VW-Motor EA189 im Abgasskandal: OLG München sieht keine Verjährung

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Viele Besitzer von älteren VW-Dieseln mit dem Motor EA189 denken, dass ihre Ansprüche auf Schadensersatz im Abgasskandal bereits verjährt sind. Sie gehen von einer dreijährigen Verjährungsfrist seit Bekanntwerden des Dieselskandals aus. Doch zahlreiche Gerichte vertreten die Auffassung, dass Forderungen von Dieselkunden im VW-Abgasskandal erst nach zehn Jahren verjähren – so zuletzt das Oberlandesgericht (OLG) München. Die Volkswagen AG wurde zu Schadensersatz verurteilt, obwohl die Klage erst 2020 eingereicht wurde.

Das OLG München hat ein Urteil des Landgerichts Deggendorf, gegen das die Volkswagen AG Berufung eingelegt hatte, teilweise abgeändert: Die Richter verurteilten VW, an die Klagepartei 14.471 Euro plus Zinsen zu zahlen – Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs (Az. 3 U2514/21). In dem VW Tiguan war der Motor EA189 verbaut worden, dessen illegale Abschalteinrichtungen den Dieselskandal im Herbst 2015 ausgelöst hatten. Der Kläger hatte sich nicht an der Musterfeststellungsklage beteiligt und die Klage erst im Jahr 2020 eingereicht – also fünf Jahre nach Bekanntwerden der Abgasmanipulationen.

Schadensersatzanspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung

Das OLG München entschied dennoch, dass dem Kläger ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte aus §§ 826, 31 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zusteht. Das Verhalten der Volkswagen AG sei im Verhältnis zum Kläger objektiv als sittenwidrig zu qualifizieren, so die Richter. VW habe durch die strategische Unternehmensentscheidung der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung aus Gewinnstreben die Arglosigkeit ihrer Kunden systematisch und über Jahre ausgenutzt.

VW hatte sich in dem Verfahren wie üblich auf die dreijährige Verjährung berufen, die Ende 2019 abgelaufen sei. Doch das Gericht urteilte, dass dem Kläger der Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB zusteht, der erst nach zehn Jahren verjährt. Die Richter am OLG München schließen sich mit ihrem Urteil den Ausführungen des 10. Senats des Oberlandesgerichts Stuttgart im Urteil vom 9. März 2021 an (Az. 10 U 339/20).

VW-Dieselskandal: Zehnjährige Verjährungsfrist aufgrund von § 852 BGB

Bei dem Anspruch aus § 852 BGB handelt es sich um einen deliktischen Schadensersatzanspruch, demzufolge der von VW erschlichene finanzielle Vorteil an die Geschädigten zurückgegeben werden muss. Die Verjährung tritt in dem Fall frühestens nach zehn Jahren ab Kauf ein. Damit hat sich für geschädigte VW-Kunden eine weitere Tür geöffnet, um auch Jahre nach Bekanntwerden des Dieselskandals noch Ansprüche gegen VW geltend machen zu können.

Die Rechtsauffassung, dass eine vollständige Verjährung im VW-Abgasskandal erst nach zehn Jahren ab Kaufdatum eintritt, hatte am 16. Juni 2020 erstmals das Amtsgericht Marburg vertreten. Demnach haben im Abgasskandal geschädigte Dieselkunden gegen VW einen deliktischen Restschadensersatzanspruch gemäß § 852. „Die Beklagtenseite wird vom Gericht (…) darauf hingewiesen, dass die Einrede der Verjährung wohl ins Leere geht, da vorliegend nicht die Regelverjährung von 3 Jahren gemäß §§ 195, 199 BGB einschlägig sein dürfte, sondern die Verjährung gemäß § 852 BGB von 10 Jahren“, so die Richter am Amtsgericht Marburg.

Klagen gegen VW im Abgasskandal noch möglich

Im BGB § 852 heißt es: „Hat der Ersatzpflichtige durch eine unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten etwas erlangt, so ist er auch nach Eintritt der Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des aus einer unerlaubten Handlung entstandenen Schadens zur Herausgabe nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet. Dieser Anspruch verjährt in zehn Jahren von seiner Entstehung an […].“

Demnach bietet § 852 BGB Verbrauchern die Möglichkeit, auch bei scheinbar verjährten Schadensersatzansprüchen noch erfolgreich gegen VW zu klagen. Der sogenannte Restschadenersatzanspruch verjährt erst in zehn Jahren von seiner Entstehung an. Wer sich sittenwidrig auf Kosten eines anderen bereichert, muss noch bis zu zehn Jahre später den daraus gezogenen finanziellen Vorteil zurückzahlen.

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