinstitute auf, die Prämiensparverträge gekündigt haben.

Was können betroffene Sparer tun?

Trotz der Entscheidung des BGH raten die Verbraucherzentralen dazu, Widerspruch einzureichen und die Kündigung prüfen zu lassen. Wenn im Sparvertrag eine konkrete Laufzeit vereinbart ist, könnte ein Widerspruch sinnvoll sein, so die Stiftung Warentest. Dazu stellt zum Beispiel die Verbraucherzentrale Brandenburg einen Musterbrief bereit.

Die Verbraucherzentrale Bayern sieht den Fall so: Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs sind Kündigungen solcher Prämiensparverträge erlaubt, wenn die höchste Prämienstufe erreicht ist, nicht aber, wenn eine konkrete Laufzeit vereinbart wurde. Kunden gehen also kein Risiko ein, wenn sie gegen die Kündigung Widerspruch einlegen.

Wer eine Rechtsschutzversicherung besitzt, sollte sich erkundigen, ob sie die Kosten des Streits übernimmt. Das Geld aus dem Sparvertrag darf auf keinen Fall angetastet werden, denn dadurch würde die Kündigung akzeptiert und es können keine Ansprüche mehr geltend gemacht werden.

Düstere Aussichten: Strafzinsen für Privatkunden

Experten vermuten, dass die EZB ihre Geldpolitik noch einmal lockern wird. Die Zinsen, die Banken der Europäischen Zentralbank zahlen müssen, wenn sie Geld bei ihr anlegen, rutschen dann noch tiefer ins Minus. Im Moment liegt der Satz bei minus 0,4 Prozent. Banken wollen die Negativzinsen an Privatkunden weitergeben. Wegen der Nullzinspolitik können viele Banken ihre Kosten kaum noch decken. Bei den bayerischen Sparkassen sanken die Nettogewinne 2018 um 4,5 Prozent auf 343 Millionen Euro.

Die Nassauische Sparkasse hat bereits zum 1. Juli Negativzinsen eingeführt – für Guthaben ab 500.000 Euro auf Giro- und Tagesgeldkonten. Die Münchner Sparkasse will ab Oktober 2019 Strafzinsen von Neukunden mit Guthaben von mehr als 100.000 Euro auf Giro- oder Cashkonto verlangen. Damit soll verhindert werden, dass die Einlagen zu stark wachsen.

Allein im vergangenen Jahr habe die Stadtsparkasse München 13 Millionen Euro an Strafzinsen zahlen müssen, so Ralf Fleischer, Chef der Stadtsparkasse München, gegenüber dem Merkur. Sollte der Einlagezins von minus 0,4 Prozent noch tiefer sinken, kämen Banken nicht mehr umhin, diese Kosten an die Kunden weiterzugeben. Kleinsparer will der Chef der Münchner Sparkasse aber nicht belasten. Für ihn seien Freibeträge von 50.000 bis 100.000 Euro denkbar. Ähnlich gehen auch andere Banken vor.

Auch die Sparkassen in Baden-Württemberg schließen Strafzinsen für Kunden nicht mehr aus: „Wir wollen das nicht“, so Peter Schneider, Präsident des baden-württembergischen Sparkassenverbands, bei einer Pressekonferenz in Stuttgart. „Aber wenn dieses Zinsniveau auf einer langen Achse fortgeschrieben wird, dann wird der betriebswirtschaftliche Druck so groß, dass sich niemand mehr Negativzinsen entziehen kann.“

Höhere Provisionen und Gebühren

Mit höheren Provisionen und Gebühren, der Schließung tausender Filialen und Fusionen und Personalabbau haben die Regionalbanken in den vergangenen Jahren versucht, gegenzusteuern. Sparkassen und Genossenschaftsbanken beschäftigten Ende 2018 bundesweit rund 53.000 Menschen weniger als noch 2012. Klar ist: Wenn die Zinsen dauerhaft so tief bleiben, drohen vielen Regionalbanken rote Zahlen. Experten warnen schon lange vor diesem Szenario.

Auch Sparer leiden unter der Geldpolitik der EZB: Die Zinsen liegen ohnehin schon unter der Inflationsrate – und sind damit negativ. Kunden, die ihr Geld auf Sparkonten anlegen, haben bereits jetzt einen Kaufkraftverlust. Höhere Gebühren würden Sparer zusätzlich belasten und das Sparen noch unattraktiver machen.