Bunt sind schon die Wälder, gelb die Stoppelfelder … Es ist nicht mehr zu übersehen: Der Herbst ist da, die Blätter färben sich – und fallen zu Boden. Was den einen erfreut und zu poetischem Schwelgen animiert, ist dem anderen ein Dorn im Auge. Denn Blätter haben es so an sich, dass sie sich nicht um Gartenzäune oder andere Grundstücksgrenzen scheren. Sie landen einfach unbekümmert, wo es ihnen gefällt oder wo der Herbstwind sie hinweht. Nicht wenige Nachbarn betrachten die bunte Pracht dann ganz prosaisch als Dreck, dessen Beseitigung viel Arbeit macht. Und ein Nachbar war so erzürnt, dass sich der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe mit dem Thema befassen durfte.
Und der hat am 20. September entschieden: Nachbarn müssen Laub, Pollen und andere „natürliche Immissionen“ von Bäumen auf ihrem Grundstück in der Regel hinnehmen, wenn die landesrechtlichen Abstandsgrenzen eingehalten werden (Urt. v.20.09.2019, Az. V ZR 218/18). Der wütende Nachbar kann also nicht verlangen, dass Bäume gefällt werden, nur um ihm das lästige Laubharken zu ersparen.
Im baden-württembergischen Heimsheim hatte ein Grundstückseigentümer von seinem Nachbarn verlangt, drei gesunde Birken auf dessen Grundstück zu entfernen. Alternativ sollte er jedes Jahr von Juni bis November monatlich 230 Euro an ihn zahlen.
Drei Birken, drei Gerichte
Der Fall ging durch alle Instanzen: Während das Landgericht (LG) Karlsruhe den beklagten Nachbarn zur Beseitigung der Birken verdonnert hatte, gab der BGH seiner Revision jetzt statt. Damit stellte es das klageabweisende Urteil des Amtsgerichts (AG) Maulbronn wieder her.
Das Landgericht sah in dem Fall einen Konflikt zwischen den Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) und dem Landesrecht: Der Landesgesetzgeber nehme dem Nachbarn Rechte, die sich aus § 1004 Abs. 1 BGB ergeben. Der BGH sah das anders: Es stelle sich zunächst die (Vor-)Frage, ob ein Grundstückseigentümer für natürliche Immissionen überhaupt verantwortlich ist. Falls das nicht so sei, bestehe auch kein Konflikt zwischen den Regeln des BGB und dem Landesrecht.
Störungen durch Naturereignisse
Bei Störungen, die durch Naturereignisse ausgelöst würden, sei entscheidend, ob sich die Nutzung des Grundstücks, von dem die Beeinträchtigungen ausgehen, im Rahmen ordnungsgemäßer Bewirtschaftung halte. Davon müsse in der Regel ausgegangen werden, wenn die für die Anpflanzung bestehenden landesrechtlichen Abstandsregelungen eingehalten würden.
Kommt es trotz Einhaltung der Abstandsgrenzen zu natürlichen Immissionen auf dem Nachbargrundstück, ist der Eigentümer des Grundstücks dafür regelmäßig nicht verantwortlich, so der BGH. Dafür sprechen nach Auffassung des V. Zivilsenats auch die §§ 907, 910 BGB und die Gesetzesmaterialien zu diesen Vorschriften.
Den Antrag auf eine Entschädigung lehnte der BGH folglich ebenfalls ab. Weil der Eigentümer der Birken sich an alle Regeln gehalten habe und für die Beeinträchtgungen nicht verantwortlich sei, komme auch kein Ausgleichsanspruch nach § 906 BGB in Betracht.
Die drei Birken können sich also freuen: Der BGH hat ihnen die Todesstrafe erspart –und sehr wahrscheinlich dürfen jetzt auch zahllose andere Laubbäume weiterhin im Herbst ihre Blätter abwerfen, ohne eine Strafverfolgung befürchten zu müssen.