Unabhängige Behörde und mehr Abgastests gefordert

Veröffentlicht am in Abgasskandal

Abgastests sollen künftig deutlich ausgeweitet und von einer unabhängigen Behörde vorgenommen werden. Das fordern Die Grünen und kritisieren, dass Emissions-Tests des Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) nur einen Teil des Bestands erfassen. Fünf Jahre nach dem Bekanntwerden des Abgasskandal würden immer neue Betrugsfälle entdeckt und die Kontrollen trügen kaum zur Aufklärung bei. Deshalb sei für die Abgastests eine unabhängige Behörde erforderlich.

Stephan Kühn, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag, hat sich gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa) dafür ausgesprochen, die Abgastests deutlich auszuweiten. Die Prüfungen des Kraftfahrt-Bundesamts repräsentierten nur einen Bruchteil aller zugelassenen Fahrzeuge, so Kühn. Er plädierte außerdem dafür, die Abgastests vom KBA auf eine unabhängige Behörde zu übertragen. Im Zuge der Marktüberwachung wurden laut Verkehrsministerium bisher rund 288 Fahrzeugtypen überprüft, die etwa 3,77 Millionen Fahrzeuge in Deutschland repräsentieren. Zugelassen in Deutschland seien aber rund 48 Millionen Fahrzeuge, so der Verkehrspolitiker.

Zurzeit wird vor einer Abgasuntersuchung (AU) der Fehlerspeicher ausgelesen. Erst wenn dabei kein abgasrelevanter Eintrag zu sehen ist, darf die AU durchgeführt werden. Bei der Verschärfung der Abgasnorm auf die Euro 6d-ISC-FCM ist noch eine wichtige Komponente hinzugekommen. ISC bedeutet „In Service Conformity“. Die neue Norm verlangt von den Herstellern immerhin den Nachweis, dass die Abgasnachbehandlung dauerhaft funktioniert – und nicht nur zum Zeitpunkt der Prüfung.

Untersuchungsbericht zum Dieselgate spricht Politik frei

Der Entwurf des Dieselgate-Untersuchungsberichts spricht die Politik von der Verantwortung für den gigantischen Abgasbetrug frei. Doch die Aussagen im Ausschuss legen etwas anderes nahe: Der Betrug konnte nur gelingen, weil die Autohersteller sich selbst überprüft und die Behörden weggeschaut haben. Der VW-Vorstand wurde trotzdem entlastet und die Aktionäre bekamen eine Dividende, die deutlich über der des Vorjahrs lag.

Die Politik wollte anschließend wieder zur Tagesordnung übergehen: Behörden oder Autohersteller treffe keine Schuld, denn das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) habe keine Hinweise auf verbotene Praktiken gehabt. Die Folgen des Abgas-Skandals tragen somit die Autofahrer – mit Diesel-Fahrverboten, Zwangs-Umrüstungen und Problemen nach dem Softwareupdate.

Im Diesel-Untersuchungsausschuss stellte sich laut FOCUS Online heraus, dass die Autohersteller die Einhaltung der Abgas-Grenzwerte ihrer Fahrzeuge mit einer sogenannten CoP-Prüfung (Conformity of Production) selbst überwachen durften. Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) hatte also nur die Prüfunterlagen der Hersteller geprüft, nicht die Fahrzeuge selbst. Ob die tatsächlich produzierten Fahrzeuge den Vorschriften entsprechen, überprüften ebenfalls die Hersteller selbst. Nach Ansicht von Sachverständigen hätte aber eine Prüfpflicht des Staates bestanden. Wenn die Politik die Verantwortung übernommen hätte, wäre der Staat für den Diesel-Skandal und dessen milliardenschwere Folgen haftbar zu machen.

Speziell präparierte Fahrzeuge für die offizielle Typzulassung

Für die Typzulassungen haben die Autohersteller „Golden Cars“ genutzt, die speziell für den Test präpariert wurden. Das könne „für die Schadstoffmessung und für die CO2-Kraftstoffmessung ein völlig anderes Fahrzeug sein“, so ein Sachverständiger. Für den Test wurden zum Beispiel die Außenspiegel auf der Beifahrerseite und Teile der Basisausstattung entfernt, Türschlitze und Kühlergrill abgeklebt, Reifen maximal aufgepumpt und der Abstand der Bremsklötze zu den Bremsscheiben vergrößert. Das KBA hatte daran offenbar nichts auszusetzen.

Der Grünen-Fraktions-Vize Oliver Krischer, der für die Grünen im Ausschuss saß, kommentiert die gewonnen Erkenntnisse: „Das Testfahrzeug ist demnach nicht der Prototyp des Autos, das später in Serie geht und letztlich zum Kauf angeboten wird, es ist vielmehr ein Konstrukt mit jeweils den Bauteilen, die gerade typgenehmigt werden sollen. Eine echte und zuverlässige Überprüfung, ob das Serienfahrzeug in allen Bauteilen und in der Gesamtheit dem typengenehmigten Fahrzeug entspricht, findet nicht statt.“

KBA und Verkehrsministerium gegen Feldüberwachung

Es gab im Ausschuss also deutliche Anhaltspunkte dafür, dass die starken Abweichungen bei den Messergebnissen mit den in der Motorsteuerung integrierten Abschalteinrichtungen zu tun haben mussten. Für die Überwachung war das KBA zuständig, das dem Verkehrsministerium unterstellt ist. Doch von Abschalteinrichtungen wollte man in beiden Behörden nichts wissen.

Statt einer Feldüberwachung gab es nur einen Mini-Test. „Was vom Umweltbundesamt als kontinuierliche und umfassende Feldüberwachung angelegt war, war letztlich ein einmaliges Projekt mit nur wenigen Fahrzeugen“ so Krischer. Die Fahrzeuge wurden nicht abseits des NEFZ getestet, sondern nur nach diesem offiziellen Prüfverfahren, bei dem VW-Fahrzeuge manipuliert wurden. Selbst dabei hat sich allerdings gezeigt, dass die Prüfungen hinten und vorne nicht stimmen – und zwar sowohl bei den CO2-Werten als auch bei Stickoxid-Werten. Doch eine Aufklärung wurde vom KBA ausgebremst.

Offenbar war das KBA mit den mehr als 100.000 Genehmigungen auch überfordert. Man habe gar nicht die technischen Möglichkeiten gehabt, eine umfangreiche Überprüfung illegaler Abschalteinrichtungen vorzunehmen, erklärt ein KBA-Mitarbeiter im Untersuchungsausschuss. Als Fazit lässt sich festhalten: Die Hersteller konnten Abschalteinrichtungen einsetzen, weil sie wussten, dass sie von den Behörden nicht effektiv überprüft werden würden.

Gründung des Abgas-Instituts verzögert sich

Laut Koalitionsvertrag von SPD und CDU müssen Autohersteller nach dem Abgasskandal künftig mit einer schärferen Überwachung rechnen. Darin heißt es: „Für die Überwachung der bereits im Markt befindlichen Fahrzeuge werden wir eine flächendeckende Feldüberwachung sowie ein wirksames Sanktionssystem bei Nichteinhaltung von Emissionsvorschriften gegenüber den Herstellern etablieren. Wir werden die Gründung des Deutschen Instituts für Verbrauchs- und Emissionsmessungen (DIVEM) vorantreiben.“

Wenn es um die Kontrolle von Emissionen geht, würde das KBA dann entmachtet. Das geplante Abgas-Institut soll auf einer festen Strecke Messungen im realen Straßenbetrieb vornehmen und für mehr Transparenz die Ergebnisse auf einem Internetportal veröffentlichen. Gegründet wurde das DIVEM bislang allerdings noch nicht.