Landgericht Hannover: Anschlussinhaber muss Adresse von Nutzern liefern

Veröffentlicht am in Urheberrecht

Hannover – Das Landgericht Hannover hat entschieden, dass der Anschlussinhaber dazu verpflichtet ist, die aktuelle Wohnanschrift eines Nutzungsberechtigten zu ermitteln, wenn der Anschlussinhaber meint, er sei für eine abgemahnte Urheberrechtsverletzung, die über seinen Internetanschluss begangenen worden ist, nicht schuld. Wird über den Internetanschluss eine Urheberrechtsverletzung begangen, spricht eine so genannte tatsächliche Vermutung dafür, dass der Anschlussinhaber für diese verantwortlich ist (BGH, Urt. v. 08.01.2014, I ZR 169/12).

Filesharing – Anschlussinhaber gilt zunächst als Täter der Rechtsverletzung

Für eine solche Vermutung besteht jedoch kein Raum, wenn feststeht, dass zu dem Tatzeitpunkt mehrere Personen eigenständigen Zugang zu dem Internetanschluss hatten. In diesem Fall trifft jedoch den Internetanschlussinhaber eine so genannte  sekundäre Darlegungslast, in dessen Rahmen er darzulegen hat, ob und welche Personen eigenständigen Zugang zum Internetanschluss hatten und als Täter in Betracht kommen. In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren zu Nachforschungen verpflichtet. Zudem ist der Anschlussinhaber zur Mitteilung darüber verpflichtet, welche Erkenntnisse er dabei über eine Rechtsverletzung und deren Umstände er in Erfahrung bringen konnte (BGH, Urt. v. 11.06.2015, I ZR 75/14).

Der Landgericht Hannover (LG Hannover, Urt. v. 22.12.2015, 18 S 60/15, konkretisierte nun die Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast des Anschlussinhabers. Die in Anspruch genommene Internetanschlussinhaberin betrieb eine Einrichtung für Jugendliche, die zum Teil auch zwangsweise in ihrer Einrichtung untergebracht wurden. Im Prozess vor dem Amtsgericht Hannover hatte sie zwar mitgeteilt, einen konkreten Verdacht gegen eine bestimmte Person zu haben, diese würde aber unterdessen wieder bei ihren Eltern leben. Zwar wurde der Name genannt, aber auf Aufforderung des Gerichts keine ladungsfähige Anschrift. Die Kammer des Landgerichts stellte hierzu fest:

„Die Beklagte hat in keiner Weise dargestellt, ob bzw. welche Nachforschungen sie bezüglich der Anschrift angestellt hat.“

Dies sei auch nicht nachvollziehbar, immerhin habe die Beklagte im Vorprozess erklärt, der Jugendliche würde unterdessen wieder bei seinen Eltern wohnen. Zumindest hätte sich die Beklagte auch an das Jugendamt wenden können, um dort die Adresse in Erfahrung zu bringen. Da sie diesen Nachforschungspflichten nicht nachgekommen sei, hafte sie auch wie eine Täterin auf Schadenersatz. Die Rechtsprechung des Landgerichts Hannover konkretisiert nun die Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast. Bisher hatten sich einige Gerichte damit begnügt, schlicht den Namen und das Geburtsdatum der anderen Personen zu hören.

Filesharing – Anschlussinhaber muss Wohnanschrift der genannten Personen mitteilen

Rechtsanwalt Johannes von Rüden warnte am Donnerstagvormittag vor einer konturenlosen Ausweitung der sekundären Darlegungslast. „Werden studentische Wohngemeinschaften mehr als drei Jahre nach der Rechtsverletzung klageweise in Anspruch genommen, hätte der Anschlussinhaber konkrete Nachforschungen zu dem derzeitigen Aufenthaltsort aller früheren Mitbewohner zur Folge. Zumindest aber müsste der Anschlussinhaber konkret darlegen, welche Maßnahmen er ergriffen hat, um die Anschrift früherer Nutzer ausfindig zu machen.“ Diese Rechtsprechung würde dann auch für Paare gelten, die seit der Rechtsverletzung nicht mehr zusammenwohnen. „Einfach zu sagen, ich bin mit der Person nicht mehr zusammen und ich weiß nicht, wo sie hin ist“, würde nach von Rüden zur Entkräftung der sekundären Darlegungslast nicht mehr ausreichen. Allerdings sei auch aus dogmatischer Sicht zu überdenken, ob die Nennung einer ladungsfähigen Anschrift überhaupt von der sekundären Darlegungslast umfasst sein kann, denn hierbei handele es sich bereits um eine Frage der Beweisführung.  Im Zweifel müsste der Anschlussinhaber jedoch genau sagen, welche Maßnahmen er zur Recherche der Adresse angestellt hat.