EuGH-Urteil: Keine Kürzung der Urlaubsvergütung bei Kurzarbeit

Veröffentlicht am in Arbeitsrecht

Viele Unternehmen haben derzeit wegen der Corona-Pandemie noch Kurzarbeit angemeldet. Der erleichterte Zugang zum Kurzarbeitergeld und die maximale Bezugsdauer von 24 Monaten wurde bis zum 31. März 2022 verlängert. Laut Bundesarbeitsgericht (BAG) kann Kurzarbeit den Urlaubsanspruch von Arbeitnehmern reduzieren. Doch eine pauschale Kürzung des Urlaubsgelds ist nicht zulässig. Das hat der europäische Gerichthof (EuGH) entschieden.

Die Richter in Luxemburg urteilten, dass Arbeitnehmer unabhängig von früheren Kurzarbeitszeiten während ihres Mindestjahresurlaubs Anspruch auf das normale Arbeitsentgelt haben. Daher darf das Urlaubsentgelt wegen Kurzarbeit nicht einfach gekürzt werden.

Was gilt für die Urlaubsvergütung während der Kurzarbeit?

Grundsätzlich darf sich Kurzarbeit nicht negativ auf die Berechnung des Urlaubsentgelts eines Arbeitnehmers auswirken. Die Höhe des Urlaubsgelds richtet sich nach dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst der letzten 13 Wochen vor Urlaubsbeginn. Kommt es durch die Einführung von Kurzarbeit zu Verdienstkürzungen, sind diese Kürzungen für die Berechnung des Urlaubsgeldes nicht relevant.

Nach dem Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) kann der Urlaubsentgeltanspruch zwar durch einen Tarifvertrag eingeschränkt werden. Doch der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass die Urlaubsvergütung, die der Arbeitnehmer erhält, nicht geringer ausfallen darf als das üblicherweise gezahlte Arbeitsentgelt. Das gilt zumindest für den unionsrechtlich garantierten Mindesturlaub. Wer in Kurzarbeit beschäftigt ist, muss demnach nicht akzeptieren, dass der Arbeitgeber ihm das Urlaubsgeld pauschal kürzt.

Beim Urlaubsgeld müssen Beschäftigte unter Umständen aber trotzdem Einbußen hinnehmen. Weil die Dauer des gewährten Jahresurlaubs von der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit abhängt, kann Kurzarbeit dazu führen, dass der Jahresurlaub gekürzt wird – und damit auch das Urlaubsgeld.

Betonbauer hatte gegen Kürzung des Urlaubsgelds geklagt

Hintergrund des EuGH-Urteils ist die Klage eines Betonbauers vor dem Arbeitsgericht Verden. Sein Arbeitgeber hatte durch Betriebsvereinbarung saisonbedingte Kurzarbeit angeordnet und entsprechend dem geltenden Tarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV-Bau) aufgrund von Kurzarbeit weniger Urlaubsvergütung gezahlt. Die Urlaubsvergütung setzt sich aus Urlaubsentgelt und Urlaubsgeld zusammen. Der Kläger war im Jahr 2015 insgesamt 26 Wochen lang in Kurzarbeit beschäftigt, also nur die Hälfte des Jahres. Sein Arbeitsverhältnis bestand zwar in dieser Zeit fort, er arbeitete aber praktisch nicht.

Sein Arbeitgeber hatte die Bezahlung nach dem Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe berechnet. Demnach ist der Anspruch auf 30 Tage Jahresurlaub garantiert, doch das zu zahlende Urlaubsgeld kann durch Zeiten in Kurzarbeit niedriger ausfallen. Der Arbeitgeber zahlte daher während des Urlaubs nur einen gekürzten Lohn aus. Dagegen wehrte sich der Betonbauer und klagte vor dem Arbeitsgericht Verden, das den Fall dem EuGH vorlegte.

Tagessatz beim Urlaubsgeld muss voll ausgezahlt werden

Die EuGH-Richter entschieden, dass der Tagessatz beim Urlaubsgeld voll ausgezahlt werden muss. Er dürfe nicht aufgrund von Kurzarbeit gekürzt werden. Im konkreten Fall hat der Betonbauer allerdings nur für zwei Urlaubswochen Anspruch auf den vollen Lohn, schließlich hatte er nur das halbe Jahr gearbeitet. Für die restlichen 16 Urlaubstage besteht Anspruch gemäß dem Bautarif. Wie hoch die Summe ausfällt, muss jetzt das Arbeitsgericht Verden klären.

Jeder Arbeitnehmer hat nach Unionsrecht Anspruch auf einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen. Der Anspruch setzt sich aus dem Anspruch auf Jahresurlaub und dem Anspruch auf Zahlung eines Urlaubsentgelts zusammen. In der Urteilsbegründung des EuGHs wird erläutert, dass die Zahlung des Urlaubsentgelts den Arbeitnehmer während seines Jahresurlaubs finanziell in die gleiche Lage versetzen soll wie in den Zeiten geleisteter Arbeit.

Wäre das nicht der Fall, sei zu befürchten, dass der Arbeitnehmer seinen bezahlten Jahresurlaub deshalb nicht nehme, so die Richter. Laut EuGH muss der Arbeitgeber das Entgelt jedoch nur für die Dauer des unionsrechtlich vorgesehenen Mindestjahresurlaubs zahlen und nicht für den längeren Jahresurlaub, der dem Arbeitnehmer nach nationalen Regelungen zustünde.