Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) ist der Ansicht, dass sogenannte Thermofenster in Dieselfahrzeugen illegale Abschaltvorrichtungen sind. Um die Luftverschmutzung einzudämmen, hatte der Umweltverband vor dem Verwaltungsgericht (VG) Schleswig Klage erhoben. Das Gericht befand jedoch, dass eine Klage nach nationalem Recht dagegen nicht zulässig ist. Der Verband könne aber möglicherweise nach europäischem Recht gegen das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) vorgehen.
Auf Deutschlands Straßen sind noch immer Millionen von Dieselfahrzeugen mit unzulässigen Abschalteinrichtungen unterwegs und stoßen dadurch mehr Abgase aus, als laut Bundes-Immissionsschutzgesetz zulässig ist. Deshalb wollte die DUH vor dem Verwaltungsgericht Schleswig gegen das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) klagen. Doch das Gericht das Verfahren ausgesetzt. Die Fragen zur Reichweite der Klagerechte von Umweltverbänden und zur Zulässigkeit von sogenannten Thermofenstern soll jetzt laut Beschluss vom 20. November der Europäische Gerichtshof (EuGH) klären.
Kommen jetzt Hardware-Nachrüstungen?
Bestimmte Dieselfahrzeuge wurden mit einer unzulässigen Abschaltvorrichtung ausgestattet, wodurch die zulässigen Grenzwerte für Stickoxid-Emissionen nur auf dem Prüfstand eingehalten wurden, nicht aber im Straßenbetrieb. Der VW-Konzern, der im Rahmen des Dieselskandals vor dem Verwaltungsgericht beigeladen war, hat daraufhin ein vom KBA genehmigtes Softwareupdate zur Verfügung gestellt. Das Update soll dafür sorgen, dass die zulässigen Abgasgrenzwerte eingehalten werden.
Allerdings wurde in die betroffenen Motoren noch eine weitere Abschalteinrichtung eingebaut – das sogenannte Thermofenster. Dadurch funktioniert die Abgasreinigung nur bei Temperaturen von über 15 Grad zuverlässig. Bei niedrigeren Temperaturen verringert sich der Reinigungseffekt. Deshalb wollte die DUH die Aufhebung des Freigabebescheid des KBA einklagen, der die Nutzung von solchen Thermofenstern gestattet. Den Herstellern sei es möglich, die Motoren so zu konstruieren, dass die Abgasreinigung auch bei kälteren Temperaturen in vollem Umfang funktioniere, argumentiert der Umweltverband.
Sollte der EuGH die Klageberechtigung der DUH bestätigen, könnten Millionen Software-Updates als rechtswidrig eingestuft werden. Dann würden Hardware-Updates zwingend erforderlich – auf Kosten der Hersteller. Und weil fast alle Diesel-Konzerne die vom KBA durchgewunkenen Thermofenster verwenden, können die Auswirkungen nicht nur VW betreffen.
Umweltverband nach nationalem Recht nicht klagebefugt
Das Verwaltungsgericht Schleswig hält die DUH aber in diesem Fall nach nationalem Recht für nicht klagebefugt. Die Begründung: Eine PKW-Typengenehmigung stelle kein Vorhaben im Sinne des deutschen Umwelt-Rechtbehelfsgesetzes (UmwRG) dar. Es handele sich dabei um eine Produktzulassung, gegen die nicht geklagt werden könne, weil der Anwendungsbereich des UmwRG in diesem Fall nicht gegeben sei.
Das UmwRG basiert auf dem völkerrechtlichen Übereinkommen von Aarhus, das den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten regelt. Der Gesetzgeber habe sich bewusst gegen eine Anwendbarkeit des UmwRG auf Produktzulassungen entschieden, so das Verwaltungsgericht.
Aber ergibt sich ein solches Klagerecht eventuell aus dem Unionsrecht? Demnach würden Umweltverbänden bei Umweltrechsverstößen weitreichende Klagerechte zustehen. Diese Frage hat das VG Schleswig jetzt dem EuGH vorgelegt.
Sind Thermofenster in Motoren zulässig?
Wenn der EuGH die DUH für klagebefugt hält, kommt es nach Ansicht des VG Schleswig zum einen auf die Rechtmäßigkeit des KBA-Freigabebescheids an und zum anderen darauf, ob Thermofenster in den Dieselfahrzeugen zulässig sind.
Das Gericht hat dem EuGH deshalb noch weitere Fragen zur Auslegung der Emissions-Grundverordnung vorgelegt. Laut dieser Verordnung sind Abschalteinrichtungen grundsätzlich unzulässig – es sei denn, sie schützen den Motor vor Beschädigungen und sorgen für den sicheren Betrieb des Autos.
VW hatte dazu immer wieder festgestellt, dass seine Autos nach dem Update gesetzeskonform seien. Das Thermofenster sei eine zulässige Abschalteinrichtung, weil es dem Schutz von Bauteilen diene und den Motor im Betrieb vor Schäden schütze.
DUH sieht Vorlage als großen Erfolg
Die DUH freut sich sehr über den Beschluss des Gerichts, den EuGH anzurufen: „Es ist ein großer Erfolg für unsere Arbeit, dass endlich die rechtwidrige Beschränkung unserer Klagebefugnis im Interesse der von den Dieselkonzernen geschädigten Fahrzeughalter vom EuGH geklärt wird”, kommentiert Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH, die Entscheidung.
„Nach wie vor sind die Dieselfahrer bei der Vertretung ihrer Interessen auf sich gestellt. Dies gilt noch mehr für die Menschen, die unter den gesundheitlichen Folgen des anhaltenden Betrugs leiden. Denn die Konsequenz ist die anhaltend hohe Belastung mit dem Dieselabgasgift Stickstoffdioxid in vielen deutschen und europäischen Städten“, so der Geschäftsführer weiter.
Es sei nicht nachvollziehbar, wie eine deutsche Behörde diesen anhaltenden Missstand einfach hinnehmen könne. Deshalb hoffe die DUH auf eine Bestätigung ihrer Klagerechte, um sowohl die gesundheitlichen als auch die verbraucherschutzrechtlichen Interessen endlich durchzusetzen. Die DUH rechnet in diesem Präzedenzfall schon 2020 mit einer Entscheidung für sämtliche Autohersteller, die mit Billigung des Kraftfahrt-Bundesamtes Abschalteinrichtungen verwenden.