VW-Abgasskandal: BGH-Entscheidung zum Kauf in Kenntnis erwartet

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Als erstes Oberlandesgericht überhaupt hat das OLG Oldenburg im Januar 2020 entschieden, dass einem Kläger im VW Abgasskandal Schadensersatz zusteht – obwohl das Fahrzeug erst fünf Monate nach dem Bekanntwerden der Manipulationen gekauft wurde. Dieses bahnbrechende Urteil hat die Rechtslage für alle künftigen Verfahren im Abgasskandal geändert – und am 28. Juli wird der Bundesgerichtshof (BGH) in einem solchen Fall entscheiden.

Die Volkswagen AG muss an den Käufer eines einer unzulässigen Motorsteuerungssoftware ausgestatteten VW-Dieselfahrzeugs Schadensersatz zahlen. Das entschied das OLG Oldenburg am 16. Januar 2020. Die Begründung: Die mögliche Kenntnis des Käufers über den Abgasskandal spielt nur eine nachrangige Rolle – VW muss wegen vorsätzlich sittenwidriger Schädigung trotzdem haften (AZ 14 U 166/19 OLG Oldenburg).

Die Richter waren der Ansicht, dass der Tatbestand der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung dennoch bestehen bleibt. Nach diesem richtungsweisenden Urteil müssten jetzt hunderttausende Betroffene ebenfalls Schadensersatz von VW verlangen können.

Wie ist die Rechtslage bei „Kauf in Kenntnis“ im Abgasskandal?

Das Thema „Kauf in Kenntnis“ ist in der Rechtsprechung umstritten: Käufer, die ihr Fahrzeug nach Bekanntwerden des Abgasskandals am 22. September 2015 erworben haben, sind in der Vergangenheit meist leer ausgegangen. Sie mussten bei einem Erwerb nach Bekanntwerden des Dieselskandals meistens beweisen, dass sie von der Manipulation des konkreten Fahrzeugs keine Kenntnis hatten und es ansonsten nicht erworben hätten.

Die deutschen Gerichte waren überwiegend der Ansicht, dass aufgrund der beginnenden Berichterstattung zum Abgasskandal jedem Verbraucher klar gewesen sein muss, dass VW-Dieselmotoren manipuliert sein könnten. Daher wiesen die Gerichte solche Klagen aufgrund des sogenannten „Kauf in Kenntnis“ ab. Doch mittlerweile sehen immer mehr Richter das anders.

Verbraucherfreundliche Trendwende in der Rechtsprechung

In dem Verfahren vor dem OLG Oldenburg ging es um einen VW Caddy, den der Kläger im Februar 2016 erworben hatte – und damit fünf Monate nach offizieller Bekanntgabe des VW Abgasskandals. VW wurde auf Zahlung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung verurteilt: Mit dem Inverkehrbringen des Fahrzeugs mit dem Motor EA 189 mit der verbotenen Abschaltautomatiksei der Tatbestand der vorsätzlich sittenwidrigen Handlung erfüllt.

Der Schaden des Verbrauchers liege bereits im Abschluss eines ungewollten Vertrags. VW habe die Ahnungslosigkeit der Verbraucher bewusst zu seinem Vorteil ausgenutzt. Außerdem habe der Konzern in Kauf genommen, dass der erhöhte Stickoxid-Ausstoß Umwelt- und Gesundheitsschäden verursacht. Dieses Vorgehen erscheine insgesamt sittenwidrig. Für einen Schadenersatzanspruch ist es demnach unerheblich, ob der Käufer zum Zeitpunkt des Autokaufs aufgrund von Pressemitteilungen der Volkswagen AG über die illegalen Abschalteinrichtungen informiert war. Die maßgebliche Täuschung fand bereits zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Fahrzeugs statt.

In erster Instanz hatte das Landgericht Oldenburg die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Beklagte habe aufgrund der monatelangen Berichterstattung davon ausgehen können, dass die Käufer von Dieselfahrzeugen spätestens Ende 2015 in der Lage gewesen seien, die Betroffenheit des Fahrzeugs vor der Kaufentscheidung zu überprüfen.

VON RUEDEN: Erfolg vor dem Landgericht Köln

Die Verbraucherrechtskanzlei VON RUEDEN konnte knapp zwei Monate später ein ähnliches erfreuliches Urteil für eine Klägerin erzielen: Am 11. März 2020 verurteilte das Landgericht Köln Volkswagen dazu, auch Kunden zu entschädigen, die ihren vom Abgasskandal betroffenen Diesel nach dem 22. September 2015 gekauft haben.

Die Kundin kaufte im Juli 2016 für 16.100 Euro einen gebrauchten VW Caddy. Im Jahr 2019 klagte sie gegen Volkswagen wegen vorsätzlicher und sittenwidriger Schädigung auf Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung für die gefahrenen Kilometer. In der Zwischenzeit wurde im Zuge eines Pflichtrückrufs ein Softwareupdate auf die Motorsteuerung aufgespielt. Trotzdem verurteilte das Landgericht Köln die Volkswagen AG dazu, das manipulierte Fahrzeug zurückzunehmen und 13.900 Euro an die Verbraucherin zu zahlen.

„Das Gericht stellt ohne jeden Zweifel fest, dass das sittenwidrige Verhalten der Beklagten mit dem Jahr 2015 kein Ende genommen hat“, erklärt die Berliner Rechtsanwältin Kelly Straube von der Verbraucherrechtskanzlei VON RUEDEN, die das Verfahren federführend betreut. „So kommen endlich auch Verbraucher, die nach Bekanntwerden des Abgasskandals getäuscht wurden, zu ihrem Recht“, so Straube weiter.

Kunden waren auch nach 2015 nicht gut informiert

Auch das Landgericht Paderborn hatte in diesem Sinne geurteilt und VW am 19. Februar 2020 wegen vorsätzlicher und sittenwidriger Schädigung verurteilt, obwohl der Kläger seinen Audi A5 Sportpack TDI Quattro mit dem Skandalmotor EA189 erst 2016 gekauft hatte – also nach Bekanntgabe des Abgasskandals. Das sittenwidrige Verhalten habe auch beim Kauf des Audi im April 2016 noch vorgelegen und sei weder durch das Aufspielen von Softwareupdates noch durch die Ad-hoc-Mitteilung vom 22. September 2015 entfallen.

Der Käufer konnte nicht damit rechnen, dass ihm noch im April 2016 ein vom Diesel-Abgasskandal betroffenes Fahrzeug ohne jeden Kommentar zur Problematik verkauft wurde. Damit hatte er beim Kauf des Fahrzeugs keine ausreichenden Kenntnisse von der Motormanipulation. Das Landgericht kritisierte zudem die Bagatellisierung der Manipulation durch den Autokonzern. VW habe wenig zur Aufklärung des Skandals beigetragen.

Das Oberlandesgericht Koblenz urteilte am 5. Juni 2020 ebenfalls, dass auch Käufern, die nach Bekanntwerden des Abgasskandals VW-Dieselfahrzeuge gekauft haben, Schadensersatz zusteht.

BGH-Urteil über „Kauf in Kenntnis“ mit Spannung erwartet

Der Bundesgerichtshof wird am 28. Juli 2020 im Verfahren über Schadensersatzansprüche der Käufer entscheiden, die ihr Fahrzeug erst nach Bekanntwerden der Abgasmanipulationen beim Dieselmotor des Typs EA 189 im September 2015 erworben haben.

Dass VW sich im Abgasskandal grundsätzlich schadensersatzpflichtig gemacht hat, hat der BGH bereits mit Urteil vom 25. Mai entschieden (Az.: VI ZR 252/19). In diesem Verfahren haben die Karlsruher Richter allerdings noch nicht über die Frage entschieden, ob der Autobauer auch dann noch schadensersatzpflichtig ist, wenn der Verbraucher das Fahrzeug erst nach Bekanntwerden des Abgasskandals gekauft hat. Die obersten Bundesrichter werden in Kürze auch beim „Kauf in Kenntnis“ für mehr Klarheit sorgen.

Jetzt gegen VW auf Schadensersatz klagen!

Der Dieselskandal ist noch lange nicht beendet. Auch Käufer, die ihre Fahrzeuge nach Bekanntwerden des VW-Abgasskandals erworben haben, sollten ihre Schadensersatzansprüche gegen die Volkswagen AG und andere Autohersteller unbedingt prüfen lassen.

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