Akteneinsicht zum VW-Dieselskandal: Kraftfahrt-Bundesamt drohen 10.000 Euro Zwangsgeld

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Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) muss der Deutschen Umwelthilfe (DUH) vollständige Einsicht in die Akten des VW-Abgasskandals gewähren. Es geht um den zwischen dem KBA und der Volkswagen AG im Herbst 2015 geführten Schriftverkehr zur Rückrufanordnung von VW-Dieselfahrzeugen der Motorbaureihe EA189 mit der Abgasnorm Euro 5. Das hatte das Oberverwaltungsgericht Schleswig am 2. Oktober 2020 entschieden. Wie die DUH am 19. März 2021 in einer Presseerklärung mitteilt, droht dem KBA jetzt ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000 Euro, weil die Behörde die Akteneinsicht noch immer verweigert.

Neben den Unterlagen zu VW-Fahrzeugen mit dem „Skandalmotor“ EA189 fordert die DUH auch Einsicht in Dokumente zum Nachfolgemotor EA288, gegen deren Herausgabe Volkswagen Klage eingereicht hatte. Das KBA hat daraufhin die durch das Verwaltungsgericht Schleswig bereits rechtskräftig beschiedene Akteneinsicht weiter blockiert. Das Gericht hat die Klage der Volkswagen AG jetzt als „offensichtlich unzulässig“ bewertet, sodass sie der Akteneinsicht nicht entgegensteht. Das KBA muss die Akten innerhalb von zwei Wochen herausgeben.

KBA bricht das Recht und ignoriert Gerichtsurteile

„Es ist unglaublich, dass eine staatliche Behörde unter direkter Kontrolle der Bundesregierung über fünf Jahre Recht bricht und Gerichtsurteile ignoriert, um ein betrügerisches Unternehmen zu schützen. Am Ende muss ein Gericht sogar zum maximal möglichen Zwangsgeld von 10.000 Euro greifen, um ein rechtskräftiges Urteil durchzusetzen. Für Millionen betroffener Kunden, die nach wie vor auf eine angemessene Bewältigung dieses Skandals warten, können die nun endlich freigegebenen Unterlagen für ihre rechtlichen Auseinandersetzungen sehr relevant sein. Der Beschluss ist zudem eine nächste Peinlichkeit für den Bundesverkehrsminister, der sich hartnäckig gegen eine Aufklärung des Skandals wehrt“, kommentiert Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH, die Blockadehaltung des KBA.

Rechtsanwalt Prof. Dr. Remo Klinger, der die DUH in dem Verfahren vertritt, verurteilt den Umgang der Volkswagen AG mit dem Abgasskandal scharf: „Im Dieselskandal ist Volkswagen immer noch jedes Mittel recht, um die Aufklärung zu verhindern. Nun hat man selbst gegen ein rechtskräftiges Urteil eine Klage erhoben, weil man meint, damit die Erfüllung des Urteils zu verhindern. Wenn es eines Schulfalls für eine missbräuchlich erhobene Klage bedarf, dann diese Klage der Volkswagen AG. Wir gehen davon aus, dass wir die Unterlagen nun zügig sichten können.“

DUH fordert seit über fünf Jahren Akteneinsicht

Die DUH hatte die Einsicht und Überlassung der VW-Dieselgate-Akten bereits unmittelbar nach Bekanntwerden des Diesel-Abgasskandals im Herbst 2015 eingefordert. VW erläutert in dem Schriftwechsel die vorgenommenen Softwaremanipulationen und das KBA legt seine rechtliche Bewertung dar. Im Frühjahr 2016 hatte das KBA der DUH eine knapp 600-seitige, fast komplett geschwärzte Akte geschickt und so die Einsicht verweigert. Daraufhin hatte die DUH Klage auf „Entschwärzung“ und Offenlegung aller nicht personenbezogenen Angaben erhoben.

Mit Urteil des Verwaltungsgerichts Schleswig vom 20. April 2018 wurde das KBA dazu verurteilt, der DUH in den gesamten Schriftverkehr aus der Zeit vom 18. September 2015 bis zum 15. Oktober 2015 Einsicht zu gewähren, in dem es um die Rückrufanordnung von VW-Dieselmodellen und den entsprechenden Verwaltungsvorgang geht (6 A 48/16). Das KBA und die Volkswagen AG stellten daraufhin einen Antrag auf Zulassung der Berufung, was am 5. Oktober 2020 vom Oberverwaltungsgericht Schleswig abgelehnt wurde. Das Urteil von 2018 ist also rechtskräftig und es besteht der Akteneinsichtsanspruch für die DUH.

Wichtige Unterlagen für Diesel-Kläger noch immer nicht offengelegt

Beim Termin der Akteneinsicht am 17. November 2020 hatte das KBA der DUH unvollständige und offenbar willkürlich zusammengestellte Akten vorgelegt, bei denen eine zweistellige Anzahl an Vorgängen gegenüber einer früheren Fassung des Dokuments fehlten. Ende November hatte die DUH daraufhin die Zwangsvollstreckung des Urteils beantragt und die Volkswagen AG reagierte mit einer Klage und einem Eilantrag vor dem Verwaltungsgericht. Mit der fortwährenden Verzögerungstaktik des KBA erhärtet sich der Eindruck, dass eine deutsche Behörde die Abgasmanipulationen gedeckt haben könnte.

Die Akten zum Dieselskandal können für die von VW betrogenen Kunden, die seit fünf Jahren vor Zivilgerichten klagen, von entscheidender Bedeutung sein. Mit der Motorbaureihe EA189 wurden allein in Deutschland 2,5 Millionen Kunden betrogen – zunächst beim Kauf der Fahrzeuge und später mit den neu aufgespielten Abschalteinrichtungen bei den Softwareupdates, die ebenfalls für einen massiv erhöhten Schadstoffausstoß sorgen – und die Behörden schauen weiterhin weg.

VW-Motoren EA189 und EA288 : Klagende Verbraucher haben gute Chancen

Laut DUH hat das KBA der DUH vor einigen Tagen einen Teil der Akten in elektronischer Form zur Verfügung gestellt. Die Akten zum Motor EA288 fehlen allerdings noch immer. Doch genau diese Akten zum EA288 können die juristische Aufarbeitung des VW-Dieselskandals weiter vorantreiben.

Update: Eben wurde bekannt, dass der VW-Konzern Beschwerde gegen den Beschluss eingereicht und eine einstweilige Anordnung beantragt hat, mit der die Vollziehung des Beschlusses ausgesetzt werden soll. Offenbar versucht der Konzern verzweifelt, die Dieselskandal-Akte beim KBA weiterhin unter Verschluss zu halten.

Für viele Gerichte steht aber bereits jetzt fest, dass VW auch beim Motor EA288 eine Abschalteinrichtung eingebaut hat – wie zuvor bei den Motoren des Typs EA189. Weil bei sittenwidriger Schädigung eine zehnjährige Verjährungsfrist gilt, können geschädigte Besitzer von Fahrzeugen mit dem Motor EA189 noch immer gegen VW klagen. Inzwischen wird die Volkswagen AG aber auch aufgrund von Abgasmanipulationen der neuen Motorgeneration EA288 verurteilt – zuletzt von einem Oberlandesgericht. Das OLG Köln hält es für erwiesen, dass VW im Motor EA288 eine „prüfstandoptimierte Umschaltlogik“ eingebaut hat. Mit Urteil vom 19. Februar 2021 wurde der VW-Konzern deshalb wegen vorsätzlicher und sittenwidriger Schädigung verurteilt. Die Chancen geschädigter Verbraucher, sich vor Gericht gegen VW durchzusetzen, stehen vor diesem Hintergrund sehr gut. Betroffene können gern unsere kostenlose Erstberatung nutzen.