Schattenmieten: Wie Vermieter den Mietendeckel umgehen wollen

Veröffentlicht am in Immobilien- und Mietrecht

Seit Ende Februar 2020 gilt in Berlin das Mietendeckel-Gesetz. Mit dem Inkrafttreten des Mietendeckels wurden die Mieten auf dem Stand vom 18. Juni 2019 eingefroren. Für Neuvermietungen gelten strenge Obergrenzen. Das Gesetz zeigt mittlerweile erste Wirkungen, aber vieles ist noch ungeklärt. In dieser Phase versuchen Vermieter zu tricksen, indem sie im Kleingedruckten der Mietverträge einen zweiten Mietpreis angeben. Diese „Schattenmiete“ soll fällig werden, falls das Bundesverfassungsgericht den Mietendeckel kippt. Aber ist so ein Vorgehen legal?

Eine Wohnung – zwei Mietpreise

In Berliner Mietverträgen finden Neumieter derzeit verschiedene Mietpreise – eine offizielle Miete und eine Miete, die dem Mietendeckel-Gesetz entspricht. Im Kleingedruckten des Vertrags liest sich das dann etwa so: „Solange und soweit das Gesetz zur Mietbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin gilt, ist der Mieter zur Zahlung von monatlich XXX Euro verpflichtet.“ Der Mietendeckel legt – gestaffelt nach Baujahr und Ausstattung einer Wohnung – Mietobergrenzen fest.

Wohnungssuchende haben dann oft keine andere Wahl, als den Vertrag mit den zwei Mietpreisen zu unterzeichnen: der zulässigen und derzeit gültigen Miete und der Wunschmiete des Vermieters, auch Schattenmiete genannt. Vermieter weisen dann im Vertrag darauf hin, dass die Differenz nachzuzahlen ist, falls das Mietendeckel-Gesetz für verfassungswidrig erklärt wird.

Ist eine Schattenmiete zulässig?

Der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Reiner Wild, kennt den Trick der Vermieter: „Mit dem Konzept der Schattenmiete arbeitet ein sehr großer Teil der Vermieter.“ Kein Wunder, denn der Eigentümerverband Haus & Grund hatte seinen Mitgliedern diese Strategie empfohlen. So versuchen Vermieter, den Mietendeckel zu umgehen. Der zusätzliche Betrag soll als Schattenmiete auf andere Weise gezahlt werden, zum Beispiel auf ein Treuhandkonto.

Ob Vermieter mit der Forderung einer Schattenmiete vor Gericht durchkommen, ist umstritten. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hält es grundsätzlich für rechtlich zulässig, eine höhere Miete in den Vertrag aufzunehmen.

Gaby Gottwald, Linke-Wohnungspolitikerin im Berliner Abgeordnetenhaus, sieht das anders: Das Gesetz verbiete es, eine Miete zu vereinbaren, die die zulässige Höhe überschreitet – selbst dann, wenn sie derzeit nicht gefordert werde. „Die Schattenmieten sind ein organisierter Versuch der Immobilienwirtschaft, den Mietendeckel zu unterlaufen. Es ist aber laut Gesetz verboten, solche Mietverträge vorzulegen«, so Gottwald. „Diese Vermieter nehmen vorweg, dass der Mietendeckel vom Bundesverfassungsgericht komplett gekillt wird.“ Davon gehe sie nicht aus.

Mehr als 90 Prozent der Mieten über der Obergrenze

Das Handelsblatt schreibt, dass laut dem Portal Immobilienscout24 derzeit rund 93 Prozent der in Berlin angebotenen Bestandswohnungen über den Obergrenzen des Mietendeckels liegen. Die genannten Mietpreise überschreiten die zulässige Höhe im Schnitt um 5,80 Euro pro Quadratmeter. Man weiß allerdings nicht, ob die Wohnungen dann nicht doch zum rechtlich zulässigen Preis vermietet werden. Der aufgerufene höhere Preis in den Annoncen dient womöglich nur dazu, eine Klientel anzuziehen, die auch die Schattenmiete bezahlen könnte, vermutet Rainer Wild vom Berliner Mieterverein.

„Ein Inserat stellt noch keine konkrete Mietforderung dar. Daher liegt hier auch keine Ordnungswidrigkeit gegen den Mietendeckel vor“, erklärt Christian Schede, Partner der Wirtschaftskanzlei Greenberg Traurig, das Phänomen der Schattenmiete. Eine Ordnungswidrigkeit, für die bis zu 500.000 Euro Bußgeld drohen, begeht nur, wer vom Mieter tatsächlich eine höhere Miete verlangt.

Bestandsmieten können ab Dezember gesenkt werden

Der Berliner Mieterverein berät seine Mitglieder zurzeit vor allem hinsichtlich der Mieterhöhungen, die zwischen dem Stichtag 18. Juni und dem Inkrafttreten des Gesetzes ausgesprochen wurden. Einige Mieter, die ihre Zustimmung verweigert hatten, wurden von ihren Vermietern verklagt. Die Amtsgerichte geben in der Regel Mehrzahl den Mietern recht und urteilen im Sinne des Mietendeckel-Gesetzes: Die vertraglich fixierte Miete darf zum Stichtag 18. Juni nicht überschritten werden. Es steht aber noch eine Entscheidung des Landgerichts aus. Jedenfalls gib es laut Wild seit Inkrafttreten des Gesetzes kaum noch Mieterhöhungen: „Das scheinen die Vermieter zu akzeptieren.“

Ab Dezember 2020 sind Mietsenkungen in bestehenden Verträgen möglich. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, die die Einhaltung dieser Regelung überwachen soll, erwartet hier die meisten Streitfälle und stellt dafür demnächst neues Personal ein.

Für alle Mieter, deren Mieten nach dem Stichtag im Juni 2019 erhöht wurden, gilt dann laut Mietendeckel wieder die alte, zum Stichtag fällige Miete. „Auch für Mieter, die der Mieterhöhung zuvor zugestimmt hatten, ist nun nur noch die Nettokaltmiete zu zahlen, die noch am 18. Juni galt“, erklärt Wild. Mieter können dann einfach weniger überweisen, wenn der Vermieter keine Herabsetzung mitteilt.

Bundesverfassungsgericht entscheidet über Mietendeckel

Es bleibt allerdings das Restrisiko einer juristischen Auseinandersetzung mit dem Vermieter. Eine Alternative besteht darin, überhöhte Mieten beim Bezirksamt zu melden oder die Senkung der Miete gerichtlich durchzusetzen.

Wild empfiehlt Mietern, das eingesparte Geld zunächst beiseite zu legen. Verschiedene Politiker haben auf Landesebene in Berlin und auch auf Bundesebene gegen den Mietendeckel geklagt. Bundestagsabgeordnete von CDU/CSU und FDP haben beim Bundesverfassungsgericht eine Normenkontrollklage eingereicht. Die Verfassungsrichter sollen prüfen, ob das Land Berlin überhaupt die Kompetenz hat, ein Mietendeckel-Gesetz zu erlassen. Ob und wie lange der Berliner Mietendeckel Bestand haben wird, müssen jetzt die Gerichte entscheiden.