Berlin – Das von Horst Seehofer (CSU) geführte Bundesinnenministerium hält den Berliner Mietendeckel für verfassungswidrig. Die Stadt will mit dem geplanten Gesetz überhöhte Mietpreise verhindern. Doch der Senat dürfe keine solchen Gesetze erlassen, verstoße damit gegen das Grundgesetz. Das Land Berlin sei „kompetenzrechtlich gehindert“, Gesetze zur Mietenbegrenzung erlassen, argumentiert der parlamentarische Staatssekretär Marco Wanderwitz (CDU) in einer Mail an den Berliner CDU-Bundestagsabgeordneten Kai Wegner.
Die Mietpreisbegrenzung sei bereits durch den Bund „umfassend und abschließend geregelt“ worden, etwa 2015 durch die Mietpreisbremse, zitiert die Berliner Morgenpost das Ministerium. Laut Mietpreisbremse darf die Miete in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten bei Neuverträgen die ortsübliche Vergleichsmieteum nur um maximal zehn Prozent übersteigen.
Verstoß gegen die Kompetenzordnung
Der Mietendeckel würde gegen die bundesstaatliche Kompetenzordnung verstoßen. Solche Entscheidungen des zuständigen Bundesgesetzgebers dürften nicht durch Einzelentscheidungen eines Landes „verfälscht werden“. Daher hätten die Länder in diesen Fällen keine Gesetzgebungskompetenz.
Die Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen äußerte sich wie folgt zum Vorwurf des Verfassungsbruchs: „Allen Beteiligten war von Anfang an bewusst, dass sie juristisches Neuland betreten. Am Ende wird ein Gericht entscheiden, ob der Mietendeckel Bestand hat.“
Einzelne Punkt ebenfalls fragwürdig
Nach Ansicht der Juristen im Bundesinnenministerium sind zudem einzelne Punkte des geplanten Berliner Mietendeckel-Gesetzes problematisch. Der Gesetzentwurf greife in die Eigentumsfreiheit der Wohnungseigentümer ein, heißt es in der Mail weiter. Vom geplanten Mietenstopp würden alle Vermieter ohne Unterschied erfasst und steigende Preise der Instandhaltung nicht berücksichtigt.
Auch der Wissenschaftliche Dienst des Berliner Abgeordnetenhauses hatte bereits festgestellt, dass das rückwirkende Einfrieren der Mieten auf dem Niveau vom 18. Juni 2019 aus rechtsstaatlichen Gründen bedenklich sei.
Berliner Wohnungswirtschaft rebelliert
Der einflussreiche Wohnungsverband BFW hat jetzt den Dialog mit Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke) vorerst abgebrochen. Das turnusmäßige Gespräch zwischen Bauwirtschaft, Wohnungsverbänden, Handwerk und Industrie und Lompscher zur „Lage der Berliner Bauwirtschaft“ vor Einführung des Mietendeckels, das für den 18. November geplant war, wurde abgesagt.
Laut Senat ist die Absage aus „Termingründen“ erfolgt. Doch der Tagesspiegel berichtet, dass die schriftliche Absage des BFW für ein Zerwürfnis spricht. Für die Chefin des Landesverbands, Susanne Klabe, kommt die Einladung zum Dialog zu spät. Ihr Verband habe bereits alles gesagt, doch Senatorin Lopscher habe die Einwände ignoriert.
Der BFW habe längst deutlich gemacht, dass sich bereits mit der Ankündigung des Mietendeckels Unternehmen gegen Investitionen entschieden hätten. Die Ausführungen seien ergebnislos geblieben. Bei Überlegungen zu einem neuen Gesetzesvorhaben hätte ein ernsthafter Dialog mit der Branche „auf Augenhöhe“ zu den Folgen des Mietendeckels der erste Schritt sein müssen. Der Brief schließt mit den Worten: „Angesichts dieser Erfahrungen sehen wir zur Zeit keinen Raum für Gespräche.“
Auch Genossenschaften unterbrechen Gespräche
Selbst die Berliner Genossenschaften brechen den Dialog mit Senatorin Lompscher vorerst ab. Bislang haben fünf „Wohnungsgenossenschaftliche Dialoge“ mit Lompscher stattgefunden – mit dem Ziel, mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. „Wenn wir mehr tun sollen, brauchen wir baureife Grundstücke, aber bisher hat der Senat nicht eins bereit gestellt“, so Thomas Kleindienst, Chef der „Wohnungsgenossenschaft Lichtenberg“ gegenüber dem Tagesspiegel.
Er wolle sich nicht mehr „instrumentalisieren lassen“. In Lichtenberg hat die Genossenschaft kürzlich 107 Wohnungen am Weißenseer Weg fertiggestellt. Eine weitere Baufläche steht bereit. „Aber wir bauen erst mal nicht wegen der Mietenfräse“, wie er den Mietendeckel nennt. Die Mieten von Neubauten würden zwar nicht begrenzt. „Aber in ein paar Jahren fallen sie vielleicht auch unter den Deckel“ und würden defizitär. Dieses Risiko könne er gegenüber den Mitgliedern nicht vertreten.
Folgenreiches Ende des Dialogs
Ein Ende des Dialogs zwischen Senatorin und Branche hätte gravierende Folgen: Um den Neubau von Wohnungen zu forcieren, müssen die Beteiligten in Politik und Baubranche an einem Strang ziehen. Der Mietendeckel behindert schon jetzt den Wohnungsbau: So ist die Zahl der Baugenehmigungen im September im Vergleich zum Vorjahresmonat um satte 40 Prozent zurückgegangen.
Der Berliner CDU-Bundestagsabgeordneten Kai Wegner kritisiert: „Rot-Rot-Grün produziert ein verfassungswidriges Gesetz mit Ansage.“ Wenn ein Gericht den Mietendeckel später kippen würde, drohe Chaos. Auf die Mieter kämen hohe Nachzahlungen zu und Berlin wäre über Jahre ohne einen rechtssicheren Mietspiegel. Schon jetzt richte das geplante Gesetz Schaden an, weil Mieten erhöht und Sanierungen zurückgestellt würden.
Die im Auftrag von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) mitgeteilte Einschätzung, der Mietendeckel sei verfassungswidrig, ist von besonderer Bedeutung. Als sogenanntes Verfassungsressort ist das Innenministerium für die Einhaltung der Rechtsordnung nach dem Grundgesetz zuständig.