Überstunden durch Corona: Wie sind sie im Arbeitsrecht geregelt?

Veröffentlicht am in Arbeitsrecht

Die bekannten Arbeitszeitmodelle geraten durch Corona in Bewegung: Während viele Beschäftigte in Kurzarbeit sind oder ihren Arbeitsplatz verloren haben, müssen andere plötzlich viele Überstunden leisten. Gerade im Homeoffice ist die Arbeitszeiterfassung nicht klar geregelt. Im Ausnahmezustand ist Flexibilität gefragt. Doch für Beschäftigte ist es gut zu wissen, wie Überstunden und Mehrarbeit gesetzlich geregelt sind. Müssen Arbeitnehmer überhaupt Überstunden machen und darf der Arbeitgeber Mehrarbeit einseitig anordnen?

In Deutschland sind Überstunden eher die Regel als die Ausnahme. 2019 hat jeder Beschäftigte laut Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, die Forschungseinrichtung der Bundesagentur für Arbeit, im Durchschnitt 23,6 bezahlte und 23,3 unbezahlte Überstunden geleistet. Das sind sechs volle Tage zusätzliche Arbeit für jeden Beschäftigten. Das Gesamtvolumen einspricht 1,9 Milliarden Überstunden und damit rund einer Million Vollzeitstellen.

Unternehmen müssen Überstunden dokumentieren, doch oft ist trotzdem unklar, wie viel Beschäftigte genau arbeiten und ob die geltenden Vorgaben eingehalten werden. Deshalb hat der Europäische Gerichtshof im vergangenen Jahr entschieden, dass Arbeitgeber die tägliche Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter erfassen müssen. Zurzeit wird im Bundesarbeitsministerium ein Referentenentwurf zur Umsetzung erarbeitet.

Was sind Überstunden?

Überstunden sind Zeiten, in denen der Arbeitnehmer über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus für das Unternehmen arbeitet. Überstunden und Mehrarbeit sind nicht dasselbe: Überstunden sind Zeiten der Arbeitsleistung, die über die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinausgehen, während bei Mehrarbeit die gesetzlich zulässige Höchstarbeitszeit überschritten wird.

Wenn im Arbeits- oder Tarifvertrag bzw. der Betriebsvereinbarung entsprechende Regelungen zu finden sind, ist der Arbeitnehmer dazu verpflichtet, Überstunden zu machen. Auch dringende betriebliche Gründe können dazu führen, dass Überstunden zu leisten sind. Sie dürfen aber nicht grundlos verlangt werden. In Ausnahmefällen, etwa wenn Kollegen krank sind, kann eine Anordnung von Überstunden rechtens sein. Lehnt ein Arbeitnehmer Überstunden ab, können eine Abmahnung oder sogar die Kündigung drohen.

Wie viele Überstunden sind maximal zulässig?

Auch längeres Arbeiten hat seine Grenzen. Bei der Anzahl der Überstunden greift das Arbeitszeitgesetz. Demnach darf die tägliche Arbeitszeit maximal von acht auf zehn Stunden verlängert werden. Ausnahmen gelten für bestimmte Berufsgruppen wie Führungskräfte oder Klinikpersonal. Weil der Samstag als Werktag zählt, sind wöchentlich bis zu 60 Stunden inklusive Überstunden möglich. Aber niemand darf gezwungen werden, auf Dauer so lange arbeiten. Laut § 3 des Arbeitszeitgesetzes muss die durchschnittliche Arbeitszeit pro Werktag innerhalb von sechs Kalendermonaten oder 24 Wochen bei acht Stunden liegen.

Wann sind unbezahlte Überstunden rechtens?

Arbeitgeber schreiben gern Klauseln in Arbeitsverträge, denen zufolge Überstunden pauschal mit dem regulären Gehalt abgegolten werden. Das ist erlaubt – aber nur, wenn verbindliche Zahlen genannt werden. Das Bundesarbeitsgericht hat 2011 entschieden, dass Beschäftigte ein Recht darauf haben, bei Vertragsabschluss zu wissen, welche Leistungen sie für einen bestimmten Lohn erbringen müssen. Unklare Formulierungen zum Ausmaß der Überstunden sind daher unwirksam, wenn eine konkrete Stundenzahl fehlt. Zulässig wäre laut DGB Rechtsschutz eine Klausel wie „Mit dem Gehalt sind 15 Überstunden pro Monat abgegolten. Darüber hinaus gehende Stunden sind wie folgt zu vergüten …“

Damit eine Abgeltungsregelung gültig ist, dürfen die unbezahlten Überstunden einen angemessenen Rahmen nicht überschreiten. Dazu gibt es eine Orientierung vom Bundesarbeitsgericht: Es hielt eine Klausel für wirksam, die bei einer Vollzeittätigkeit eine Abgeltung von bis zu 20 Überstunden pro Monat vorsah.

Geld oder Freizeit als Ausgleich

Für Überstunden gibt es in der Regel einen Ausgleich, der entweder zeitlicher oder finanzieller Art sein kann. Dafür treffen Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine einzelvertragliche Vereinbarung, wenn das nicht anderweitig geregelt ist. Liegt keine Vereinbarung vor, müssen Arbeitgeber die geleisteten Überstunden ausbezahlen.

Für Überstunden kann es einen Zuschlag geben oder die Bezahlung erfolgt entsprechend zur Grundvergütung. Oft können Beschäftigte auch wählen, ob sie sich Überstunden vergüten lassen oder einen Freizeitausgleich nehmen. Verweigern können Arbeitgeber die Bezahlung von Überstunden nicht, wenn sie angeordnet oder geduldet wurden. Mitarbeiter können jedoch zum Abfeiern von Überstunden nach Hause geschickt werden, wenn gerade wenig Arbeit anfällt.

Wie können Arbeitnehmer Überstunden nachweisen?

Gerade im Homeoffice verschwimmen oft die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben. Wann die flächendeckende Zeiterfassung in deutschen Unternehmen kommt, ist noch unklar. Bis dahin kann es für Arbeitnehmer schwierig sein, geleistete Überstunden nachzuweisen. Klagen vor den Arbeitsgerichten scheitern oft an fehlenden Belegen. Deshalb sollten Arbeitnehmer ihre Überstunden immer dokumentieren, indem sie Anzahl, Zeitpunkt und Anlass der Überstunden notieren und vom Arbeitgeber abzeichnen lassen. Kommt es zu einer rechtlichen Auseinandersetzung mit dem Arbeitgeber, muss in der Regel jede einzelne Überstunde nachgewiesen werden, die vom Arbeitgeber angeordnet wurde.