Länder und Kommunen nutzen ihre Chancen auf Schadensersatz im Abgasskandal nicht

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Die Chancen auf Schadensersatz für manipulierte Dieselfahrzeuge von VW und anderen Autoherstellern stehen gut wie nie, doch viele Kommunen haben sich bislang mit Softwareupdates begnügt – zum Schaden des Steuerzahlers. Nur die Stadt Bonn hat wegen mangelhafter Fahrzeuge der Stadt auf Erstattung des Kaufpreises geklagt – mit Erfolg. Warum setzen die anderen vom Abgasskandal betroffenen Kommunen ihre Ansprüche nicht gerichtlich durch?

Die Stadt Bonn hatte wegen „vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung“ gegen die Volkswagen AG geklagt, um wegen der manipulierten städtischen Fahrzeuge den Kaufpreis erstattet zu bekommen. Am 20. Mai gewann die Stadt den Schadensersatzprozess gegen VW: Das Landgericht sprach der Stadt für die 27 vom Dieselbetrug betroffenen Fahrzeuge der Bonner Flotte 469.120,79 Euro zu – gegen Rückgabe der Fahrzeuge.

Am 25. Mai kam dann die höchstrichterliche Entscheidung vom Bundesgerichtshof (BGH), dass Halter von abgasmanipulierten VW-Dieselfahrzeugen Anspruch auf Schadensersatz gegen den Autokonzern haben. Ein Grund mehr für die Kommunen, sich den Kaufpreis teilweise erstatten zu lassen. Doch die allermeisten Länder und Städte unternahmen nichts.

Viele Städte tatenlos oder noch unentschlossen

Der Bonner Fall zeigt, dass auch Städte, deren Fuhrpark vom Abgasskandal betroffen ist, Anspruch auf Schadensersatz von VW und anderen Autoherstellern haben. Doch viele große Städte lassen diese Chance ungenutzt verstreichen. Recherchen des Handelsblatts haben ergeben, dass sich die Verantwortlichen weitgehend gegen entsprechende Klagen entschieden haben. Sie lassen sich mit dem vom Konzern angebotenen Softwareupdate abspeisen. Doch solche Softwareupdates sind umstritten, weil viele Kunden nach dem Aufspielen der Software über eine verminderte Motorleistung, einen erhöhten Dieselverbrauch und andere Probleme berichten.

Selbst als mehrere Landgerichte und erste Oberlandesgerichte den Fahrzeughaltern Schadensersatz zusprachen, sind viele Ministerpräsidenten und Bürgermeister untätig geblieben. Die Kosten für die Manipulationen von Volkswagen gehen also auf Kosten der öffentlichen Hand. Juristen sehen darin Fälle von Untreue, denn jetzt muss der Steuerzahler für die Versäumnisse der Länder und Gemeinden aufkommen.

Über 4000 betroffene Fahrzeuge in kommunalem Besitz

Der Schaden ist immens: Insgesamt geht es um über 4000 mutmaßlich manipulierte Diesel, die den Ländern gehören. Von den Ländern hat nur Bayern geklagt; die Verhandlung soll Ende 2020 stattfinden. Von den 20 größten Kommunen hat neben Bonn bislang nur Wuppertal Klage eingereicht. Das Landgericht Wuppertal wird Mitte Juni über sechs betroffene Fahrzeuge entscheiden. Ein weiterer Prozess befasst sich mit drei Fahrzeuge der Abfallwirtschaftsgesellschaft Wuppertal.

Gemessen an dem Bonner Urteil, bei dem pro Fahrzeug etwa 17.300 Euro Schadensersatz gezahlt wurden, hätten allein die Länder, die an der Umfrage des Handelsblatts teilgenommen haben, etwa 70 Millionen Euro einklagen können. Der tatsächliche Betrag dürfte noch deutlich höher liegen, denn etliche Länder haben nur die Fahrzeuge angegeben, die im Besitz von Polizei und Feuerwehr sind. Autos der Stadtbezirke von Stadtstaaten, der Verkehrsbetriebe oder der Stadtreinigungen wurden noch nicht berücksichtigt, weil die Länder für sie zum Teil nicht zuständig sind. Auch die insgesamt etwa 1600 Kommunen in Deutschland wurden noch nicht einkalkuliert.

Viele Fahrzeuge der Länder und Gemeinden nutzen den manipulierten VW-Motor EA 189 und dessen Nachfolger EA 288. Wegen des Motortyps EA 288 sind an deutschen Gerichten mittlerweile hunderte Klagen anhängig. Bei diesem Motor ist noch keine Verjährung eingetreten, deshalb wollen die Städte München und Karlsruhe jetzt prüfen, wie viele Fahrzeuge über den Motor EA 288 verfügen, um dann gegebenenfalls gegen den Hersteller VW zu klagen.

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