Welche Konsequenzen sind aus der „Kino.to-Entscheidung“ zum Streamen zu ziehen?

Veröffentlicht am in Urheberrecht

Seit eh und je herrscht Unsicherheit dahingehend, ob das Streamen von illegalen Medieninhalten (wie z.B. Filmen oder Serien) urheberrechtswidrig und damit abmahnfähig und/oder sogar strafbar ist. Vor knapp zwei Jahren hat das Amtsgerichts Leipzig (Urteil vom 21.12.2011, Az. 200 Ls 390 Js 184/11) einen Betreiber des Streaming-Portals „Kino.to“ zu einer mehrjährigen Haftstrafe wegen Urheberrechtsverletzung verurteilt. Die Verurteilung mag einleuchtend sein, weil der Betreiber Raubkopien über sein Portal mit Gewinnerzielungsabsicht verbreitet hat, d.h. aktiv illegal erworbene Filme und Serien verbreitet und verwertet hat. Obgleich sich dieses Strafverfahren nur gegen den Betreiber von Kino.to wendete, äußerte sich das Gericht im Urteil aber auch zum Streamen durch die Nutzer:

„[…] Schließlich fand zumindest eine vorübergehende Erstellung eines Vervielfältigungsstücks beim Nutzer von Kino.to statt. Dies gilt ohnehin für diejenigen Nutzer, die den Datenstrom zur wiederholten Ansicht auf ihrem eigenen Rechner speicherten und dadurch ein weiteres dauerhaftes Vervielfältigungsstück anfertigten. Dies gilt aber auch für den Nutzer eines Streamprogrammes, der das Filmwerk nur zur einmaligen Nutzung herunterlud. Denn auch beim Streaming werden die über das Internet empfangenen Datenblöcke zunächst auf dem Rechner zwischengespeichert, um sodann in eine flüssige Bildwiedergabe auf dem Bildschirm des Nutzers ausgegeben werden zu können. § 16 UrhG stellt insoweit klar, dass auch vorübergehend erstellte Vervielfältigungsstücke dem Urheberrechtsschutz unterfallen. Die Ausnahmevorschrift des § 44a UrhG ist nicht einschlägig. Die Speicherung beim Nutzer von Kino.to erfolgt nicht als Vermittler zwischen Dritten. Eine rechtmäßige Nutzung der Raubkopien ist ohne Genehmigung des Urhebers ebenfalls nicht möglich.“

(AG Leipzig, Urteil vom 21.12.2011 – Az. 200 Ls 390 Js 184/11)

Kino.to ist nach dem Urteil schnell von der Bildfläche verschwunden. Ob aber nun „Kinox.to“, „Movie2k.to“, „Iload.am“, „Stream2k.eu“ – neue oder andere Streaming-Portale lassen sich von dem Urteil nicht abschrecken. Mit dem Gedanken „Ich speichere / downloade ja nichts und nutze doch nur privat“ haben sich auch die Nutzer davon bisher nicht wesentlich beeinflussen lassen. Die aktuelle Abmahnwelle der Kanzlei U+C wegen Urheberrechtsverletzungen durch die Nutzung des Erotikportals RedTube zeigt allerdings, dass das Thema auch von den Nutzern ernst genommen werden sollte – insbesondere seit dem vorgenannten Leipziger Urteil.

Dreh- und Angelpunkt für die rechtliche Bewertung ist die Zwischenspeicherung von Medieninhalten auf dem Zielrechner. Diese Zwischenspeicherung ist eine Vervielfältigung nach § 16 Urhebergesetz (UrhG). Eine Vervielfältigung im Sinne von § 16 UrhG wird definiert als die Herstellung einer oder mehrerer körperlicher Festlegungen, die geeignet sind, das Werk den menschlichen Sinnen auf irgendeine Weise wiederholt unmittelbar oder mittelbar wahrnehmbar zu machen (Fromm/Nordemann, Kommentar zum UrhG, 10. Auflage, § 16 Rn. 9). Eben wegen dieser Forderung nach einer „körperlichen Festlegung“ kommt es insbesondere auf den technischen Vorgang beim Streamen an. Würde sich das Streamen nämlich nur im Anschauen der Filme erschöpfen, dann läge keine Vervielfältigung vor, weil auch nichts „körperlich“ fixiert wird. Anders ist dies, wenn die Medieninhalte auf dem Computer des Nutzers (zumindest) zwischengespeichert werden. Ob dauerhaft oder nur vorübergehend – das ist für eine Vervielfältigungshandlung unerheblich.

Ohne Genehmigung des Urhebers ist eine Vervielfältigung grundsätzlich nicht erlaubt. Bei der Nutzung von illegalen Streaming-Portalen liegt eben diese Genehmigung nicht vor.

Beim Streamen erfolgt immer eine Zwischenspeicherung  – egal, wie das Streamen technisch ausgelegt ist. Das kann dauerhaft oder vorübergehend sein; das kann auf dem Arbeitsspeicher (RAM) oder auf der Festplatte des Zielrechners sein; das kann der gesamte Medieninhalt oder nur einzelne Segmente davon sein (vgl. hierzu die Aufsätze von Stieper, MMR 2012, 12 und Busch, GRUR 2011, 496).

On-Demand Streaming, progressiver Download, Live-Stream – was ist nun Streaming? Die Antwort: Alles. Unter Streaming versteht man generell das gleichzeitige Empfangen und Wiedergeben von Audio- und/oder Videodateien. Zu unterscheiden sind zunächst On-Demand-Streaming und Live-Streaming. On-Demand-Streaming kann wiederum unterteilt werden in „echtes“ On-Demand-Streaming (True-Streaming) und progressiven Download.

Wie die Bezeichnung „On-Demand“ („auf Nachfrage“) schon festlegt, kann der Nutzer Medieninhalte unabhängig von Ort und Zeit mehrfach anfordern, diese vor- und zurückspulen oder pausieren. Technisch vereinfacht beschrieben werden die ersten Sekunden der Medieninhalte, z.B. eines Films, auf dem Arbeitsspeicher oder auf der Festplatte des Nutzers zwischengespeichert („Cache“). Sobald diese ersten Sekunden im Zwischenspeicher gespeichert sind (sog. „Buffering“), kann der Film abgespielt werden. Fragmentweise werden die weiteren Datenpakete bzw. die nächsten Sekunden des Films nacheinander folgend zwischengespeichert.

Liegen am Ende alle Inhalte im Zwischenspeicher, dann spricht man nicht mehr von „echtem“ On-Demand-Streaming (True-Streaming), sondern von progressivem Download. Sobald der jeweilige Internetbrowser für das Streamen geschlossen wird, werden auch die Inhalte im Zwischenspeicher gelöscht. Selbst dieser Schritt kann verhindert werden, indem man die Inhalte mit Unterstützung von bestimmten Programmen (z.B. VLC Player) umbenennen und speichern kann, so dass sie dauerhaft haltbar und nutzbar gemacht werden (vgl. dazu Radmann, ZUM 2010, 387).

Im Gegensatz dazu bestimmt beim Live-Streaming („Echtzeitübertragung“) der Anbieter den Zeitpunkt der Übertragung. Der Nutzer kann die Medieninhalte nur einmalig und zeitgebunden anfordern. Die Mediendatei liegt nicht schon auf dem Server des Anbieters. Audio- und/oder Videodaten werden im Moment der Anforderung (also in Echtzeit) erstellt. Diese werden komprimiert und codiert und können – wiederum in Datenpaketen – an die Empfänger weitergeleitet werden. Aber auch hier werden die jeweiligen Datenpakete wiederum auf dem Zielrechner zwischengespeichert.

Fazit

Der Gedanke der Nutzer, man schaue sich doch die Filme nur an und lädt doch aber gar nicht runter, sollte schnell beiseite geschoben werden. Das Streamen erschöpft sich nicht nur im Betrachten der Filme, sondern es werden – wenn auch flüchtig und segmentweise – die Mediendaten auf dem Computer des Nutzers zwischengespeichert.

Damit greift der Nutzer in das Vervielfältigungsrecht des Urhebers ein und setzt sich somit der Gefahr aus, abgemahnt oder sogar strafrechtlich verfolgt zu werden. Die Gefahr bestünde nicht, wenn die Privilegierungstatbestände des § 44a Nr. 2 UrhG („Zulässigkeit von nur vorübergehenden Vervielfältigungshandlungen, die flüchtig oder begleitend sind und einen integralen und wesentlichen Teil eines technischen Verfahrens darstellen und deren alleiniger Zweck es ist, eine rechtmäßige Nutzung eines Werkes oder sonstigen Schutzgegenstands zu ermöglichen, und die keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung haben“) und des § 53 UrhG (Vervielfältigung zu privatem und sonstigem eigenen Gebrauch) eingreifen. Allerdings ist § 53 UrhG dann nicht anwendbar, wenn eine offensichtlich rechtswidrig hergestellte oder öffentlich zugänglich gemachte Vorlage verwendet wird. Ob § 44a Nr. 2 UrhG einschlägig ist, bleibt dem Einzelfall überlassen – die (Rechts-)Ansichten um die Anwendbarkeit dieser Regelung beim Streamen gehen auseinander. Die §§ 53 und 44a Nr. 2 UrhG sind in unserem Blog-Artikel „Rechtliche Aspekte zur aktuellen Abmahnwelle wegen RedTube“ bereits ausführlich erläutert worden.