Universalschlichtungsstelle gibt Opfern des Abgasskandals Hoffnung

Veröffentlicht am in Abgasskandal

Eine neutrale Schlichtungsstelle des Bundes hilft Verbrauchern, die Streit mit Unternehmen haben, an ihr Recht zu kommen. Die neue „Universalschlichtungsstelle des Bundes“ befindet sich in der Kleinstadt Kehl in Baden-Württemberg, die damit zu einem Zentrum des deutschen Verbraucherschutzes wird. Auch für geprellte VW-Fahrer könnte diese Stelle künftig wichtig werden. Wenn es demnächst im Braunschweiger Musterverfahren zu einem Urteil im VW-Abgasskandal kommt, könnten die beteiligten Kläger ihre Ansprüche gegen den Konzern mit Hilfe der Universalschlichtungsstelle durchsetzen.

Kostenlose Schlichtung statt langer Gerichtsverfahren

„Die Universalschlichtungsstelle bietet sowohl für Verbraucherinnen und Verbraucher als auch für Unternehmen eine sehr gute Möglichkeit, Streitigkeiten ohne viel Aufwand und langwierige Gerichtsverfahren beizulegen“, erklärt die Parlamentarische Staatssekretärin im BMJV, Rita Hagl-Kehl (SPD). „Für Verbraucherinnen und Verbraucher ist das Schlichtungsverfahren kostenlos, für Unternehmerinnen und Unternehmer ist es sehr kostengünstig.“

Die Bundesregierung hat Verbrauchern diese Möglichkeit für den Schadenersatz im Oktober mit einer Gesetzesänderung eröffnet. Der Nachteil der deutschen Sammelklage ist nämlich, dass jeder Kläger seinen Anspruch anschließend selbst durchsetzen muss. Im Rahmen der Musterklage wird lediglich der Hauptprozess durchgeführt, nicht aber die individuelle Schadenshöhe geklärt. Statt ihre Ansprüche einzeln vor Gericht durchzufechten, können die Betroffenen sich jetzt an einen Schlichter wenden. Das geht schneller und einfacher als in einem weiteren Gerichtsverfahren.

Unternehmen müssen Schlichtung nicht zustimmen

„Die Universalschlichtungsstelle ist zuständig, wenn ein Verbraucher im Nachgang zu einem rechtskräftig abgeschlossenen Musterfeststellungsverfahren (…) die Durchführung einer Schlichtung beantragt und keine Zuständigkeit einer branchenspezifischen Verbraucherschlichtungsstelle existiert“, schreibt der ehemalige Richter am Bundesgerichtshof, Reinhard Greger, in seinem Blog „schlichtungs-forum“.

Eine Sprecherin des Justizministeriums betont, dass die Schlichtungsstelle auch auf Verfahren mit höheren Schadensummen ausgelegt ist. „Damit die Anrufung der Schlichtungsstelle auch dann möglich ist, wenn höhere Summen im Raum stehen, wurde die zulässige Obergrenze für die Anrufung der Universalschlichtungsstelle des Bundes auf 50.000 Euro festgesetzt.“

Einen Haken hat die Sache allerdings: das Prinzip der doppelten Freiwilligkeit. Wenn eine Partei die Schlichtung verweigert, muss man doch ein Gericht bemühen. Teile der Opposition im Bundestag wollten Unternehmen im Fall der Musterfeststellungsklagen diesen Ausweg versperren, doch die Bundesregierung hat sich am Ende durchgesetzt.

Verbraucherschützer für verpflichtende Teilnahme an Schlichtung

Dieses Schlupfloch für VW missfällt der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv): „Derzeit gibt es keine Verpflichtung für Unternehmen, an einer Schlichtung teilzunehmen. Das sollte sich ändern“, fordert die Geschäftsbereichsleiterin Verbraucherpolitik Jutta Gurkmann. „Eine Verpflichtung etwa zur Teilnahme an einem Schlichtungsverfahren im Anschluss an eine Musterfeststellungsklage würde die bisher nötigen Individualklagen von Verbrauchern zur Durchsetzung von Entschädigungen überflüssig machen.“

Für VW-Kunden wäre es allerdings noch besser, wenn sich Volkswagen und der vzbv auf einen Vergleich einigen würden, durch den weitere Verfahren überflüssig würden. Genau darüber verhandelt der Verbraucherschutzverband zur Zeit mit dem Wolfsburger Autokonzern.

Das Schlichtungsverfahren funktioniert ganz einfach: Der geprellte Kunde muss dafür nur ein Online-Beschwerdeformular ausfüllen und abschicken. Für Verbraucher sind die Verfahren kostenfrei, Unternehmen zahlen zwischen 50 und 800 Euro – je nach Streitwert, also deutlich weniger als ein Gerichtsverfahren kosten würde. Dieses niedrigschwellige Angebot soll Firmen dazu bewegen, einer Schlichtung zuzustimmen.

Weitere branchenspezifische Schlichtungsstellen

Die Schlichtungsstelle ist allerdings nicht so universal, wie ihr Name vermuten lässt: Außer den Schlichtern am Rhein gibt es aktuell noch 26 weitere branchenspezifische Schlichtungsstellen für Verbraucher, darunter zum Beispiel die Kundenbeschwerdestelle beim Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken und die Schlichtungsstelle Telekommunikation der Bundesnetzagentur.

Der Vorteil branchenspezifischer Schlichtungsstellen bestehe in ihrer besonderen Kompetenz, so das BMJV. Die Vermittler sind Experten in den jeweiligen Bereichen, nicht zuletzt wegen der Konzentration von Fällen des gleichen Fachgebiets, mit denen sie zu tun haben. „Schlichtung ist ein wichtiger Baustein im Instrumentenkasten der Rechtsdurchsetzung“, findet Verbraucherschützerin Gurkmann. Jetzt gelte es, dieses Instrument bei Verbrauchern bekannter zu machen.

Die Universalstelle in Kehl ist eine Art Auffangschlichtungsstelle für Verfahren, die nicht von anderen Schlichtern abgedeckt werden. Sie wurde in den vergangenen drei Jahren bereits als „Allgemeine Verbraucherschlichtungsstelle“ für solche speziellen Fälle genutzt. Jetzt wurde sie vom Justiz- und Verbraucherschutzministerium zur Universalstelle aufgewertet.

Individuelle Lösungen können für VW-Kunden vorteilhafter sein

Allerdings gibt es auch noch andere Wege, sich im Streitfall mit einem Unternehmen zu einigen. Auch für VW-Kunden ist nicht sicher, ob der Gang zur Schlichtungsstelle wirklich die beste Lösung ist. Ein Lösungsvorschlag eines Schlichters ist nämlich laut Bundesrechtsanwaltskammer „nicht an das geltende Recht gebunden, sondern ‚soll‘ lediglich am geltenden Recht ‚ausgerichtet‘ sein.“

Geprellte VW-Kunden müssten deshalb genau abwägen, ob ihre Interessen und Rechtspositionen durch den unterbreiteten Schlichtungsvorschlag angemessen gewahrt werden oder ob der ordentliche Rechtsweg vorteilhafter erscheint.

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