AG Reutlingen könnte Facebook Account eines Angeklagten beschlagnahmen

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Womöglich ist ein schwäbischer Amtsrichter gerade dabei, Geschichte im Bereich des Online-Rechts zu schreiben. Er hat den Facebook Account eines Angeklagten beschlagnahmen lassen.

AG Reutlingen könnte Facebook Account eines Angeklagten beschlagnahmenIm Hinblick auf die Beschlagnahme eines E-Mail-Accounts kann der Richter grundsätzlich nicht einfach alle E-Mails beschlagnahmen lassen. Für die Beschlagnahme gelten strenge Vorschriften. Eine Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2009 begründete das so genannte „Übermaßverbot“. Demnach verstößt die Anordnung der Beschlagnahme des gesamten auf dem Mailserver des Providers gespeicherten E-Mail-Bestandes eines Beschuldigten gegen das Übermaßverbot (BGH: Beschluss vom 24.11.2009 – StB 48/09 (a)). Das Übermaßverbot besagt also, dass im Hinblick auf die Beschlagnahme von Mails grundsätzlich eine Einschränkung vorgenommen werden muss. Um dem Übermaßverbot zu entsprechen, müsse man die Suche etwa auf Mails beschränken, die mit einem mutmaßlichen Täter ausgetauscht wurden, oder die bestimmte Wörter enthalten, die einen Verdacht begründen könnten. Das Übermaßverbot findet auch auf einen Social Media Account Anwendung.

Sachverhalt

Der Sachverhalt zu diesem Fall ist recht knapp und eigentlich auch wenig spektakulär. Der Angeklagte im Prozess ist ein 20-Jähriger, der angeblich über Facebook einem Freund einen entscheidenden Tipp für einen Einbruch gegeben haben soll. Der Angeklagte nennt sich auf Facebook „Al Capone“. Die Ermittler vermuten, dass der Angeklagte über Facebook wichtige Informationen für den Einbruch in ein Wohnhaus an einen Freund weitergeleitet hat. Dies wäre der entscheidende Beweis; daher hat der Richter den Account beschlagnahmen lassen.

Facebook als Beweismittel im Prozess?

Vor Jahren noch kaum vorstellbar, könnte nun der entscheidende Moment gekommen sein, dass Facebook in vielen zukünftigen Prozessen eine wichtige Rolle spielen wird. Zwar spiele Facebook bislang schon bei vielen Ermittlungen eine Rolle, jedoch beschränkte sich die Suche nach Beweisen nur auf das, was öffentlich zugänglich ist. Schreiben sich Facebook-Nutzer untereinander Nachrichten, so bleiben diese für die Strafverfolgungsbehörden verborgen.

In den USA sei dieses jedoch schon längst „gang und gäbe“. Dort sei es nicht außergewöhnlich, dass Ermittler oder sogar Anwälte Zugriff auf solche Daten bei sozialen Netzwerken erwirken.

Fraglich ist nun, wie in Deutschland ein solches Vorgehen gehandhabt wird. Zunächst einmal kann im Hinblick auf E-Mails gesagt werden, dass es vorkommt, dass E-Mail-Accounts beschlagnahmt werden. Dies ist jedoch sehr aufwendig, daher ist eine solche Praxis eher selten. Die deutschen Provider zeigen sich hier auch sehr kooperativ – es sei denn, der Provider befindet sich im Ausland, denn dann ist eine solche Beschlagnahme fast unmöglich.

Im Hinblick auf Facebook ist dies genau das Problem. Sie haben zwar eine Stelle in Deutschland, doch diese ist nicht mit der Verarbeitung von Daten befasst. Nur in Irland hätte man Zugriff auf die Daten des Angeklagten. Dies bedeutet, dass sich alle Richter in der EU an Facebook in Dublin wenden müssen. Der Richter ging folglich einen Schritt weiter:

„Irland ist Europa, das ist nicht so weit weg.“AG Reutlingen könnte Facebook Account eines Angeklagten beschlagnahmen

Er schickte also ein Rechtshilfeersuchen nach Irland, damit sie seinen Beschlagnahmebeschluss der Facebook-Europazentrale rechtsverbindlich zustellen. Allerdings kostet dies viel Geld und ferner viel Zeit.

Der Richter hoffte jedoch darauf, dass der Angeklagte sein Account freiwillige offen legt, ansonsten müsse der Angeklagte mit sehr hohen Kosten rechnen. Dies hat der Angeklagte dann auch zum Prozessauftakt angekündigt. Allerdings wird erstmal im Prozess nicht viel passieren. Damit der Angeklagte seine Daten herausgeben kann, muss aus Irland eine offizielle CD von Facebook bestellt werden, damit diese auch dann im Prozess juristisch verwertet werden kann. Wie lange das allerdings dauert wird, ist noch unklar.

Abschließend gilt noch zu erwähnen, dass immer mehr Menschen über Facebook kommunizieren und dieser Fall kein Einzelfall bleiben wird. Diese Fälle werden die Justiz auch in Zukunft stärker beschäftigen und es bleibt abzuwarten, welche Maßnahmen sie ergreifen werden.