StVO-Chaos: Erste Länder geben eingezogene Führerscheine zurück

Veröffentlicht am in Verkehrsrecht

Wegen eines juristischen Formfehlers in der neuen StVO ist der neue Bußgeldkatalog seit letzter Woche ungültig. Aber was ist mit Fahrverboten und Bußgeldern, die seit der am 28. April eingeführten Reform des Bußgeldkatalogs verschickt worden sind? Viele Verkehrssünder fragen sich jetzt, ob bereits verhängte Strafen jetzt rückgängig gemacht werden. Und tatsächlich schicken die Polizeibehörden einiger Länder einkassierte Führerscheine bereits zurück.

Konkret geht es bei dem StVO-Chaos vor allem um die umstrittene neue Regel, dass bereits bei innerorts 21 km/h und außerorts 26 km/h Geschwindigkeitsüberschreitung der Führerschein für einen Monat abgegeben werden musste. Diese schnellen Fahrverbote gelten seit letzter Woche nicht mehr. Zurzeit sind wieder die alten Grenzen bindend; sie liegen bei Überschreitungen von 31 km/h innerorts und 41 km/h außerorts.

Bundesweit rund 11.500 Bescheide betroffen

Nach Informationen des Nachrichtenmagazins SPIEGEL geht es um rund 11.500 Bescheide, die seit dem 28. April bundesweit verschickt worden sind. Verkehrsminister Scheuer hat gestern mit 24 zuständigen Landesministern telefoniert, um das Chaos um die zurückgenommene Novelle der Straßenverkehrsordnung (StVO) einzudämmen. Reagieren die Länder nicht, käme wohl eine Klagewelle auf sie zu.

Die 16 Bundesländer wollen jetzt prüfen, ob sie bereits eingezogene Führerscheine zurückgeben werden. Darauf haben sich die Länder laut der Deutschen Presse-Agentur (dpa) am Montag nach Beratungen mit dem Bundesverkehrsministerium verständigt. Wegen der Schwere des Eingriffs wollten die Länder die Entscheidung trotz bereits entstandener Rechtskraft einer landesrechtlichen „Billigkeitsprüfung“ unterziehen – wenn nach dem alten Bußgeldkatalog kein Fahrverbot verhängt worden wäre.

Das Saarland und Bayern schicken Führerscheine bereits zurück

Im Saarland und in Bayern schicken die Polizeibehörden eingezogene Führerscheine schon zurück. Nicht abgeschlossene Verfahren werden nach dem alten Bußgeldkatalog entschieden, der vor dem 28. April dieses Jahres galt. Diese Billigkeitsüberprüfung betrifft aber nur die schnellen Fahrverbote.

Klar sind die Regeln aktuell nur für Fahrverbote, die noch nicht rechtskräftig sind und bei denen die Widerspruchsfrist noch läuft. Betroffene Autofahrer müssen ihre Führerscheine nicht einschicken und das Fahrverbot ist auch noch nicht in Flensburg registriert worden. Ist jedoch bereits ein rechtskräftiger Entzug der Fahrerlaubnis erfolgt, wird es kompliziert. Das Saarland vollstreckt keine Fahrverbote mehr. Die Behörden schicken eingezogene Führerscheine schon seit Ende letzter Woche zurück, wenn das Fahrverbot auf Grundlage des neuen Bußgeldkatalogs ausgesprochen wurde.

Erhöhte Bußgelder werden nicht erstattet

Auch Baden-Württemberg hat schon eine Regelung getroffen. Dort will man die Unordnung möglichst bürgernah und unbürokratisch beenden. Es geht um 100.000 Bußgeldbescheide, von denen 1000 bereits vollstreckte Fahrverbote sind. Nicht rechtskräftig abgeschlossene Bußgeldverfahren werden nicht vollstreckt. Bei den abgeschlossenen Verfahren können Fahrverbote, die auf Grundlage der neuen Bußgeldkatalog-Verordnung erlassen worden sind, laut dem Verkehrsminister von Baden-Württemberg, Winfried Hermann (Grüne), nur im Wege einer Gnadenentscheidung durch das jeweilige Regierungspräsidium aufgehoben werden.

Die drastisch erhöhten Bußgelder werden allerdings nicht zurückgenommen. Wer seinen Bescheid bereits erhalten hat, sollte nicht auf Gnade hoffen. Aus dem saarländischen Verkehrsministerium heißt es dazu: „Das Bundesverkehrsministerium sieht dagegen keine rechtliche Möglichkeit, Bußgelder zurückzuerstatten, wenn diese höher waren als im alten Bußgeldkatalog.“ Das gilt auch für Baden Württemberg. Diese Haltung dürfte eine Klagewelle auslösen.

Scheuer will Verschärfungen zurücknehmen

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hat deutlich gemacht, dass er die neuen Fahrverbotsregeln ohnehin für überzogen hält. Er will die Behebung des Formfehlers jetzt nutzen, um die Verschärfung zurückzunehmen. Doch die Bundesländer sind dagegen und beharren auf den neuen Regeln.

Winfried Hermann hat sich für Baden-Württemberg klar gegen die Abkehr von den härteren Sanktionen ausgesprochen. Der Fehler liege bei Scheuer, der jetzt auch noch zu korrigieren versuche, was ihm nicht gefalle. Das von Bundesverkehrsminister Scheuer angerichtete Chaos bei der Novellierung der Straßenverkehrsordnung sei gewaltig. „Die grüne Seite steht da völlig klar: Wir wollen eine schnelle formale rechtliche Korrektur ohne Änderungen der beschlossenen Maßnahmen“, so Hermann. Zudem müsse es schnell eine einheitliche Übergangsregelung geben.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sieht das ähnlich und setzt jetzt auf einen Kompromiss zwischen Bund und Ländern. Die Gespräche zur Änderung der Straßenverkehrsordnung seien notwendig, um einen Kompromiss zu finden, so Regierungssprecher Steffen Seibert. Es gebe einen Formfehler, mit dem die neuen Regelungen nicht in Kraft treten könnten. Rechtssicherheit sei ein hohes Gut und müsse hergestellt werden.

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