LG Potsdam, Urt. v. 22.04.2009, 13 S 9/09, Volltext

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LG Potsdam: Nachbarrecht – Rechtsverletzung durch Installation von Überwachungskameras?

LG Potsdam, Urt. v. 22.04.2009, 13 S 9/09
Urteil der Vorinstanz, AG Königs Wusterhausen, Urt. v. 15.12.2008, 4 C 322/08 [pdf]

Landgericht Potsdam
Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Berufungsverfahren

pp.

hat die 13. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam
auf die mündliche Verhandlung vom 11.03.2009
durch

den Präsidenten des Landgerichts … als Vorsitzenden,
den Richter am Amtsgericht …
und die  Richterin am Landgericht …
als beisitzende Richter(innen)

für R e c h t erkannt:

1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Amtsgerichts Königs Wusterhausen vom 15.12.2008 (Aktenzeichen 4 C 322/08) wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Kläger.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

 I.

Die Kläger begehren von den Beklagten die Übernahme der Kosten eines Rechtsstreits, den ihre Grundstücksnachbarn als Kläger gegen sie als Beklagte geführt haben.

Die Beklagte, eine Firma für Sicherheits- und  Kommunikationstechnik, installierte jedenfalls im Auftrag des Klägers zu 1.) – ob auch die Klägerin zu 2.) Vertragspartnerin geworden ist, ist zwischen den Parteien streitig – an der von den Klägern gemieteten Doppelhaushälfte sieben Videokameras zur videotechnischen Überwachung des von ihnen bewohnten Grundstückes. Die Kameras, das ist im hiesigen Verfahren unstreitig, waren so installiert und eingestellt, dass eine Überwachung ausschließlich des klägerischen Grundstückes erfolgte. Sie waren aber technisch geeignet durch (manuelle)Veränderungen der Kameraeinstellungen auch Vorgänge auf dem Nachbargrundstück zu erfassen.

Die hiesigen Kläger wurden von ihren Grundstücksnachbarn in einem Verfahren vor dem Amtsgericht Königs Wusterhausen auf Entfernung der Kameras, hilfsweise auf  Unterlassung der Videoüberwachung wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechtes  in Anspruch genommen. Das Amtsgericht hat nur dem Hilfsantrag stattgegeben. Das Landgericht hat auf die Berufung der Grundstücksnachbarn die hiesigen Kläger verurteilt, die Kameras zu beseitigen.

Zu Lasten der Kläger entstanden in dem dortigen Verfahren Kosten in Höhe von insgesamt 3.231,23 €, die sie von der Beklagten erstattet verlangen.

Die Kläger  tragen vor, die Beklagte habe schuldhaft ihre Pflichten aus dem Vertrag verletzt, da sie gegen die Vorgaben der Kläger, dass nämlich die rechtliche Zulässigkeit der Anlage gewährleistet sein müsse, die Anlage so installiert habe, dass das Persönlichkeitsrecht der Nachbarn verletzt sei.  Die Beklagte hätte sie darauf hinweisen müssen, dass die Maßnahmen nicht innerhalb der gesetzlich zulässigen Grenzen lägen. Bei entsprechender Kenntnis hätten sie den Rechtsstreit nicht geführt.

Die Beklagte beruft sich darauf, dass sie keine vertraglichen Pflichten verletzt habe. Ihre Leistung enthalte keine Mängel, da die Kameras nur das Grundstück der Kläger erfasst hätten. Nur dies habe sie den Klägern auch bestätigt.

Im Übrigen bestreitet die Beklagte die Aktivlegitimation der Klägerin zu 2.).

Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen wird auf den Tatbestand des amtsgerichtlichen Urteils Bezug genommen (§ 540 ZPO).

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte habe keine vertragliche Nebenpflicht verletzt. Sie habe nur das zugesichert, was den tatsächlichen Verhältnissen  entsprochen habe, nämlich dass die Installation nur das Grundstück der Kläger, nicht aber das Grundstück der Nachbarn erfasst habe. Darüber, dass technisch mit den Kameras auch eine Überwachung auch des Nachbargrundstückes möglich wäre, habe sie nicht aufklären müssen.

Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrer Berufung, mit der sie beantragen,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Amtsgericht Königs Wusterhausen zu verurteilen, an die Kläger 3.231,23 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.11.2007 sowie außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 436,97 € zu zahlen.

Die von der Beklagten installierte Anlage sei entgegen deren Zusicherung so installiert gewesen, dass sie die Nachbarn in deren Persönlichkeitsrecht verletzt habe.

Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung.

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Kläger haben keinen Anspruch aus § 634 Nr. 4, § 280 BGB auf Erstattung der ihnen im Verfahren mit den Grundstücksnachbarn entstandenen Kosten.

Dem Amtsgericht ist zunächst dahingehend zu folgen, dass eine Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht durch eine fehlerhafte Aufklärung nicht vorliegt. Eine  Zusicherung, dass Persönlichkeitsrechte  Dritter durch die Installation nicht verletzt werden, hat die Beklagte nicht gegeben. Das, was sie in ihren Schreiben  bestätigt hat, entspricht den Tatsachen. Die Anlage war so installiert, dass zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme eine Überwachung des Nachbargrundstücks nicht erfolgte. Mehr hat die Beklagte nicht zugesichert.

Das Werk der Beklagten war auch nicht mangelhaft i.S des § 633 Abs. 3 BGB, so dass den Klägern auch keine Mängelrechte zustehen. Ein Rechtsmangel liegt nicht vor.

Ein Rechtsmangel i.S. des § 633 Abs. 3 BGB liegt u.a. dann vor, wenn das Werk, das der Unternehmer errichtet hat,  Unterlassungsansprüchen Dritter ausgesetzt ist (Palandt/Sprau, 68. Auflg., § 633, Rn 9). Hierzu kann auch ein Unterlassungsanspruch Dritter aus dem Persönlichkeitsrecht gehören, sofern dieser der Benutzung der Sache entgegensteht (Palandt/Putzo, a.a.O. § 435, Rn 8;  OLG Frankfurt, 16 U 82/99; OLG Düsseldorf, 5 U 39/02).

Vorliegend liegt in der Installation der Videokameras, so wie sie von der Beklagten vorgenommen wurde, kein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Nachbarn, so dass diesen kein Unterlassungsanspruch gegen die Kläger zustand.

Ob in der hier gegebenen Konstellation, nämlich einer nur potentiell möglichen Überwachung durch die Art der Installation der Videokameras, ohne dass tatsächlich aktuell eine Überwachung vorliegt, bereits eine Persönlichkeitsrechtsverletzung der Betroffenen vorliegt, wird von den Gerichten unterschiedlich beurteilt.

Die 2. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam hat in der dem Schadenersatzbegehren der Kläger zugrunde liegenden Entscheidung einen Anspruch der Nachbarn auf Entfernung der Videokameras wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes bejaht.  Die  Installation von Videokameras führe, selbst wenn die Kameras so angebracht gewesen seien, dass sie nur das Grundstück der Kläger erfassten, zu einer jedenfalls potentiellen laufenden Überwachung, da sie technisch geeignet und so einstellbar gewesen seien, dass sie auch Vorgänge und Personen auf dem Nachbargrundstück hätten erfassen können.

Bereits durch diese Möglichkeit seien die Nachbarn einem Überwachungsdruck ausgesetzt, der einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht darstelle. Diese Auffassung wird geteilt u.a. vom Landgericht Bonn (NJW-RR 2005, 1067) und dem Landgericht Berlin (GE 1991,405), die ebenfalls vertreten, dass schon das Erzeugen eines sog. „Überwachungsdruckes“ z.Bsp. durch Kameraatrappen und die bloße Möglichkeit, dass auch die Privatsphäre der Nachbarn beobachtet werden könne, einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Betroffenen beinhalte.

Anders als die genannten Instanzgerichte haben das Landgericht Koblenz (NJW-RR 2006), das LG Itzehoe (NJW-RR 1999,1394) und das LG Bielfeld (NJW-RR 2008, 327 f) in vergleichbaren Fällen dagegen entschieden, dass die theoretische Möglichkeit, die Kameras zu verändern, jedenfalls in Fällen, in denen wegen vorangegangener Ereignisse (etwa Sachbeschädigungen) ein berechtigtes Interesse des Grundstückseigentümers oder Mieters an der Überwachung besteht, noch keine widerrechtliche Verletzung des Persönlichkeitsrechts  beinhalte. Das Recht am eigenen Bild schütze als allgemeines Persönlichkeitsrecht nur vor tatsächlich erfolgten missbräuchlichen Bildaufzeichnungen, nicht aber nur vor der bloßen Möglichkeit, unzulässige Abbildungen anzufertigen (so etwa LG Bielefeld a.a.O.; LG Itzehoe NJW-RR 1999,1394).

Dieser Ansicht schließt sich die Kammer, die diese Frage unabhängig vom Vorprozess entscheiden kann- der Beklagten war im Vorprozess der Streit nicht verkündet worden, so dass das dortige Urteil keine Rechtskraft zwischen den hiesigen Parteien entfalten kann –  unter Berücksichtigung der  konkreten Umstände des vorliegenden Falles an. Auf Seiten der Nachbarn der Kläger lag lediglich ein subjektives Befürchten vor Aufnahmen vor, während objektiv das Grundstück der Nachbarn nicht gefilmt wurde und die Kameras auch nicht ohne äußerlich wahrnehmbaren Aufwand verändert werden konnten. So war es etwa nicht möglich, dass die Kläger die Kameras von innen mittels einer Fernsteuerung auf das Grundstück der Nachbarn ausrichten konnten. Auf Seiten der Kläger ist dagegen zu berücksichtigen, dass es, das ist im hiesigen Verfahren unstreitig, bereits Übergriffe auf ihr Grundstück gegeben hatte, so dass sie ein berechtigtes Interesse an der Überwachung hatten.

Bei dieser Interessenlage erreicht  allein die theoretische Möglichkeit eines Missbrauchs der Überwachungsanlage nicht die Intensität einer widerrechtlichen Persönlichkeitsrechtsverletzung.

Ein Mangel der Werkleistung der Beklagten lag demgemäß nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nach § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zuzulassen, da die Frage, ob bei einer lediglich potentiell möglichen Überwachung durch Videokameras bereits ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen vorliegt, von den Instanzgerichten unterschiedlich beurteilt wird,  eine höchstrichterliche Entscheidung, soweit ersichtlich, nicht vorliegt und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichtes erforderlich ist.

Streitwert: 3.231,23 Euro

Urteil der Vorinstanz, AG Königs Wusterhausen, urt. v. 15.12.2008, 4 C 322/08