Das Landgericht Braunschweig wird wohl in diesem Jahr keinen Eröffnungsbeschluss mehr in dem Strafverfahren gegen den ehemaligen Volkswagenchef Martin Winterkorn erlassen. Das geht aus einem Schreiben hervor, das die 6. große Strafkammer den Verfahrensbeteiligten zukommen ließ. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hatte im Frühjahr 2019 unter dem Aktenzeichen 411 Js 49032/15 gegen Winterkorn und drei andere VW-Ingenieure Anklage wegen strafbarer Werbung und Betrug erhoben und die Zulassung des Verfahrens vor dem Landgericht Braunschweig (NZS 6 Kls 23/19) beantragt. Nach § 170 Abs. 1 der Strafprozessordnung ist die Staatsanwaltschaft dazu verpflichtet, bei vorliegenen eines hinreichenden Tatverdachts Anklage zu ereheben. Liegt hinreichender Tatverdacht vor, hat das Gericht die Hauptverhandlung nach § 203 StPO zu eröffnen.
Strafverfahren hängt im “Zwischenverfahren”
Vorausgegangen war dem Vorgang ein Schreiben der Verteidiger Winterkorns und den anderen Angeschuldigten, in dem der Staatsanwaltschaft sinngemäß vorgeworfen wurde, schlampig zu arbeiten. „Die Staatsanwaltschaft hat nicht nur die zur Belastung, sondern auch die zur Entlastung dienenden Umstände zu ermitteln“, heiß es seinerzeit in einem Schriftsatz an das Gericht. Außerdem warfen die Verteidiger der Staatsanwaltschaft vor, Zeugenaussagen nur selektiv ausgewertet zu haben.
Das Gericht hat nun angeordnet, dass die Staatsanwaltschaft weitere Nachermittlungen durchzuführen hat. Danach soll ein Sachverständigengutachten eingeholt werden, das klären soll, in welchen Fahrzeugen überhaupt die Betrugssoftware eingebaut war.
Daneben sollen wohl auch weitere Ermittlungsakten beigezogen werden – etwa die der Staatsanwaltschaften München II und der Staatsanwaltschaft Stuttgart. Die Staatsanwaltschaft München II ermittelt gegen Audi-Manager Rupert Stadler, die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat gegen die Robert Bosch GmbH ein Bußgeld verhängt. Den Verfahrensbeteiligten stünden dann hunderttausende weitere Seiten an Ermittlungsakten zur Verfügung, die von allen Prozessbeteiligten ausgewertet werden müssten.
Überlange Verfahrensdauer
Auf Anfrage erklärte eine Gerichtssprecherin gegenüber BILD am Sonntag: „Ein Beweisbeschluss ist nicht ergangen. Zum Inhalt von laufenden Diskussionen im Zwischenverfahren werde ich mich nicht äußern.“ Für den Fall, dass Winterkorn in dem Verfahren verurteilt werden würde, könnte er wegen der überlangen Verfahrensdauer auf eine Strafmilderung hoffen.