Widerruf eines Verbraucherdarlehensvertrages: Einwand der Verwirkung?

Veröffentlicht am in Bank- und Kapitalmarktrecht

Die 14-tägige Widerrufsfrist in seit September 2002 abgeschlossenen Verbraucherdarlehensverträgen beginnt nur dann zu laufen, wenn der Darlehensnehmer richtig und vollständig über sein Widerrufsrecht und vor allem über den Beginn der Widerrufsfrist belehrt worden ist. Stimmt die Widerrufsbelehrung nicht mit der gesetzlichen Musterwiderrufsbelehrung überein und ist sie im Weiteren auch fehlerhaft, hat die Widerrufsfrist nie zu laufen begonnen. Der Widerruf kann dementsprechend noch heute erklärt werden. Das gilt grundsätzlich auch für die Fälle, in denen der Darlehensnehmer bei vorfälliger Ablösung des Darlehens bereits eine Vorfälligkeitsentschädigung an den Darlehensgeber gezahlt hat.

Das Widerrufsrecht als Gestaltungsrecht unterliegt dabei nicht der Verjährung

Sind Darlehensverträge älter als 2 bis 5 Jahre, wird von den Darlehensgebern nach erklärtem Widerruf und verlangter Vertragsaufhebung oder Rückzahlung bereits gezahlter Vorfälligkeitsentschädigung jedoch gern Verwirkung eingewandt. Ein Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte (hier der Darlehensnehmer) es längere Zeit nicht geltend gemacht hat (sogenanntes Zeitmoment), und der Verpflichtete (hier der Darlehensgeber) sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf eingerichtet hat und sich auch darauf einrichten durfte, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht mehr geltend machen werde (sogenanntes Umstandsmoment); vgl. BGH NJW 2006, 219.

Das infolge einer nicht ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung unbefristete Widerrufsrecht (§ 312 BGB) unterliegt zwar der Verwirkung, ein bloßer Zeitablauf (10 Jahre) reicht aber nicht aus (vgl. Heinrichs in Palandt, § 242, Rn 109, m.w.N.; bzw. Grüneberg in Palandt, § 242, Rn 107, m.w.N.). Bereits in zeitlicher Hinsicht erscheint es daher in den meisten Fällen äußerst fraglich, eine Verwirkung des Widerrufsrechts des Darlehensnehmers anzunehmen.

Heinrichs (a.a.O), bzw. Grüneberg (a.a.O.) führen sodann weiter wie folgt aus:

Nach § 355 Abs. 2 i.V.m. Artikel 229 § 9 EGBGB kann der Unternehmer die Belehrung nachholen und dadurch eine Widerrufsfrist von 1 Monat in Lauf setzen. Wegen dieser Möglichkeit, für klare Verhältnisse zu sorgen, kommt Verwirkung nur bei Uraltverträgen in Betracht. Für die Partei, die ihre Belehrungspflicht nicht erfüllt hat, entsteht auch i.d.R. kein Vertrauenstatbestand, da sie davon ausgehen muss, dass der andere Teil von dem ihm zustehenden Anspruch nichts weiß.

Der Darlehensgeber wird dementsprechend in den meisten Fällen überhaupt nicht schutzbedürftig sein.

Haben die Parteien ihre Leistungen vollständig erbracht, kann das nationale Recht nach Ablauf einer Frist von 1 Monat das Widerrufsrecht ausschließen. Hiervon hat der Gesetzgeber im Bereich von Verbraucherdarlehensverträgen keinen Gebrauch gemacht. Vorstehende Ergebnisse finden zudem eine Stütze in § 355 Abs. 4 BGB. Nach Satz 1 erlischt das Widerrufsrecht spätestens 6 Monate nach Vertragsschluss. Satz 3 regelt davon abweichend, dass das Widerrufsrecht nicht erlischt, wenn der Verbraucher nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt worden ist.

Im Ergebnis können Widerrufsrechte bei Verbraucherdarlehensverträgen praktisch zeitlich unbegrenzt geltend gemacht werden. Das hindert die Darlehensgeber in den meisten Fällen jedoch nicht daran, sich auf den Einwand der Verwirkung zu berufen. Eine gerichtliche Klärung der Wirksamkeit des erklärten Widerrufs ist in vielen Fällen daher unvermeidlich, zumal es Gerichte gibt, die eine Verwirkung mit dem Argument bejahen, dass es auf eine Kenntnis des Darlehensnehmers vom weiterhin bestehenden Widerrufsrecht nicht ankommen soll. Warum der Darlehensgeber jedoch aufgrund seiner falschen Widerrufsbelehrung und einer unterlassenen Nachbelehrung gegenüber dem Darlehensnehmer schutzbedürftiger sein soll, wird nicht erläutert und ist auch nicht nachvollziehbar.

Verbrauchern ist daher dazu zu raten, in diesen Fällen nicht zu früh „klein beizugeben“!