Dieselskandal: VW und Daimler können EuGH-Urteil nicht verhindern

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Der Diesel-Abgasskandal beschäftigt jetzt den Europäischen Gerichtshof EuGH in Luxemburg. Ein französisches Gericht hat beschlossen, wichtige Fragen im Zusammenhang mit unzulässigen Abschalteinrichtungen bei der Abgasreinigung auf europäischer Ebene klären zu lassen. Die deutschen Autobauer hatten bislang versucht, die Klärung der Abgasaffäre vor Europas höchstem Gericht zu verhindern – offenbar vergeblich. Damit bahnt sich ein weiterer Meilenstein im Dieselskandal an.

Höchstrichterliches Urteil erwartet

Nachdem in den Auseinandersetzungen mit verschiedenen Autoherstellern schon etliche Urteile gefällt wurden, wird jetzt ein höchstrichterlicher Urteilsspruch erwartet. Der EuGH beschäftigt sich schon seit Herbst 2018 mit einem Aspekt des Diesel-Abgasskandals: dem Motor EA 189, der vom Volkswagen produziert wird. Es geht um die zentrale Frage, ob Motoren dieses Typs eine unzulässige Abschalteinrichtung nutzen.

Die Richter am Europäischen Gerichtshof müssen klären, ob die deutschen Autohersteller unzulässige Abschalteinrichtungen verwenden und ihre Kunden dadurch bei wesentlichen Fahrzeug-Eigenschaften getäuscht haben. Die Vorentscheidung wird in den nächsten Wochen mit Spannung erwartet.

Eigentlich wollte der Generalanwalt am EuGH sein Votum schon am vergangenen Donnerstag bekannt geben. Warum es verschoben wurde, ist unklar. Beim EuGH heißt es dazu lediglich, die Verschiebung gehe „auf interne organisatorische Gründe“ zurück. Die Anwälter der Kläger vermuten allerdings, dass die Autokonzerne versuchen, die Angelegenheit in die Länge zu ziehen.

Daimler hatte „Diesel-Richter“ wegen Befangenheit abgelehnt

Den ersten Versuch, die Affäre um manipulierte Abgaswerte von Dieselfahrzeugen in Luxemburg entscheiden zu lassen, konnten die Autohersteller bereits abwenden. Am Landgericht Stuttgart werden 3700 Klagen von Dieselkunden verhandelt. Dort befasst sich der als „Diesel-Richter“ bekannte Richter Fabian Richter Reuschle mit den Fällen. Er hält die durch die Autohersteller verursachten Schäden in vielen Fällen für erwiesen und fällte schon etliche eindeutige Urteile zugunsten von Kunden und Aktionären.

Als Richter Reuschle Ende 2019 versucht hat, 21 Klagen gegen Daimler vor den Europäischen Gerichtshof zu bringen, stellte der Autobauer einen Befangenheitsantrag gegen ihn. Dadurch wurde Richter Reuschle die Zuständigkeit bis auf Weiteres entzogen.

Frankreich will rechtsverbindliche Antworten vom EuGH

In Frankreich gelingt jetzt offenbar, was die Autokonzerne in Deutschland bislang verhindern konnten. Das Ersuchen der französischen Justiz stammt vom 26. Oktober 2018 und trägt das Aktenzeichen C-693/18. Verfasst hat es der „Juge d`instruction du tribunal de grande instance“. Er fordert den EuGH auf, rechtsverbindlich mehrere Auslegungsfragen zu entscheiden, vor allem Fragen bezüglich der Abschalteinrichtung in Dieselmotoren.

Damit ist eine Software zur Steuerung der Abgasreinigung gemeint, die dafür sorgt, dass die Fahrzeuge die Abgasgrenzwerte einhalten, wenn sie getestet werden, zum Beispiel auf dem Prüfstand des Kraftfahrt-Bundesamts. Im Straßenbetrieb erkennt diese Software, dass die Kontrolle fehlt und stößt deutlich mehr Stickoxide aus.

Französische Richter vermuten arglistige Täuschung

Weil entsprechende Autos auch in Frankreich verkauft wurden, ermittelt die französische Justiz seit Anfang 2016 gegen VW. Es wird dem Verdacht nachgegangen, dass der Autokonzern seine Kunden und die Behörden arglistig über den Abgasausstoß des Dieselmotors EA 189 getäuscht hat. Im Pariser Schreiben an den Europäischen Gerichtshof geht es außerdem darum, „dass infolge der Taten der Gebrauch der Waren nunmehr eine Gefährdung der Gesundheit von Mensch und Tier darstellt“.

Deshalb wollen die Franzosen die Richter des EuGH klären lassen, wie sie den Einsatz von Abschalteinrichtungen beurteilen. Das sei wichtig, um über „eine mögliche Anklageerhebung“ gegen Verantwortliche des VW-Konzerns entscheiden zu können, heißt es in dem Schreiben. Die Fragen lauten konkret: Ist nach EU-Recht eine Abschalteinrichtung zulässig, die den Abgasausstoß beeinflusst? Falls ja: Unter welchen Bedingungen ist sie erlaubt? Ist Motorschutz eine solche Bedingung?

Für die französischen Behörden handelt es sich beim angeblichen Motorschutz klar um einen Fall von Abgasmanipulation, die gegen EU-Recht verstößt. Die betrogenen Autokäufer können sich jedenfalls freuen, dass das französische Ersuchen jetzt vom EuGH verhandelt wird. Dem Verfahren vor dem EuGH haben sich 1.200 Nebenkläger angeschlossen.