„Never Surrender“ – Filesharingklage abgewiesen – Ermittlungssoftware „ungeeignet“

Veröffentlicht am in Urheberrecht

Das Amtsgericht Braunschweig (AG Braunschweig, Urt. v. 13.10.2015, 117 C 2852/15, nicht rechtskräftig) hat vergangene Woche eine Klage der KSM GmbH vollständig abgewiesen. Dabei ist die Begründung des Gerichts durchaus pikant: Die eingesetzte Ermittlungssoftware sei nicht dazu geeignet, Filesharing-Verletzungen zuverlässig zu ermitteln.

1920px-Braunschweig_Brunswick_BS-Landtag_(2005)
Das rekonstruierte ehemalige Braunschweigische Landschaftliche Haus beherbergt heute das Amtsgericht. Foto: Wikipedia, User:Brunswyk Lizenz: CC BY-SA 3.0

Dem beklagten Anschlussinhaber wurde vorgeworfen, über seinen Internetanschluss dem Film „Never Surrender“ über eine Tauschbörse illegal heruntergeladen zu haben und damit anderen Nutzern der Tauschbörse BitTorrent zur Verfügung gestellt zu haben. Er solle mindestens 400 EUR Schadenersatz zahlen und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 555,60 EUR und zusätzlich die Kosten des Verfahrens tragen.

Beklagter ließ sich durch Rechtsanwaltskanzlei VON RUEDEN vertreten

Der Anschlussinhaber wehrte sich gegen den Vorwurf der KSM GmbH, die die Rechte an dem Film hält. Dabei ließ sich das Wiesbadener Unternehmen von der Berliner Rechtsanwaltskanzlei BaumgartenBrandt vertreten. Der Anschlussinhaber brachte vor, dass neben ihm auch seine Ehefrau selbständigen Zugang zu dem Internetanschluss hatte. Daneben zweifelten die Rechtsanwälte von VON RUEDEN, die den Anschlussinhaber vertraten, an der zuverlässigen Ermittlung der Rechtsverletzung.

Dieser Argumentation schloss sich das Gericht an und führte dazu aus:

„Die anderen Teilnehmer müssen aber in die Lage versetzt sein, auf das gesamte Werk oder zumindest auf verwertbare Teile davon zuzugreifen. Der nach der Darstellung der Klägerin vom Beklagten eingesetzte File-Sharing-Client basiert auf dem BitTorrent-Protokoll. Es erlaubt Teilnehmern, jeweils einzelne Stücke einer Dateien, die Chunks genannt werden, herunterzuladen und diese nach ihrer Komplettierung zu der ganzen Datei zusammenzufügen. Diese Chunks müssen eine Mindestgröße von 9 MB aufweisen. Ein üblicher DSL-16.000-Anschluss erlaubt ein maximales Uploadvolumen von 2.400 Kbit/Sek, sodass das Hochladen von 9 MB mehr als 30 Sekunden benötigt. Die Feststellung der Firma Guardaley Ltd. lasten dem Beklagten aber nur 1 Sekunde oder sogar nur einen Bruchteil davon während der Verletzungshandlung an, denn sie gibt für sie keinen Zeitraum, sondern einen einzelnen sekundengenau festgehaltenen Zeitpunkt an. In einer Sekunde lassen sich aber höchstens 0,29 MB hochladen. […] Folglich ist es ebenso gut möglich und nach allgemeiner Lebenserfahrung sogar naheliegend, dass der Nutzer im Moment der ihm angelasteten Verletzungshandlung eine völlig andere als die geschützte Datei heruntergeladen hat. […] Nach alldem ist die von der Guardaley Ltd. angewandte Ermittlungsmethode ungeeignet, Rechtsverletzungen im Wege des öffentlichen Zugänglichmachens geschützter Werke nachzuweisen oder auch nur plausibel erscheinen zu lassen.“

Ferner führte das Gericht aus, dass es erhebliche Zweifel an der Zuverlässigkeit der eingesetzten Software hegt, die das Gericht anhand anderer Gerichtsentscheidungen belegte. Gegen das Urteil ist die Berufung statthaft.