Fiat-Abgasskandal: Händler muss manipuliertes Wohnmobil von Hymer durch fabrikneues Fahrzeug ersetzen

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Wer ein manipuliertes Wohnmobil gekauft hat, das sich noch in der zweijährigen Gewährleistung befindet, kann es unkompliziert zurückgeben: Das Landgericht (LG) Oldenburg hat einem Kläger im Fiat-Abgasskandal die Neulieferung eines Wohnmobils des Herstellers Hymer zugesprochen. Der Händler muss ihm sein mangelhaftes Fahrzeug durch ein fabrikneues Fahrzeug des gleichen Typs ersetzen. Der Käufer hatte innerhalb der zweijährigen Gewährleistungsfrist geklagt.

Mit Urteil vom 2. September 2021 hat das LG Oldenburg im Abgasskandal von Fiat Chrysler Automobiles (FCA) ein bemerkenswertes Urteil gesprochen: Der Händler wurde zur Neulieferung eines Wohnmobils verurteilt (Az. 4 O 767/21). Der Kläger hatte im Januar 2020 für 69.900 Euro ein Wohnmobil des Herstellers Hymer erworben. Das Modell Exsis T 768 basiert auf einem Fiat Ducato 2,3-Liter-Motor der Euronorm 6b.

Manipulierte Multijet-Motoren deaktivieren Abgasreinigung nach 22 Minuten

Die Multijet-Motoren von Fiat Chrysler wurden so konstruiert, dass die gesetzlich vorgeschriebene Abgasnachbehandlung etwa 22 Minuten nach dem Motorstart deaktiviert wird. Weil der Testzyklus nur 20 Minuten dauert, entsteht in der Prüfungssituation der Anschein, dass das Fahrzeug den zulässigen NOx-Grenzwert für die Euro-6-Klasse einhält. Doch Untersuchungen der Deutschen Umwelthilfe an Wohnmobilen der Abgasnorm Euro 5 und Euro 6 haben ergeben, dass das reale Abgas-Emissionsverhalten den Grenzwert um das bis zu 19-Fache übersteigt.

Weil sich das Fahrzeug noch in der zweijährigen Gewährleistung befindet, hatte der Kläger neben dem Hersteller auch den Händler verklagt – mit Erfolg. Er muss dem Käufer jetzt ein fabrikneues, mangelfreies und typengleiches Hymer-Ersatzfahrzeug aus der aktuellen Serienproduktion mit gleichwertiger technischer Ausstattung nachliefern. Das Unternehmen Stellantis, das als Holding aus der Fusion der Automobilkonzerne Groupe PSA (PSA) und Fiat Chrysler Automobiles (FCA) hervorgegangen ist, wurde zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt. Weil sich weder der beklagte Händler noch Stellantis zur Klage geäußert hatten, sprachen die Richter ein sogenanntes Versäumnisurteil. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. 

Gewährleistung nutzen und Fahrzeug ersetzen lassen

Geschädigte Verbraucher können im Abgasskandal von Fiat Chrysler/Stellantis auf Schadensersatz klagen oder – wie in diesem Fall – die Gewährleistung in Anspruch nehmen und so ihr manipuliertes Fahrzeug zurückzugeben. Händler sind verpflichtet, Kunden die Ware frei von Mängeln zu übergeben. Andernfalls haben Verbraucher einen gesetzlichen Anspruch auf Gewährleistung gegenüber dem Verkäufer (§§ 437438 BGB).

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat illegale Abschalteinrichtungen im Fall von VW 2019 als Sachmangel eingestuft. Demnach haben Käufer von mangelhaften Fahrzeugen Anspruch auf ein mangelfreies Fahrzeug. Die Gewährleistungsdauer bei Neuwagen beträgt zwei Jahre. Sich auf die Gewährleistung zu berufen, ist einfacher als das manipulierte Fahrzeug auf dem Klageweg loszuwerden. Denn wer gegen Fiat-Chrysler klagt, muss eine vorsätzliche und sittenwidrige Schädigung nach § 826 BGB nachweisen. Wenn die zweijährige Gewährleistungsfrist bereits abgelaufen ist, kann auch eine Schadensersatzklage ist für betroffene Wohnmobilbesitzer ein erfolgversprechender Weg aus dem Abgasskandal sein.

Schadensersatzklage mit oder ohne Rückgabe des Fahrzeugs

Wer im Dieselskandal auf Schadensersatz klagen will, muss sich entscheiden, ob er sein Fahrzeug zurückgeben oder behalten möchte. Beim sogenannten großen Schadensersatz gibt man das manipulierte Wohnmobil zurück und klagt auf Erstattung des Kaufpreises. In der Regel wird bei der Berechnung der Schadensersatzsumme eine Nutzungsentschädigung für die gefahrenen Kilometer vom Kaufpreis abgezogen.

Eine weitere Option, den Wertverlust des Fahrzeugs auszugleichen, stellt der „kleine Schadensersatz“ dar: Bei dieser Variante behält der Besitzer sein mangelhaftes Wohnmobil und macht nur den Wertunterschied zu einem mangelfreien Fahrzeug als Schaden geltend, mindert also den Kaufpreis. Der BGH hat diese Vorgehensweise am 6. Juli 2021 zugelassen. In dem Fall ging es um eine Klägerin, die ihren VW Passat weiter nutzen, sich aber dennoch für den Wertverlust entschädigen lassen wollte. Auch für Wohnmobilbesitzer kann diese Lösung eine interessante Option sein.

Welcher Weg für betroffene Kunden der beste ist, hängt von vielen Faktoren ab. Deshalb muss jeder Einzelfall gesondert geprüft werden. Die Rechtsanwälte der Kanzlei VON RUEDEN empfehlen Dieselbesitzern, die im Abgasskandal geschädigt wurden, sich fachkundig beraten zu lassen – egal, ob sie ihr Auto zurückgeben, behalten oder die Gewährleistung beanspruchen wollen. Nehmen Sie den Wertverlust Ihres Fahrzeugs nicht einfach hin! Im Abgasskandal geschädigte Dieselkäufer haben sehr gute Chancen auf Schadensersatz. In unserer kostenfreien Erstberatung prüfen wir Ihren Fall individuell und unterstützen Sie auf Wunsch bei einer Klage gegen den Autohersteller und/oder den Händler. Kontaktieren Sie uns!