Bundesverfassungsgericht setzt enge Grenzen: Journalisten dürfen unwahre Tatsachenbehauptungen verbreiten

Veröffentlicht am in Medienrecht

Unter sehr engen Voraussetzungen darf es Journalisten nicht verwehrt werden, unwahre Tatsachenbehauptungen zu verbreiten. Dies ergibt sich aus einer veröffentlichten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschl. v. 28.06.2016, 1 BvR 3388/14). Ausgangspunkt des Verfahrens war ein Bericht in der Zeitung „Die Welt“. Darin hieß es, dass die ehemalige deutsche Leichtathletin Grit B. im Jahre 1985  im Alter von nur 13 Jahren von ihrem damaligen Trainer das verbotene Dopingmittel Oral-Turinabol verabreicht bekommen hat.

Das zunächst angerufene Landgericht hat nach einer Beweisaufnahme der Unterlassungsklage stattgegeben und „Die Welt“ dazu verurteilt, die Äußerung nicht nochmals zu wiederholen. Das Gericht hatte angeführt, dass die Wahrheit einer Tatsachenbehauptung, die dazu geeignet ist, sich abträglich auf das öffentliche Ansehen einer Person auszuwirken, von demjenigen zu beweisen ist, der die Behauptung aufstellt. Das heißt regelmäßig von dem Presseorgan und den angestellten Journalisten. Insoweit wird die Beweislastumkehrregel aus dem § 186 StGB in das Zivilrecht übertragen. Das Landgericht Hamburg stellte fest, dass „Die Welt“ die Tatsachenbehauptung nicht beweisen konnte und die Äußerung daher prozessual als unwahr zu gelten habe.

An Verbreitung unwahrer Tatsachenbehauptungen besteht kein öffentliches Interesse

Grundsätzlich ist auch die Verbreitung von Tatsachen von der Meinungsäußerungsfreiheit geschützt, wenn und soweit diese einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung darstellen können. Auf die Meinungsäußerungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG könne sich „Die Welt“ schon daher nicht berufen, da an der Verbreitung einer unwahren Tatsachenbehauptung kein berechtigtes Interesse bestehen könne.

Diese Auffassung des Landgerichts Hamburg kritisierte das Bundesverfassungsgericht mit deutlichen Worten: Allein weil „Die Welt“ ihre Behauptungen nicht beweisen konnte, heiße es nicht automatisch, dass die Behauptungen auch unwahr gewesen sein müssen und daher das Persönlichkeitsrecht der Klägerin überwiegen müsse.

Journalisten müssen sorgfältig recherchieren

Das Bundesverfassungsgericht stellt jetzt fest: Journalisten dürften danach unter bestimmten Umständen auch eine möglicherweise unwahre Tatsachenbehauptung aufstellen und verbreiten, wenn sie im Vorfeld hinreichend sorgfältige Recherchen über den Wahrheitsgehalt angestellt haben. Dabei dürfen die Fachgerichte jedoch keine überspannten Forderungen an Journalisten stellen, die diese davon abhalten könnten, ihren Beruf auszuüben. Je schwerwiegender aber auch der Vorwurf ist, mit dem sich das Medienorgan an die Öffentlichkeit wendet, umso höher sind die Anforderungen an die Recherchen.

Auf unsichere Recherche-Ergebnisse muss hingewiesen werden

Gelangt der Journalist trotz eigener Nachforschungen zu dem Ergebnis, dass sich die Wahrheit seiner aufgestellten Behauptung dennoch nicht beweisen lässt, oder kontrovers beurteilt wird, muss im Text darauf hingewiesen werden, dass sich der Vorwurf trotz eigener Recherchen nicht beweisen lässt.

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