Besteht ein Schutz gegen Produktnachahmungen ohne eingetragenes Schutzrecht?

Veröffentlicht am in Medienrecht

Das OLG Frankfurt hat mit seinem Urteil vom 01.12.2012 gezeigt, dass in bestimmten Fällen die Bekanntheit eines Produktes besser vor Nachahmungen schützen kann als ein Schutzrecht selbst (Urteil OLG Frankfurt vom 01.12.2011, Az.: 6 U 251/10).

Sachverhalt:

Die Klägerin ist Herstellerin hochpreisiger Modeartikel wie z.B. Handtaschen. Die Beklagte ist Betreiberin deutschlandweiter Kaufhäuser. Im Sommer 2009 bot die Beklagte eine bestimmte Handtasche an. Die Klägerin hat in dem Vertrieb der Tasche eine unlautere Rufausbeutung bzw. Rufschädigung i.S.v. § 4 Nr. 9 b) UWG und eine Behinderung des Absatzes ihrer eigenen Tasche gesehen.

Entscheidung:

Das LG hat sich nicht der Auffassung der Klägerin angeschlossen. Nach Ansicht des Gerichts komme der Tasche der Klägerin keine wettbewerbliche Eigenart zu. Dies ergebe sich weder aus dem Flechtmuster noch aus der Grundform, die allgemein üblich sei. Des Weiteren stehe der Annahme einer wettbewerblichen Eigenart entgegen, dass die Klägerin jährlich nur ca. 150 Exemplare verkaufe und kein hinreichender Grad der Übernahme der Merkmale der Tasche durch die Beklagte vorhanden sei. Es werde lediglich eine Assoziation hervorgerufen, die aber nicht für die Annahme einer Rufausbeutung oder -schädigung i.S.v. § 4 Nr. 9b) UWG ausreiche. Ein Geschmacksmuster besaß die Klägerin auch nicht. Sie ist daraufhin in die Berufung gegangen – mit Erfolg.

Das OLG hat entschieden, dass der Vertrieb mit der angegriffenen Ausführungsform unlauter i.S.d. § 4 Nr. 9b) UWG ist, weil dies eine unzulässige Ausbeutung des Rufs des Taschenmodells der Klägerin darstellt. Die Beklagte ist nach §§ 3 Absatz 1, 4 Nr. 9b), 8 Absatz 3 Nr. 1 UWG zur Unterlassung verpflichtet. Das Gericht hat festgestellt:

„Der Vertrieb eines nachgeahmten Erzeugnisses ist wettbewerbswidrig, wenn das Erzeugnis von wettbewerblicher Eigenart ist und besondere Umstände hinzutreten, die seine Nachahmung als unlauter erscheinen lassen…“ 

Ferner hat das Gericht ausgeführt:

„Wettbewerbliche Eigenart wiederum liegt vor, wenn die konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale eines Erzeugnisses geeignet sind, die angesprochenen Verkehrskreise auf die betriebliche Herkunft oder die Besonderheiten des Erzeugnisses hinzuweisen. […] Dabei genügt es, wenn der angesprochene Verkehr aufgrund der Ausgestaltung oder der Merkmale des Erzeugnisses die Vorstellung gewinnt, das Erzeugnis könne wohl nur von einem bestimmten Hersteller oder einem mit diesem verbundenen Unternehmen stammen (BGH, „Gartenliege“, a. a. O., Tz. 16, 23).“

Das Gericht stellt im Ergebnis allein auf die Bekanntheit der Tasche und das Ausnutzen von deren Wertschätzung ab:

„Eine Ausnutzung der Wertschätzung liegt vor, wenn die angesprochenen Verkehrskreise die Wertschätzung für das Original („guter Ruf“, „Image“) auf die Nachahmung übertragen (sog. „Imagetransfer“, vgl.: Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Aufl., § 4 Rd 9.53). Dies kann auch dann der Fall sein, wenn zwar nicht der Käufer, wohl aber das Publikum, das bei den Käufern die Nachahmungen sieht, zu der irrigen Annahme über die Echtheit verleitet wird, weil es an einem hinreichenden Abstand zwischen Original und Nachahmung fehlt.“

Vorliegend sah das Gericht zwar nicht wegen des Preises, wohl aber wegen der Gemeinsamkeiten der beiden Taschen bei dem Publikum die Gefahr einer Täuschung über die Echtheit. Ein wesentlicher Unterschied bestehe natürlich auch bei dem jeweils verwendeten Material, das einem allerdings nicht sofort auffällt. Das Publikum wird die Taschen von Passantinnen jedoch regelmäßig nicht anfassen, um dies zu überprüfen.

Gegen das Urteil wurden mittlerweile Rechtsmittel eingelegt. Zur Zeit ist der Rechtsstreit beim BGH anhängig (Az.: I ZR 235/11).

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