Vor Braunschweiger Gerichten hat die Volkswagen AG bislang regelmäßig gegen klagende Dieselkunden gewonnen. Während deutschlandweit immer mehr Richter dem Autokonzern im Umgang mit seinen Kunden „bewusste Täuschung“, „vorsätzlich sittenwidrige Schädigung“ und „arglistiges Verschweigen“ vorwarfen, gab es in Braunschweig offenbar keinen Dieselskandal. Doch nach dem BGH-Urteil, das den Klägern Schadensersatz zugesprochen hat, dreht sich der Wind auch in Braunschweig.
Volkswagen musste weltweit schon Milliardensummen an Schadensersatz zahlen und VW-Manager sitzen wegen Betrugs in Haft. Doch sowohl am Landgericht als auch am Oberlandesgericht Braunschweig konnten die Richter bislang keinen Schaden erkennen und verurteilten VW folglich auch nicht auf Schadensersatz.
Damit schlossen sie sich der Verteidigung des Wolfsburger Konzerns an: Volkswagen argumentierte, dass den Kunden kein Schaden entstanden sei, da alle Fahrzeuge im Verkehr genutzt werden könnten und sicher seien. Der Konzern konnte sich auch auf Gutachten berufen, die bestätigen, dass die Fahrzeuge “keinen Wertverlust aufgrund der Dieselthematik” erlitten hätten.
BGH-Urteil ist eindeutig: VW hat schadhafte Autos verkauft
Braunschweig liegt nur rund 40 Kilometer entfernt von Wolfsburg, der Weltzentrale des Konzerns. VW ist der größte Arbeitgeber und Steuerzahler der Region. Doch in Karlsruhe, Sitz des Bundesgerichtshofs (BGH), musste VW am 25. Mai 2020 eine schwere Niederlage einstecken: Die obersten Richter bestätigten, was im Grunde jedem längst klar war: Volkswagen hat im großen Stil schadhafte Dieselfahrzeuge verkauft und die betrogenen Kunden haben Anspruch auf Schadensersatz.
Die Karlsruher Richter begründen ihr Urteil damit, dass die Beklagte „systematisch und über Jahre hinweg aus reinem Gewinnstreben die Arglosigkeit der Kunden planmäßig ausgenutzt und sich dabei das Vertrauen der Verbraucher in das bei dem Kraftfahrt-Bundesamt zu durchlaufende Genehmigungsverfahren zunutze gemacht“ habe. Auch das Bestreben nach Schutz der Umwelt sei durch die gezielte Täuschung unterlaufen worden.
Die Ausrede des Konzerns, die Manipulation an der Motorsteuerungssoftware sei von einzelnen Ingenieuren vorgenommen worden, ließ der BGH nicht gelten: VW hatte bereits elf Millionen Fahrzeuge mit manipulierter Dieselsoftware verkauft, das allein zeige die besondere Verwerflichkeit des Verhaltens. Der Konzern müsse für das vorsätzliche Handeln seiner Mitarbeiter und des damaligen Vorstands einstehen.
Landgericht Braunschweig ändert seine Rechtsprechung
Für die Richter am Landgericht und Oberlandesgericht in Braunschweig muss dieses klare Urteil aus höchstrichterlicher Instanz ziemlich unangenehm sein. Nach Recherchen des Handelsblatts gingen in den vergangenen Jahren allein am Landgericht Braunschweig rund 8000 Klagen ein – bislang nahezu ohne Erfolg für die Kläger. Damit galt in Brauschweig eine Art Ausnahmerechtsprechung.
Doch inzwischen hat eine der beiden zuständigen Braunschweiger Kammern ihre verbraucherfeindliche Einstellung überdacht: „Der Vorsitzende Richter der 11. Zivilkammer, die mit VW-Käuferklagen betraut ist, hat angekündigt, seine bisherige Rechtsprechung zu ändern und der Rechtsprechung des BGH zu folgen“, gibt der Sprecher des Landgerichts bekannt. Aus der anderen zuständigen Kammer gab es noch keine öffentliche Stellungnahme.
Gerichtsstand in Konzernnähe ist ungeeignet
Das Oberlandesgericht Braunschweig hat die Berufungen der Autokäufer in allen 18 Verfahren gegen Volkswagen zurückgewiesen. Von den ursprünglich 2550 Verfahren sind dort noch 1216 anhängig. Wie es weitergeht, könne man abstrakt und im Vorfeld nicht beantworten, so eine Sprecherin des Gerichts. Der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig werde das BGH-Urteil aus Karlsruhe aber berücksichtigen. Zwar sind Richter nicht an die Rechtsauffassung des BGH gebunden und müssen ihm nicht zwingend folgen. Allerdings ist die Rechtslage im VW-Fall so eindeutig, dass in Braunschweig eine Kehrtwende geboten ist.
Michael Heese, Jura-Professor an der Universität Regensburg, sieht in der Braunschweiger Ausnahmerechtsprechung ein grundsätzliches Problem: „Bei der Musterfeststellungsklage hat sich besonders deutlich gezeigt, dass ein Gerichtsstand in Konzernnähe nicht geeignet ist, um über solche Fälle zu verhandeln“, so Heese. „Beim Bürger musste doch der Eindruck entstehen, dass sich die Braunschweiger Gerichte insgesamt mit Volkswagen nicht unvoreingenommen auseinandersetzen. Schon dieser böse Schein genügt und schadet dem Ansehen des Rechtsstaats.“
Dazu kommt, dass das Land Niedersachsen mit 20 Prozent der Stimmrechte zu den größten Anteilseignern des Autobauers gehört. Im VW-Aufsichtsrat sitzen auch zwei hochrangige Regierungsvertreter: Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU).
VW kündigt Einmalzahlungen für betrogene Kunden an
Die VW-Führungsetage scheint jedenfalls inzwischen erkannt zu haben, dass der juristische Kampf gegen die Kunden verloren ist. Das zeigen die zahlreichen Vergleiche, die der Konzern schließt – so im Musterverfahren mit dem Bundesverband der Verbraucherzentralen. Über 200.000 Kunden, die sich der Musterklage angeschlossen hatten, erhielten insgesamt 830 Millionen Euro Schadensersatz. Die Abwicklung der Individualklagen im Dieselskandal dürfte auch noch mal richtig teuer werden.
„Der Bundesgerichtshof hat durch sein Urteil aus unserer Sicht für rund 50.000 noch anhängige Verfahren Klarheit geschaffen“, kommentiert ein Volkswagen-Sprecher das BGH-Urteil. Man gehe nun „auf einzelne Anwälte zu, um Gespräche über den Rahmen von Vergleichen vorzubereiten“. Den Kunden werden als „pragmatische und einfache Lösung“ Einmalzahlungen angeboten.
Welche Summe für die Zahlungen einplant ist, teilte der Konzern nicht mit, doch wenn man von den Entschädigungszahlungen im Vergleich mit den Verbraucherschützern ausgeht, könnte sich die Summe auf mindestens 175 Millionen Euro belaufen. Die Abwicklung der Individualklagen dürfte wohl kaum billiger werden als der Massenvergleich.
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