Daimler-Abgasskandal: Oberlandesgericht Köln spricht Kläger Schadensersatz zu

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In einem Berufungsverfahren hat das Oberlandesgericht (OLG) Köln die Daimler AG im Abgasskandal erneut zu Schadensersatz verurteilt (Az. 19 U 53/20) und damit ein Urteil des Landgerichts (LG) Aachen aufgehoben. In dem Fall ging es um ein Mercedes-Benz E 220 CDI mit dem Dieselmotor des Typs OM 651 und der Schadstoffklasse Euro 5. Der Kläger hatte den Gebrauchtwagen im März 2014 mit einer Laufleistung von 26.450 Kilometern zum Preis von 31.450 Euro gekauft und ihn teilweise mit einem Darlehen der Mercedes-Benz Bank AG finanziert.

Der Mercedes-Besitzer warf der Daimler AG vor, dass in seinem Fahrzeug unzulässige Abschalteinrichtungen verbaut wurden – ein sogenanntes Thermofensters und eine Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung. Das Thermofenster reduziert die Wirkweise der Abgasrückführung, wodurch es zu einem Anstieg der Stickoxidemissionen kommt. Die Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung bewirkt, dass bei der Prüfung für die Typenzulassung eine niedrigere Kühlmitteltemperatur und eine andere Abgasreinigungsstrategie genutzt wird als im realen Straßenbetrieb. Auch das führt zu Abweichungen im Schadstoffausstoß.

Schadensersatzklage statt Softwareupdate

Die „freiwilligen Kundendienstmaßnahmen“ in Form von Softwareupdates, die Daimler an Fahrzeugen des betroffenen Motortyps vornehmen lassen wollte, lehnte der Kläger ab. Stattdessen verlangte er von der Daimler AG Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB.

Das Landgericht Aachen hatte die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass aus dem unterstellten Vorhandensein unzulässiger Abschalteinrichtungen aufgrund eines Thermofensters und einer Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung nicht zwingend folge, dass die Beklagte mit einer solchen Software vorsätzlich im Hinblick auf eine sittenwidrige Schädigung im Sinne von § 826 BGB gehandelt habe. Der Einsatz des Thermofensters diene dem Motor- und Bauteilschutz und sei daher gerechtfertigt.

Hinsichtlich der Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung sei eine Tatsachengrundlage für die Behauptung des Klägers, dass diese im streitgegenständlichen Fahrzeug zum Einsatz komme, nicht ersichtlich. Der Kläger habe außerdem nicht erläutert, wie der Prüfstand durch die Software erkannt wurde. Jedenfalls fehle es auch insoweit an der Darlegung eines Schädigungsvorsatzes der Beklagten.

OLG Köln: Daimler muss Vorwürfe aktiv entlasten

Doch die Richter am OLG Köln bewerteten den Fall anders: Das Urteil des LG Aachen leide „an einem wesentlichen Mangel in Gestalt einer Gehörsverletzung i.S.v. Art. 103 Abs. 1 GG, weil die Einholung eines klägerseits angebotenen Sachverständigengutachtens zur Frage einer prüfstandoptimierten Abschalteinrichtung bei dem Motor des streitgegenständlichen Fahrzeugs unterblieben ist“. Den Vortrag des Klägers, dass in einem Fahrzeug eine temperaturabhängige Steuerung der Abgasrückführung zur Anwendung komme, sei zur Darlegung der Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs ausreichend.

Das OLG Köln hat mit diesem Urteil erneut klargestellt, dass Schadensersatzansprüche im Abgasskandal gegen die Daimler AG von einem Gericht nicht einfach als Behauptungen „ins Blaue hinein“ abgewiesen werden können. Ebenso kann die Daimler AG nicht einfach das Vorliegen von illegalen Abschalteinrichtungen ohne jede weitere Erklärung bestreiten. Die Daimler AG muss sich von den Vorwürfen aktiv entlasten und die Funktionsweise der genutzten Technologien erklären.

Daimler im Abgasskandal: Die Luft wird dünner

Das Urteil ist maßgeblich für viele künftige Urteile und stärkt die Position geschädigter Verbraucher bei Schadensersatzklagen gegen die Autohersteller.  Zahlreiche Gerichte haben den Stuttgarter Autokonzern im Rahmen des Abgasskandals bereits haftbar gemacht und auch die Berufungsinstanzen urteilen immer verbraucherfreundlicher. Vielen Oberlandesgerichten genügen die pauschalen Vorträge der Daimler AG nicht mehr. Als erstes Oberlandesgericht in Deutschland hat das OLG Naumburg darauf hingewiesen, dass ein von der Kanzlei VON RUEDEN vertretene Kläger vor dem Hintergrund eines amtlichen KBA-Rückrufs wegen des Vorliegens einer unzulässigen Abschalteinrichtung in einem Mercedes-Fahrzeug hinreichend substantiiert vorgetragen habe.

Trotz der vom KBA entdeckten illegalen Abschalteinrichtungen dementiert Daimler vor den Gerichten immer wieder pauschal das Vorhandensein unzulässiger Abschalteinrichtungen. Doch mehrere Oberlandesgerichte verweisen inzwischen auf die sogenannte sekundäre Darlegungslast des Herstellers und zweifeln nicht mehr an den illegalen Abgasmanipulationen der Daimler AG. Geschädigte Mercedes-Besitzer können ihre Rechte im Abgasskandal dadurch leichter durchsetzen. Wenn Sie vom Mercedes-Abgasskandal betroffen sind, unterstützen unsere Abgasexperten Sie gern bei Ihrer Schadensersatzklage. Nutzen Sie unsere kostenlose Erstberatung!