Falsche Verdächtigung: Freispruch erster Klasse vor dem AG Tiergarten

Veröffentlicht am in Medienrecht

Das Amtsgericht Tiergarten (AG Tiergarten, Urt. v. 13.05.2015, 274 Cs 21/15, rechtskräftig) hat einen Mandanten der Rechtsanwaltskanzlei VON RUEDEN vom Vorwurf der falschen Verdächtigung freigesprochen.

Der Angeklagte hatte wegen einer Gartenparty auf dem benachbarten Grundstück die Polizei gerufen, da zum Teil pädophile Musik gehört wurde. Der Lärm bestand überwiegend aus Musik, rhythmischem Klatschen, Gegröle und Hundebellen. Das Ordnungsamt Neukölln eröffnete gegen den Grundstückseigentümer Werner D. ein Ordnungswidrigkeitenverfahren, das jedoch eingestellt wurde. Nun sah er sich offenbar bestätigt und erstattete nun seinerseits Anzeige wegen falscher Verdächtigung gem. § 164 Abs. 2 StGB. Zunächst stellte die Amtsanwaltschaft Berlin das Verfahren nach § 170 Abs. 2 StPO ein.

Auf die Einstellungsbeschwerde des Werner D. fing die Staatsanwaltschaft nun erneut an zu ermitteln. Nach über 20 Monaten nach den nächtlichen Vorfällen flatterte ein Strafbefehl beim dem Angeklagten ein. Erstmals äußerte er sich nun im Verfahren und legte Einspruch gegen den Strafbefehl ein. Zur Begründung führte er sogar aus, dass er eine Tonaufzeichnung habe, auf der die genannten Lärmimmissionen zu hören seien. Diese lag dem Gericht bereits vor. Offenbar hatte sich aber niemand die Mühe gemacht, sich diese anzuhören.

Im Laufe des Verfahrens hat das Gericht mehrfach angeboten, das Verfahren nach § 153 Abs. 2 StPO einzustellen. Die Amtsanwaltschaft Berlin hatte diesem Vorgehen vorab zugestimmt. Nachdem das Gericht diesen Vorschlag schriftlich unterbreitet hatte, erfolgte kurz und knapp unsere Antwort:

„Der Angeklagte stimmt einer Einstellung des Verfahren nicht zu. Es ist Termin zur Hauptverhandlung anzuberaumen.“

In der kommenden Woche rief der Vorsitzende Richter in der Kanzlei an und warb nochmals für eine Einstellung des Verfahrens. Doch auch das war vergeblich, denn der Angeklagte lehnte auch weiterhin eine Einstellung des Verfahrens ab. Vielmehr wollte er es zur Verhandlung kommen lassen.

Kurz vor dem Termin zur Hauptverhandlung hatte der Anzeigenerstatter Werner D. einen wirren Adhäsionsantrag bei Gericht gestellt. Er begehrte die Erstattung von Rechtsanwaltskosten, die ihm im Zusammenhang mit dem Ordnungswidrigkeitenverfahren entstanden waren und die Zahlung einer Unkostenpauschale in Höhe von 25,- EUR. „Uns war vollkommen schleierhaft, woher diese Ansprüche rühren. Die Anträge waren zum Teil sehr wirr geschrieben“, erklärte Rechtsanwalt Nico Werdermann, der den Angeklagten vertrat.

Als Zeuge sagte er zunächst detailreich über den Vormittag beim Zahnarzt aus. Seine unfreiwillig komische Erzählweise führte immer wieder zu Gelächter im Saal. Der Vorsitzende musste ihn immer wieder unterbrechen und darum bitten, zum Kernthema zurückzukommen. Wer in der zweiten Bundesliga ein Tor geschossen habe, würde niemanden interessieren. Der Zeuge gab an, seit Jahren Fußballlehrer beim SV Adler Berlin 1950 e.V. in Berlin-Lichtenrade zu sein und eine so genannte A-Lizenz zu besitzen – was aber auch nicht wesentlich von Belang war.

Anschließend wurde ihm die Tonbandaufnahme vorgespielt. Auf ihr war deutlich die Stimme seiner Tochter Ramona Alexandra D. zu hören und alle von dem Angeklagten beanstandeten Lärmimmissionen. Diese wohnte der Verhandlung aus dem Zuschauerraum bei und störte die Verhandlung mehrfach durch Zwischenrufe, bis sie zurechtgewiesen wurde. Der Zeuge wollte oder konnte aber nicht die Stimme seiner Tochter erkennen. Auch auf Nachfragen verwickelte er sich in Widersprüche. Das Gericht hielt ihn nicht für glaubwürdig.

Während einer Verhandlungspause bot das Gericht dem Angeklagten erneut an, das Verfahren einzustellen, da ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung nicht zu erkennen sei. Doch dieser lehnte erneut ab und attackierte das Gericht und die Amtsanwaltschaft mit harschen Worten. Die Amtsanwaltschaft habe sich „irgendeine Story ausgedacht, für die es bisher nicht eine greifbare Anknüpfungstatsache“ gebe. Die Amtsanwaltschaft habe sich „in irgendeine Richtung verrannt“ und müsse dafür nun mit den Konsequenzen leben.

Da ein als Zeuge geladener Polizist nicht erschienen war, musste in der kommenden Woche erneut verhandelt werden. Wie sich herausstellte, war zu diesem Zeitpunkt bereits alles für einen Freispruch vorbereitet. Die Plädoyers konnten knapp gehalten werden. Der Adhäsionskläger trägt die Kosten des Adhäsionsverfahrens.

„Angeklagte sollten sich bei einer klaren Beweislage nicht vorschnell mit einer Einstellung des Verfahrens zufrieden geben, sondern im Zweifelsfall auf den Freispruch hinarbeiten“, sagte Werdermann.