Handyentsperrung durch die Polizei – ein Fall aus der Praxis
Stellen wir uns vor: Die Polizei steht wegen eines schwerwiegenden Verdachts vor der Tür und will deine Wohnung durchsuchen. Sie finden dein Smartphone, vermuten darauf wichtige Beweise – aber es ist durch deinen Fingerabdruck gesichert. Was dürfen die Ermittler tun, wenn du dich weigerst, das Handy freiwillig zu entsperren? Dürfen sie deinen Finger notfalls mit Gewalt auf das Gerät drücken?
Genau dazu hat der Bundesgerichtshof (BGH) im März 2025 ein viel beachtetes Urteil gesprochen, das für Aufsehen sorgt. Was dahintersteckt und was das für alle Bürgerinnen und Bürger bedeutet, erklären wir euch hier möglichst verständlich.
Was ist passiert?
In dem Fall hatte die Polizei nach einem richterlichen Durchsuchungsbeschluss bei einem Mann durchsucht, der verdächtigt wurde, gegen ein Berufsverbot und im Zusammenhang mit Kindermissbrauchsdelikten gehandelt zu haben. Sie fanden sein Smartphone – es war per Fingerabdruck geschützt. Da der Mann nicht freiwillig entsperren wollte, ordnete ein Polizeibeamter an, dass sein Finger mit Gewalt auf den Sensor gedrückt wird. Das Handy war offen – und die Polizei fand wichtige Beweismittel.
Der Mann und sein Anwalt waren empört: Sie meinten, dafür gäbe es keine rechtliche Grundlage, es werde das Grundrecht auf Selbstbestimmung verletzt und die Beweise seien unverwertbar. Der Fall landete schließlich beim BGH.
Was hat der BGH entschieden?
Der Bundesgerichtshof entschied: Ja, die Polizei darf in solchen Fällen den Finger des Beschuldigten mit Gewalt auf den Scanner legen und so das Handy entsperren.
Wichtig: Vorausgesetzt, es gibt einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss, aus dem klar hervorgeht, dass nach dem Handy und den darauf gespeicherten Beweisen gesucht wird. Außerdem muss die Maßnahme im Verhältnis zum Tatverdacht stehen, also verhältnismäßig sein.
Warum ist das erlaubt?
Das Gericht argumentierte, dass § 81b Strafprozessordnung („Erkennungsdienstliche Maßnahmen“) solche Zwangsmaßnahmen grundsätzlich erlaubt. Der Paragraph war zwar ursprünglich gar nicht für digitale Geräte gemacht, sondern für klassische Dinge wie Fingerabdruck- oder Lichtbildaufnahme – der BGH meint aber, man könne das „technikoffen“ verstehen und neue Methoden darunterfassen.
Das Gericht sagt außerdem: Dich zu zwingen, deinen Finger als „Schlüssel“ zu benutzen, ist keine unzulässige aktive Mitwirkung, sondern nur etwas zu dulden – so wie bei einer Blutabnahme. Du musst nicht sprechen, kein Passwort verraten oder dich sonst irgendwie verraten. Das Recht, sich nicht selbst belasten zu müssen („nemo tenetur“), bleibt also geschützt.
Was bedeutet das für mich?
– Polizei & Fingerabdruck: Die Polizei darf dich zwingen, mit deinem Finger das Handy zu entsperren, wenn sie einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss hat und es um ein starkes Delikt geht.
– Kein Passwortzwang: Das gilt NICHT für Passwörter oder PINs – die darfst (und musst) du NICHT herausgeben, selbst wenn die Polizei dich auffordert.
– Gründe & Verhältnismäßigkeit: Die Polizei darf das nicht bei jeder Kleinigkeit machen, sondern nur, wenn Beweise auf dem Handy wirklich wichtig sein könnten – und ein Richter muss vorher zustimmen (Ausnahme: äußerste Eilfälle).
– Deine Daten: Dein Handy ist trotzdem kein rechtsfreier Raum, aber der Staat kann nicht „einfach so“ alles durchsuchen. Je schwerwiegender der Verdacht, desto mehr Eingriffe sind erlaubt.
– Diskussionen: Viele Juristen und Datenschützer finden diese Entscheidung kritisch: Sie fragen, ob ein fast 100 Jahre altes Gesetz wirklich für Handys passt und ob der Schutz deiner persönlichen Daten ausreichend beachtet wird. Der BGH findet: Aktuell reicht das so – der Gesetzgeber könnte aber nachbessern.
Fazit
Künftig kann die Polizei, wenn die richtigen Voraussetzungen erfüllt sind, dein Handy zwangsweise per Fingerabdruck entsperren. Das betrifft vor allem schwere Straftaten und setzt eine richterliche Durchsuchungsanordnung voraus.
Wie immer gilt: Wer betroffen ist, sollte frühzeitig rechtliche Beratung suchen und in solchen Situationen keine Passwörter preisgeben. Die Rechtslage entwickelt sich im Bereich Digitales rasant – diese Entscheidung ist ein wichtiger, aber nicht der letzte Schritt.