Der Mietendeckel ist da: Was können Mieter jetzt tun?

Veröffentlicht am in Immobilien- und Mietrecht

Berlin – Der Mietendeckel ist beschlossen. Mit dem radikalen Gesetz hat das Berliner Abgeordnetenhaus Mieten verboten, die festgelegte Höchstgrenzen überschreiten. Die erlaubten Mietobergrenzen sind in der Höchstwerttabelle der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung eindeutig definiert. Aber was bedeutet das in der Praxis für Mieterinnen und Mieter? Was genau regelt das Gesetz und wie geht man vor, um eine zu hohe Miete zu senken? Lesen Sie hier, was Sie als Mieter jetzt tun können.

Nachdem sich die Angebotsmieten in Berlin in den letzten zehn Jahren fast verdoppelt haben und zahllose Berliner aus ihren Wohnungen und Kiezen verdrängt wurden, versucht der Berliner Senat jetzt gegenzusteuern – mit dem sogenannten Mietendeckel. Das Gesetz wurde am 30. Januar mit rot-rot-grüner Mehrheit beschlossen, um die Kontrolle über den entfesselten Mietmarkt zu erlangen. Ein mutiger Vorstoß, der bundesweit viel Aufmerksamkeit erregt.

Was genau regelt das Gesetz?

Die taz gibt einen guten Überblick über die neuen Regelungen und fasst die wichtigsten Punkte zusammen: Der Mietendeckel besteht aus Einfrieren, Deckeln und Absenken der Berliner Mieten und betrifft etwa 1,5 Millionen Mietwohnungen, die vor 2014 in der Hauptstadt gebaut wurden.

Wichtigstes Werkzeug ist der Mietenstopp, demzufolge es verboten ist, mehr Miete zu fordern als zum Stichtag 18. Juni 2019 vereinbart war. Das gilt ab Inkrafttreten des Gesetzes – also voraussichtlich ab Mitte Februar. Ob Mieter die zu viel gezahlte Miete zurückbekommen, müssen die Gerichte noch klären kann. Für nach dem Stichtag 18. Juni angemietete Wohnungen gilt die vereinbarte Miete.

Ab Januar 2022 beginnt der „atmende“ Mietendeckel. Dann dürfen die festgesetzten Mietobergrenzen um die jährliche Inflationsrate erhöht werden, höchstens aber 1,3 Prozent pro Jahr. Mieten, die unter der Obergrenze liegen, können also dann nach oben angepasst werden.

Neun Monate nach Inkrafttreten des Mietendeckels dürfen die Mieten in bestehenden Verträgen abgesenkt werden, also voraussichtlich im November 2020. Das betrifft Mieten, die mehr als 20 Prozent über den festgelegten Höchstwerten liegen. Energetische Sanierungen dürfen mit höchstens einem Euro pro Quadratmeter auf die Miete umgelegt werden.

Wie können Sie Ihre Miete senken?

Die rot-rot-grüne Koalition hat kürzlich noch eine entscheidende Änderung an dem Gesetz vorgenommen: die Änderung des Mietendeckelgesetzes zu einem Verbotsgesetz. Damit ist es verboten, eine höhere Miete zu verlangen als die zum Stichtag 18. Juni vereinbarte. Bei Neuvermietung darf die Miete nicht über der Obergrenze liegen und neun Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes darf die Miete nicht mehr als 20 Prozent über der Mietobergrenze liegen.

Vermieter machen sich demnach strafbar, wenn sie eine zu hohe Miete verlangen und müssen mit Bußgeldern bis zu 500.000 Euro rechnen. Mieter müssen das Amt nur über die überhöhte Miete informieren. Erst wenn Vermieter die Absenkung verweigern, müssen Mieter selbst klagen. Das Verbotsgesetz dürfte wirken, denn sogar der Wohnungsverband BBU hat seinen Mitgliedern geraten, überhöhte Mieten unaufgefordert zu senken, um die sofort fälligen Bußgelder zu vermeiden.

Liegt die eigene Miete über der Grenze, kann man sich das vom jeweiligen Bezirksamt bescheinigen lassen und den Bescheid dem Vermieter vorlegen. Die zweite Möglichkeit ist: Der Mieter holt sich das verbindliche Einverständnis des Vermieters und senkt die Miete nach dessen Zustimmung. Wer nämlich die Miete ohne Zustimmung des Vermieters reduziert, gerät in einen Zahlungsrückstand. Sollte das Gesetz scheitern, steht der Mieter plötzlich als Schuldner da und im schlimmsten Fall droht die Kündigung.

Und was ist mit Mieterhöhungen? Muß man die akteptieren? Reiner Wild vom Berliner Mieterverein empfiehlt, Mieterhöhungen nach Inkrafttreten des Gesetzes die Zustimmung zu verweigern.

Woher weiß ich, ob meine Miete zu hoch ist?

Das Gesetz verpflichtet Vermieter, ihren Mietern innerhalb von zwei Monaten nach Inkrafttreten des Mietendeckels Auskunft über die zulässige Mietobergrenze zu geben – also spätestens am 1. Mai. Grundlage der Bestimmung der Miete ist die Höchstwerttabelle der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung.

Je nach Fertigstellungsdatum des Hauses und Ausstattung der Wohnung liegt die Höchstmiete zwischen 3,92 Euro bei vor 1918 errichteten Altbauten ohne Sammelheizung und ohne Bad und bis zu 9,80 Euro bei Neubauten zwischen 2003 bis 2013.

Um sicher zu gehen, wie hoch die zulässige Miete ist, kann man sie vom Bezirksamt feststellen und sich einen Absenkungsbescheid ausstellen lassen. Das erhöht die Sicherheit, falls es zu einem zivilrechtlichen Streit kommt.

Umziehen könnte sich lohnen

Umziehen innerhalb der Innenstadt ist in den letzten Jahren für viele fast unmöglich geworden, weil es kaum noch Angebote unter zwölf Euro pro Quadratmeter gab. Das könnte sich jetzt ändern, denn laut Gesetz darf für eine Wohnung, die wiedervermietet wird, maximal die Vormiete verlangt werden darf – bzw. eine Miete, die innerhalb der Obergrenzen der Mietentabelle liegt.

Es wird also spannend: Die Angebotsmieten dürften in Kürze einbrechen. Eine 172 Quadratmeter große Altbauwohnung in Charlottenburg, für die derzeit 4.315 Euro verlangt werden, darf künftig nur noch 1.286 Euro kosten – 6,45 Euro/qm plus einen Euro/qm für eine hochwertige Ausstattung. Umziehen kann sich also wieder lohnen, weil die neue Miete deutlich niedriger ausfallen könnte.

Was, wenn der Mietendeckel gekippt wird?

Die große Gefahr für den Mietendeckel sind die Verfassungsgerichte. CDU und FDP wollen gegen das Gesetz klagen. Horst Seehofer (CSU), Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat, hält den Mietendeckel für verfassungswidrig und weit über das Ziel hinausschießend.

Weil das Landesverfassungsgericht nur eine Übereinstimmung mit der Berliner Verfassung prüfen kann, muss das Bundesverfassungsgericht jetzt feststellen, ob das Land Berlin überhaupt zuständig ist. Es ist also möglich, dass das Gesetz für verfassungswidrig erklärt und wieder aufgehoben wird. Im schlimmsten Fall könnten Vermieter dann aufgrund nicht gezahlter Mieten Kündigungen aussprechen oder Mietnachzahlungen fordern.

Reiner Wild vom Berliner Mieterverein rät Mietern, das eingesparte Geld zurückzulegen. Das gelte grundsätzlich in allen mietrechtlichen Auseinandersetzungen. Außerdem sollte man die Behörden, die das Gesetz überwachen müssen, miteinbeziehen. Eine amtliche Mitteilung über eine zulässige Miethöhe stärkt in jedem Fall die Position der Mieter in zivilrechtlichen Auseinandersetzungen.

Verbindliche Rechtssicherheit für alle Seiten besteht erst, wenn das Bundesverfassungsgericht in der von CDU und FDP angekündigten Normenkontrollklage über den Berliner Mietendeckel entscheidet. Mit dem Urteil ist aber in diesem Jahr voraussichtlich nicht mehr zu rechnen.