Welche Rechte haben Fluggäste bei mehrstündiger Verspätung?

Veröffentlicht am in Verbraucherrecht

Der Etihad-Flug EY 23 zerrte an den Nerven der Passagiere: Mit mehr als 30 Stunden Verspätung ist das Flugzeug in Düsseldorf gelandet. Dabei sollte es ein schneller Direktflug werden. Die Odyssee begann bereits in Abu Dhabi. Dort hatten die Passagiere 13 Stunden in der Maschine auf dem Rollfeld ausharren müssen, weil Flug EY 23 wegen starken Nebels keine Starterlaubnis bekam. Nachdem der Flieger dann doch gestartet war, erlitt ein 73-jähriger Passagier einen Herzinfarkt an Bord und verstarb, was eine Notlandung in Wien erforderlich machte.

Fraglich ist, ob der Tod des Mannes mit den Strapazen zu tun hatte. Fraglich ist auch, ob die Passagiere wirklich in Abu Dhabi nicht von Bord gehen durften. Zumal es unterschiedliche Aussagen über das Verhalten der Airline gibt. Hat Etihad die Verspätung, für die es nichts konnte, nun gut gemanagt oder nicht? Einige Reisende beklagten sich über Chaos in der Maschine. Andere lobten die Crew für ihr Handeln rund um den kranken Passagier. Sie sahen den Fehler eher beim Flughafen am Persischen Golf, weil dieser die vielen Maschinen am Boden nicht abfertigen konnte.

Doch welche rechtlichen Möglichkeiten haben die Passagiere des Fluges EY 23?

Ob die Passagiere mit ihrer geplanten Sammelklage Erfolg haben, ist fraglich. Denn auch bei enormer Verspätung steht Fluggästen in der Regel nur die Entschädigung gemäß der EU-Fluggastrechteverordnung zu. Bei einem Flug wie diesem über 5000 Kilometer Entfernung könnten jedem Passagier damit pauschal 600 Euro von der Fluggesellschaft zustehen. Aber das Recht ist auch eine Frage der Flugrichtung. Es gibt also einen Haken: Diese Ansprüche gelten nur gegenüber Airlines, die ihren Sitz im EU-Ausland haben – oder gegenüber außer-europäischen Airlines bei Flügen, die in der EU gestartet sind.

Pech für die Passagiere von Flug EY 23: Ihre Airline Etihad hat ihren Sitz in den Vereinigten Arabischen Emiraten und dort begann auch der Flug. Selbst, wenn die Reisegäste über Air Berlin gebucht hätten, die mit Etihad zusammenarbeiten, ausschlaggebend ist allein, welches Unternehmen den Flug durchführt. Bucht man allerdings Etihad und fliegt mit Air Berlin, dann greift die EU-Fluggastrechteverordnung wieder.

Die Passagiere können trotzdem versuchen, irgendeine Art von Kompensation zu bekommen

Individualreisende, die nur den Flug gebucht haben, genießen im Fall von Flug EY 23 zwar nicht den standardisierten Schutz durch die EU. Sie bekommen, wenn sie sich innerhalb einer Frist von 21 Tagen bei der Fluggesellschaft melden, lediglich den materiellen Schaden erstattet. Verdienstausfälle können sie in der Regel aber nicht geltend machen. Darüber hinaus hat die Fluglinie die vereinbarte Leistung schlecht erbracht. Dementsprechend sollten die Passagiere versuchen, eine Flugpreisminderung durchzusetzen. Dabei hilft vielleicht der Umstand, dass der chaotische Flug Etihad schon viel schlechte Presse eingebracht hat und das Unternehmen weitere Schlagzeilen wahrscheinlich verhindern will.

Wer im Rahmen einer Pauschalreise in dem Flieger gesessen hat, kann versuchen, gegenüber dem Reiseveranstalter einen Reisemangel geltend zu machen. Immerhin vermindert sich der Wert eines Urlaubs in der Rückschau durch so eine Abreise erheblich. Allerdings wird der Minderungsanspruch der Passagiere schwer zu beziffern sein. Auch diese Schwierigkeit ergibt sich aus der Flugrichtung: Wäre die Verspätung bei der Hinreise aufgetreten, hätte man einen verlorenen Urlaubstag ansetzen können – und was der kostet, lässt sich berechnen. In jedem Fall ist Eile geboten: Wer von seinem Reiseveranstalter Geld zurück haben will, muss ihm das innerhalb eines Monats nach Reiseende schriftlich mitteilen. Geltend machen können die Gäste auch etwaige materielle Schäden, beispielsweise verpasste Anschlussflüge oder -züge.

Bedenken ergeben sich, wenn Passagiere Schadensersatz oder Schmerzensgeld für das mehrstündige Ausharren im Flieger fordern. Für Schadensersatz müssen sie ihren Schaden auch konkret beziffern können. Und Schmerzensgeld kommt nur in Frage, wenn ein Arzt eine Verletzung oder Erkrankung attestiert, die Etihad mit seinem Verhalten verschuldet hat – das wird in den meisten Fällen nicht gelingen.

Sollte es sich jedoch bewahrheiten, dass die Passagiere den Flieger in Abu Dhabi 13 Stunden nicht verlassen durften, könnte ein Fall von Nötigung vorliegen. In diesem Fall könnten die Passagiere die Fluggesellschaft auf Schmerzensgeld in Anspruch nehmen. Dabei handelt es sich allerdings um juristisches Neuland, da es für eine derartige Konstellation noch gar keine Regelung gibt. Geplant ist, dass dies künftig in der EU-Fluggastrechteverordnung geregelt werden soll – doch bislang liegt dafür lediglich ein Entwurf vor. Beispielsweise in den USA ist es jedoch bereits so, dass sich Passagiere nicht länger als fünf Stunden in einem Flugzeug aufhalten müssen, das am Boden steht. Die Fluggesellschaft muss die Gäste dann herauslassen.