Amtspflichtverletzung eines Notars – Schadensersatz bei fehlerhafter Beurkundung

Veröffentlicht am in Bank- und Kapitalmarktrecht

Das Landgericht Berlin hat mit Urteil vom 12.06.2014 (Az.: 84 O 44/13) entschieden, dass ein Notar wegen Verletzung seiner Amtspflicht bei Beurkundung eines Kaufvertrages über eine Eigentumswohnung Schadensersatz leisten muss. Dies umfasst alle Schäden, die aus dem Abschluss des Kaufvertrages und aus dem mit der Deutschen Kreditbank DKB geschlossenen Darlehensvertrag resultieren.

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Klägerin erwarb im Jahre 2006 eine ihr wegen Steuervorteilen als Kapitalanlage angepriesene Eigentumswohnung und nahm zu deren Finanzierung im selben Jahr bei der Deutschen Kreditbank DKB ein Darlehen über 56.940 Euro auf. Die notarielle Beurkundung des Kaufvertrages erfolgte durch den Beklagten. Nach Ansicht des Landgerichts hätte der Notar die Beurkundung jedoch ablehnen müssen und kann nun wegen Verletzung seiner Amtspflicht zur Rechenschaft gezogen werden.

Pflichtverletzung des Notars – Verstoß gegen § 17 Abs. 2a S. 2 Nr. 2 BeurkG

Nach § 17 Abs. 2a S.2 Nr. 2 BeurkG muss der Notar das Beurkundungsverfahren so gestalten, dass der Verbraucher ausreichend Gelegenheit erhält, sich im Vorfeld mit dem Gegenstand der Beurkundung auseinanderzusetzen. Dies ist bei Verbraucherverträgen der Fall, wenn dem Verbraucher der beabsichtigte Text zwei Wochen vor der Beurkundung zur Verfügung gestellt wird. Der Notar hatte aus vorangegangenen Beurkundungen gewusst, dass der für den Verkäufer handelnde Vertreter den Käufern die Verträge regelmäßig nicht rechtzeitig zur Verfügung gestellt hatte. Nach Überzeugung des Gerichts hatte die Klägerin erstmals beim Beurkundungstermin die Möglichkeit, vom Vertragstext Kenntnis zu nehmen.

Auf eine Bestätigung der rechtzeitigen Kenntnisnahme durch die Klägerin im Vertragstext kann sich der Beklagte nicht berufen, da die Klägerin durch den Vorgang der Beurkundung überfordert war und sich offensichtlich nicht mit den konkreten Folgen des Kaufs einer Eigentumswohnung auseinandergesetzt hatte. Die Zwei-Wochen-Frist ist an die Dauer des Widerrufsrechts bei Verbraucherverträgen angelehnt und soll den Verbraucher durch ausreichende Überlegungszeit vor unüberlegtem Handeln schützen. Ein sachlicher Grund für eine Abkürzung dieser Frist war im vorliegenden Fall nicht gegeben.

Der beklagte Notar konnte durch das bloße, zumal sehr schnelle Verlesen des Vertragstextes nicht dafür Sorge tragen, dass sich die Klägerin so ausreichend mit dem Gegenstand der Beurkundung auseinandersetzte, wie es § 17 BeurkG erfordert. Vor allem das sehr unsichere Auftreten der Klägerin während des Notartermins hätte den Notar zu weitergehenden Maßnahmen veranlassen müssen. Somit ist er seinen auferlegten Pflichten im Rahmen der Beurkundung in fahrlässiger Weise nicht ausreichend nachgekommen. Er hätte die Beurkundung abbrechen müssen.

Ersatzfähiger Schaden – Folgen von Kaufvertrag und Darlehensvertrag mit der DKB

Beim ersatzfähigen Schaden handelt es sich vor allem um Kreditverbindlichkeiten, welche der Klägerin durch Aufnahme eines dem Kauf der Eigentumswohnung dienenden Darlehensvertrages bei der Deutschen Kreditbank DKB entstanden sind sowie um Kosten, welche aus der Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens gegenüber der DKB resultieren. Erfasst sind auch solche Kosten, welche in der Zukunft liegen und daher noch nicht beziffert werden können. Entscheidend ist, dass die Klägerin sowohl den Kaufvertrag als auch den Darlehensvertrag mit der DKB nicht abgeschlossen hätte, wenn der Notar die Beurkundung abgebrochen hätte oder aber ihr die entscheidenden Unterlagen rechtzeitig zur Verfügung gestellt worden wären.

Konkret muss der Notar die noch offenen Forderungen der DKB gegen die Klägerin übernehmen, bestehend aus Hauptforderung, Kostenforderung, Zinsforderung und Vorfälligkeitsentschädigung für Rückführung des Darlehens vor Ablauf der Zinsbindungsfrist. Ferner sind verschiedene Anwaltskosten und Gerichtskosten durch den Schadensersatz gedeckt. Ein Mitverschulden der Klägerin kam vorliegend nicht in Betracht.

Bedeutung des Urteils

Dieses Urteil unterstreicht einmal mehr die hohe Brisanz des Verbraucherschutzes. Vorgegeben durch eine Richtlinie der EU haben bereits einige andere Gerichte verbraucherfreundliche Urteile, vor allem im Zusammenhang mit der Rückabwicklung von Verbraucherdarlehensverträgen, gefällt.