Warum ich als Nebenklägervertreter aus Magdeburg über den Prozess berichten muss
Am Dienstag, den 4. November 2025, beginnt vor dem Landgericht Magdeburg der Prozess gegen Taleb Al Abdulmohsen mit dem Aktenzeichen : 21 Ks 4/25
Ich werde zwei Nebenklägerinnen vertreten. Normalerweise halte ich mich an einen Grundsatz: Als Strafverteidiger berichte ich nicht über laufende Verfahren. In diesem Fall mache ich eine Ausnahme. Ich glaube, das hat für meine Mandantschaft den größten Mehrwert.
Die Nebenklage ist die formelle Beteiligung des Geschädigten oder seines Rechtsnachfolgers an der öffentlichen Anklage der Staatsanwaltschaft in einem deutschen Strafverfahren, wodurch dieser eigene prozessuale Rechte erhält.
Dieser Prozess muss Fragen über die Schuld des Einzeltäters hinaus beantworten. Es muss geklärt werden, ob die Bundesrepublik Deutschland, das Land Sachsen-Anhalt und die Stadt Magdeburg alles getan haben, um ihre Bürger zu schützen.
Meine Mandantinnen – schwer verletzte Opfer des Anschlags auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt vom 20. Dezember 2024 – haben als Betroffene und als Steuerzahlerinnen ein Recht auf diese Antworten.
Taleb Al Abdulmohsen Zahlen und Warnzeichen
Über 100 Mal befassten sich deutsche Sicherheitsbehörden mit Taleb Al Abdulmohsen. Sechs Bundesländer – in allen waren Sicherheitsbehörden mit ihm befasst. Mehr als ein Jahr lang warnte der saudische Geheimdienst den BND mehrfach vor diesem Mann und seinen öffentlichen Drohungen in sozialen Netzwerken. Diese Hinweise wurden an das Bundeskriminalamt und das Landeskriminalamt Sachsen-Anhalt weitergeleitet, dort jedoch nicht als konkrete akute Gefahr eingestuft.
2006 kam er als Gastarzt mit Visum nach Deutschland.
2013 die erste Verurteilung – 90 Tagessätze wegen Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten.
2014 folgte eine polizeiliche Gefährderansprache nach Drohungen.
2016 erhielt er Asyl als politischer Flüchtling.
Zwischen 2023 und 2024 liefen diverse Ermittlungsverfahren.
Und dennoch: Am 20. Dezember 2024 raste dieser Mann über den Magdeburger Weihnachtsmarkt (Polizeieinsatz und Fahrstrecke konkret).
Jedes dieser Daten hätte ein Warnsignal sein können. Alle zusammen ergeben ein Muster, das nicht hätte übersehen werden dürfen?
Der Untersuchungsausschuss zum Magdeburger Anschlag
Der Untersuchungsausschuss entsendet bis zu sechs Ausschussmitglieder als Beobachter im Nebenklägerbereich, die an der Hauptverhandlung teilnehmen können – eine ungewöhnliche Verzahnung von justizieller und parlamentarischer Aufarbeitung.
Der 21. Parlamentarische Untersuchungsausschuss des Landtags Sachsen-Anhalt arbeitet seit Februar 2025 an der Aufklärung. Die Protokolle zeigen: Es wird gearbeitet. Zeugen werden vernommen, Akten angefordert, Amtshilfeersuchen gestellt.
Doch die Protokolle zeigen auch etwas anderes: politisches Taktieren. In der dritten Sitzung am 24. März fanden mehrere Beweisanträge der AfD-Fraktion nicht die erforderliche Mehrheit. Am 28. April wurden weitere zurückgestellt. Am 15. Mai das gleiche Bild: Ablehnung entlang von Fraktionsgrenzen, ohne inhaltliche Begründung.
Während Koalitionsanträge durchgewinkt werden, scheitern Oppositionsanträge an Mehrheitsverhältnissen. Die Protokolle vermerken nüchtern: „Es fehlt die erforderliche Mehrheit.“ Mehr nicht. Keine Begründung, warum ein Beweisantrag inhaltlich nicht sinnvoll sein sollte. Nur Abstimmungsergebnisse.
Meine Mandantinnen fragen sich: Geht es um lückenlose Aufklärung – oder um politisches Heimspiel?
Der 21. Parlamentarische Untersuchungsausschuss des Landtags Sachsen-Anhalt hat seit seiner Konstituierung im Februar 2025 bis zur jüngsten Sitzung im Oktober 25 Beweisbeschlüsse gefasst und zahlreiche Zeugen vernommen. Alle Protokolle sind öffentlich einsehbar.
AfD rügt mangelndes Aufklärungsinteresse der Landesregierung
Der innenpolitische Sprecher und Obmann Matthias Büttner erklärte gegenüber der JUNGEN FREIHEIT, die Koalition tue „alles, um die Landesregierung zu schützen“. Eine „echte und ehrliche Aufarbeitung des Versagens landeseigener Behörden“ werde verhindert; statt Verantwortung zu übernehmen, suche man „andere Schuldige“.
Die Schwerpunkte der Aufklärung würden verlagert: Zuerst sei „die Stadt Magdeburg mit ihrem Sicherheitskonzept“ in den Mittelpunkt gerückt, nun eine Phase, „in der der Täter noch gar nicht in Sachsen-Anhalt war“.
Büttner sieht ein „bewusstes Spiel auf Zeit“. Eine vollständige Klärung in dieser Legislaturperiode sei kaum möglich. Der Abschlussbericht des Ausschusses ist spätestens im Sommer kommenden Jahres, kurz vor der Landtagswahl, fällig.
Exkurs – Hat sich nichts geändert?
Die Investigativjournalisten Tarek Khello und Christian Werner stellen sich in der FAKT-Ausgabe im Ersten die Frage: Warum hatte niemand entschieden reagiert, warum konnte das Attentat von Magdeburg nicht verhindert werden?
In den Chatverläufen des Magdeburger Attentäters stießen die Autoren etwa auf Ahmed M., der wie Taleb A. aus Saudi-Arabien stammt und im Interview erklärte, dass er das Attentat als „mutig“ empfinde. Er bedauere, dass nicht mehr Menschen dabei umgekommen seien. Ahmed M. tauchte allerdings wenige Tage nach diesem Interview unter.
Viele Gefährder, Menschen, „die drohen, Waffen zeigen, hassen“ und in sozialen Netzwerken ihre Gewaltfantasien posten, fielen offenbar den Sicherheitsdiensten nicht auf, so das Fazit des Films.
Es zeige sich nach Aktenlage „eine sicherheitspolitische Herausforderung, der die deutschen Sicherheitsbehörden nur bedingt gewachsen sind“.
Die Recherche führte das MDR-Team zu Ahmed A., ebenfalls ein Saudi und enger Vertrauter von Abdulmohsen, der selbst eine Gefahr darstellen soll.
Ahmed A. äußerte Verständnis für die Tat.
Er bedauerte explizit, dass bei dem Anschlag nicht mehr Menschen ums Leben kamen. Wörtlich sagte er in dem Interview: „Ich wünschte, seine Bemühungen würden nicht mit dem Tod weniger Menschen enden.“
Er rechtfertigte Abdulmohsens Tat als angemessene persönliche Racheaktion gegen einen Staat, der ihn jahrelang verfolgt habe.
Ahmed A. kündigte eigene Racheaktionen an, indem er prahlte, er wolle Deutsche mit dem Messer abschlachten, und fragte, warum er deswegen als Terrorist bezeichnet werde. Er sagte, die Kugel sei „schussbereit“.
Wie Immer? Anschlag Tränen Kerzen Untersuchungsausschuss
Nach Breitscheidplatz hieß es „Nie wieder“. Nach Halle „Nie wieder“. Nach Hanau „Nie wieder“. Nach Magdeburg wieder das gleiche Ritual: Kerzen, Tränen, Untersuchungsausschuss, Protokolle. Und weiter wie bisher.
Die nächsten Gefährder sind bereits bekannt, geben Interviews, drohen öffentlich. Sie sind auffindbar, dokumentiert, auf dem Radar. Aber nichts geschieht.
Deshalb muss die Nebenklage mehr sein als juristische Begleitung. Sie muss den Staat selbst mit auf die Anklagebank setzen.
Meine Mandantinnen sind nicht nur Opfer eines Täters, sondern unter Umständen auch Opfer eines Systems, das versagte. Die Verantwortungen müssen umfassend geklärt werden.
Konkret möchte ich für meine Mandantschaft klären:
Die Täterschaft von Taleb Al Abdulmohsen steht außer Frage. Der Täter muss für diese kranke Tat möglichst hart bestraft werden.
Geheimdienste
Der saudische Geheimdienst warnte nicht einmal, nicht zweimal, sondern mehrfach – über ein Jahr vor dem Anschlag – vor dem späteren Täter. Diese Informationen erreichten deutsche Behörden. Was geschah dann mit ihnen? Warum führten sie zu keiner Intervention? Diese Fragen müssen im Prozess geklärt werden (Generalbundesanwalt lehnt Übernahme ab).
100 behördliche Erfassungen
Taleb Al Abdulmohsen war über 100 Mal behördlich erfasst, aktenkundig in sechs Bundesländern. Dennoch wurde er als „keine konkrete akute Gefahr“ eingestuft. Meine Mandantinnen fragen: Was sagen diese Akten? Wer hatte Zugriff auf sie? Warum wurden die Informationen nicht zusammengeführt? (Polizeieinsatz, Pressebericht Tagesschau)
Versagen beim Sicherheitskonzept
Nach dem Anschlag auf dem Berliner Weihnachtsmarkt 2016 hätte es einen verbindlichen Maßnahmenkatalog mit zertifizierten Zufahrtssperren geben müssen. Warum wurde dieser in Magdeburg offenbar nicht umgesetzt? Wer war konkret verantwortlich für die Freigabe und Umsetzung des Sicherheitskonzepts? Gab es eine offizielle Genehmigung durch die Stadt Magdeburg oder das Land Sachsen-Anhalt? (Gutachten zum Sicherheitskonzept)
Skandalöser Datenschutzverstoß
Besonders empörend: Die Adressen der Opfer wurden dem Täter oder möglichen Komplizen bekannt. Dies stellt aus Sicht meiner Mandanten eine massive Verletzung der Fürsorgepflicht gegenüber den Betroffenen dar. Dieser Punkt darf nicht unter den Tisch fallen oder relativiert werden.
Keine Verantwortungsübernahme
Bis heute fühlt sich niemand persönlich verantwortlich – weder auf kommunaler noch auf Landesebene. Trotz festgestellter erheblicher Versäumnisse wurden keine disziplinarischen oder dienstrechtlichen Konsequenzen gezogen (Spiegel-Bericht Verantwortlichkeiten).
Fragen:
- Wer war konkret verantwortlich?
- Welche Informationen lagen wem vor?
- Warum wurde nicht gehandelt?
- Warum gibt es keinen verbindlichen Maßnahmenkatalog nach Berlin 2016?
- Welche Handlungsempfehlungen gab das Land Sachsen-Anhalt?
- Warum wurden diese nicht umgesetzt?
- Wie konnten Opferadressen bekannt werden?
- Welche Konsequenzen werden gezogen?
- Medizinisches Attestierungs- und Begutachtungsverfahren zur Dokumentation gesundheitlicher und psychischer Folgen
- Prüfung rechtlicher Schritte gegen weitere Verantwortliche (Hier können sich im Laufe des Prozesses weitere Anhaltspunkte ergeben )
- Welche Lehren wurden tatsächlich gezogen?
- Gibt es heute verbindlich verbesserte Sicherheitskonzepte?
- Werden künftig zertifizierte Sperren vorgeschrieben?
Diese Fragen können im Rahmen der Schuldfeststellung eine Rolle spielen, paradoxerweise sogar zugunsten des Täters. Man könnte argumentieren: Man hat es ihm leicht gemacht. Das Sicherheitskonzept war mangelhaft. Der Staat hatte versagt, bevor der Täter handelte. Juristisch bewegen wir uns hier im Promillebereich, der auf das Strafmaß keinen Einfluss haben wird. Man arbeitet also, streng genommen, auch der Verteidigung zu.

Aber genau das ist der Punkt: Wenn es verschiedene Verantwortungen gibt, wenn der Rechtsfrieden umfassend hergestellt werden soll, dann müssen in einem solchen Prozess auch solche Fragen gestellt werden. Ich habe nicht vor, die Staatsanwaltschaft einfach machen zu lassen. Ich will sie nicht behindern. Aber meine Mandanten wollen nicht nur eine gerechte Strafe für den Täter. Sie wollen auch, soweit dies in diesem Strafprozess möglich ist, Aufklärung über das Versagen des Systems. Meine Mandantinnen haben darauf ein Recht. Und dieses Recht werde ich durchsetzen.
Prozesstagebuch Landgericht Magdeburg 21 Ks 4/25
Technische Generalprobe und Grundsätzliches zru Organisation
4.11.2025
Am heutigen Termin am 4. November fand eine informative Veranstaltung für die Prozessbeteiligten statt. Anwesend waren Vertreter der Generalstaatsanwaltschaft sowie dem Vorsitzenden der Schwurgerichtskammer Richter Dirk Sternberg, der die Anklage der Generalstaatsanwaltschaft zugelassen hat, und Nebenklagevertreter. Teils beigeordnet, teils nicht .
Technische Vorkehrungen
Der Vorsitzende erläuterte die technischen Vorkehrungen, einschließlich der Bedienung der Mikrofone, Kameras und Audio-Tests. Der gläserne, schusssichere Glaskabine audiotechnisch in dem die Angeklagte Platz nehmen soll, hat eine sehr laute Klimaanlage, sodass die Verteidigung möglicherweise aktiv werden könnte, um diesen Zustand zu ändern, zumal die Verständigung zwischen Angeklagtem und Verteidigung dadurch gestört werden dürfte.
Den Nebenklagevertretern wird über eine Cloud Zugang zum Prozesstoff gegeben.Die Gerichtsräaume sind an den Verhandlungstagen ab 6:30 Uhr betretbar.
Audioverbindung und Öffentlichkeit
Es wurde erörtert, wie die Audioverbindung mit dem Mikrofon in den übrigen Saal übertragen werden soll – ob der Angeklagte ständig zu hören ist oder ob der Verteidiger nur im Einzelfall den Ton stummschalten kann, um mit ihm abseits der Öffentlichkeit ein Verteidigergespräch zu führen. Hierbei wurden verschiedene Auffassungen vertreten:
Position 1: Der Angeklagte schaltet sich audiotechnisch komplett auf stumm und wird nur dann in die Öffentlichkeit geschaltet, wenn er und der Verteidiger sich zu Wort melden wollen.
Position 2: Der Angeklagte ist ständig zu hören.
Hier treffen unterschiedliche Interessen aufeinander: Einerseits soll der Angeklagte für die Herstellung der Öffentlichkeit für alle hörbar sein, solange der Vorsitzende Richter ihm das Wort nicht entzieht – was er im Einzelfall durchaus tun könnte. Andererseits vertritt die Verteidigung die Auffassung, dass der geschützte Raum mit dem Angeklagten vorzugswürdig sei und deshalb das Audio nur im Einzelfall durchschaltbar werden sollte.
Der erfahrene Vorsitzende Richter wird hier sicherlich eine ausgleichende Lösung finden.

10.11.2025
Am 10. November 2025 begann vor dem Landgericht Magdeburg der Schwurgerichtsprozess gegen Taleb Al Abdulmohsen wegen des verheerenden Anschlags auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt. Der Auftakt dieses bedeutenden Strafverfahrens war maßgeblich von der Anklageverlesung und den ersten Äußerungen des Angeklagten geprägt.
Beginn als Ausdruck höchster Sicherheitsvorkehrungen
Der erste Prozesstag startete mit Verzögerungen. Bereits die Antragsflut der Verteidigung sorgte für einen späteren als planerisch vorgesehenen Sitzungsbeginn. Für alle Beteiligten offensichtlich: Das Verfahren findet unter außerordentlich hohen Sicherheitsvorkehrungen statt. Der Angeklagte wurde in einer kugelsicheren Glaskabine in den Saal geführt und blieb permanent von Justiz- und Polizeikräften abgeschirmt. Die Organisation im und um den Gerichtssaal – von technischer Ausstattung bis zu Zugangsregelungen – war maßgeblich auf einen geordneten und sicheren Ablauf ausgerichtet. Die Rechte der Nebenklage wurden dabei zuverlässig gewährleistet, insbesondere hinsichtlich Präsenz, Beteiligung und Zugang.
Anklageverlesung und Tatvorwürfe
Zentraler erster Akt des Prozesses war die förmliche Verlesung der Anklageschrift durch den Oberstaatsanwalt. Vorgeworfen wird dem Angeklagten Taleb Al Abdulmohsen sechsfacher vollendeter Mord sowie 338-facher versuchter Mord.
Die Anklage beschreibt detailliert, dass der Angeklagte am 20. Dezember 2024 den Magdeburger Weihnachtsmarkt mit einem geliehenen Fahrzeug durchfuhr – gezielt, in hohem Tempo und in Schlangenlinien über eine Distanz von 348 Metern. Ziel war laut Staatsanwaltschaft, möglichst viele Menschen zu erfassen. Das Tatgeschehen forderte laut der Anklage sechs Todesopfer (fünf Frauen und ein neunjähriger Junge) und eine große Zahl zum Teil schwer verletzter Menschen.
Als Motiv nannte die Generalstaatsanwaltschaft die tiefe „Unzufriedenheit und Frustration“ des Angeklagten über eigene gescheiterte Rechtsstreitigkeiten und die Erfolglosigkeit von Strafanzeigen gegenüber staatlichen Behörden. Die Verlesung der Anklage setzt entsprechend § 243 Abs. 1 StPO den offiziellen Startpunkt der Hauptverhandlung und ist der rote Faden der Beweisaufnahme.
Äußerungen und erste Einlassung des Angeklagten
Im Anschluss an die Anklageverlesung erhielt der Angeklagte das Wort. Er gab zu, der Fahrer des Autos gewesen zu sein („Ich bin derjenige, der das Auto gefahren hat.“), machte darüber hinaus jedoch zunächst keine weiteren Angaben zu den von der Staatsanwaltschaft erhobenen, sehr konkreten Tatvorwürfen. Von Reue oder einer Entschuldigung war – wie die mediale Auswertung betonte – nichts zu hören.
Stattdessen legte Taleb A. ausführliche Ausführungen zu seiner persönlichen Sichtweise ab, darunter zu politischen und religiösen Themen. Er sprach mit emotionaler Stimme über mutmaßliche Vertuschungen durch die Polizei und äußerte Kritik an Medien. Während der Einlassung hielt er einen Laptop hoch, auf dem „Sept. 2026″ stand – nach seinen eigenen Angaben der Bezug zur bevorstehenden Landtagswahl in Sachsen-Anhalt.

Der Vorsitzende Richter intervenierte und erinnerte daran, dass Einlassungen zum Verfahren und nicht zu politischen Großdebatten abzugeben sind. Am Rand des Sitzungstages kündigte Taleb A. zudem einen Hungerstreik an, um den Fortgang des Prozesses zu beeinflussen. Das Gericht reagierte klar und ordnete an, dass der Prozess durch einen solchen Versuch nicht verzögert werden könne. Ein ausführlicherer Vortrag des Angeklagten ist für den Fortgang der Hauptverhandlung angekündigt.
Die Beschreibung der Gefühlslage bei der Tat (wurde in den Medienberichten über den ersten Prozesstag oft vorweggenommen oder im Kontext des Folgetages berichtet): Die Aussage, er sei am Tag des Anschlags „kalt wie Eis“ gewesen und habe das Gefühl gehabt, „dass er etwas Schreckliches mache“, lieferte der Presse eine emotionale Schlagzeile zur mentalen Verfassung des Täters.
11.11.2025
Ablauf und Grundlinien des Verhandlungstags
Der zweite Hauptverhandlungstag am Landgericht Magdeburg setzte die Einlassung von Taleb al-Abdulmohsen fort und war geprägt von ausgedehnten persönlichen Darstellungen, der Befragung durch Gericht und Nebenklage sowie fortlaufender Disziplinierung durch den Vorsitzenden Richter. Die Verhandlung endete am frühen Nachmittag und wurde zur weiteren Befragung von Nebenklage und Verteidigung für Donnerstag fortgesetzt.
Juristische Einordnung
Die Steuerung von Umfang und Inhalt der Einlassungen sowie die Erteilung und der Entzug des Rede- und Fragerechts sind dem Vorsitzenden Richter zur ordnungsgemäßen Durchführung und Wahrung der Verfahrensökonomie zugewiesen. Dies umfasst ausdrücklich das Recht, bei Verstößen gegen die Prozessordnung oder ausufernden, themenfremden Passagen das Wort zu entziehen oder das Mikrofon abzuschalten, wenn die Wahrheitsfindung und der geordnete Ablauf gefährdet werden.
Zentrale Themen, Schlüsselszenen und Originalzitate
Ablauf der Tatvorbereitung und Motivation
Taleb al-Abdulmohsen legte dar, wie er am Tattag nach Magdeburg reiste, das Fahrzeug angemietet und sich letztlich in einer Mischung aus Vorbereitung und Spontaneität zur Tatausführung entschlossen habe:
„In diesem Moment war es mir ernst. Am Morgen, selbst während der Zug- und der Taxifahrt, war es das nicht. Es war vielleicht – vielleicht mache ich das, vielleicht nicht. Dann wurde ich ernst, war total entschieden. Ich habe mich von der Welt verabschiedet.“
Zur Diskussion möglicher Alternativen und der Ernsthaftigkeit seines Tatentschlusses stellte er fest:
„Wäre ich entschlossen gewesen, den Weihnachtsmarkt anzugreifen, wäre ich einfach schnell gerannt – aber ich sagte: Nein, ich habe keinen Bock auf Laufen. Ich gehe erstmal zur Sparkasse.“
Außerdem schilderte er einen inneren Zwiespalt und die Suche nach letzten Hinderungsgründen:
„Ich fragte Elon Musk, um mir zu helfen.“
„Ein Interviewangebot der BBC hätte mich vom Anschlag abgehalten.“
Täterpsychologie, Tatablauf und Wahrnehmung
Al-Abdulmohsen beschrieb seinen seelischen Zustand am Tattag als von Verzweiflung und Isolation geprägt:
„Es war, als ob die Behörden darauf bestehen, mich zu erniedrigen, meine Leute zu verfolgen, weltweit.“
Kurz vor und während der Tat versuchte er, sein eigenes Handeln mit wechselnden Motiven zu erklären:
„Ich habe gedacht, das Lenkrad nach rechts gelenkt. Ich war langsam – für mein beschleunigtes Denken zu langsam. Ich fragte mich: Worauf wartest du? Bist du ernst oder willst du stoppen? Aber wenn ich stoppe, nimmt mich die Polizei fest. Es gab keinen Rückweg. Dann habe ich einfach Gas gegeben.“
Zur Frage nach seiner Schuld und dem Ziel seiner Tat sagte er schließlich:
„Ja, ich habe angegriffen – und mit Absicht.“
„Egal. Es war mir egal, ob Leute verletzt werden, ob sie sterben – es war mir egal.“
Allerdings folgten auch deutliche Widersprüche und verstörende Aussagenschwankungen. So erklärte er:
„Ich habe keine Verletzten bemerkt.“
Aber auch:
„Ich habe damit gerechnet, dass Menschen sterben können – wegen dem Auto.“
Gegenüber dem Vorsitzenden Richter äußerte er zudem:
„In meinem Kopf damals dachte ich: Wer hat daran nicht teilgenommen? Wer von dem deutschen Volk? … Es muss um die Islamisierung gehen.“
Persönliche Abschweifungen, Haft und Umgang mit Opfern
Der Angeklagte brachte diverse persönliche Vorwürfe, Anekdoten und Beschwerden ein—von mutmaßlichen Verschwörungen und Misshandlungen bei der Festnahme bis hin zu Details aus seinem Alltag und seiner Biografie (z.B. schwerer Autounfall 1994, Lebensumstände, Magenprobleme).
Auf die Frage eines Richters, ob er als Psychiater über die Folgen für die Opfer und Angehörigen nachgedacht habe, antwortete er:
„Die ehrliche Antwort ist: Nein.“
Konkrete Reue oder ein Eingeständnis der psychischen Folgen für die Opfer blieb aus. Die Berührungspunkte mit Kindern und Bekannten auf dem Weihnachtsmarkt berührten ihn laut eigener Aussage nur insoweit, „dass Leute, die ich persönlich kenne, mir größere Sorgen bereiten.“
Stellungnahmen des Angeklagten zu Philosophie und Gesellschaft
Al-Abdulmohsen schilderte eine lebenslange Opposition gegen die saudische Regierung und seine Rolle als Aktivist:
„Ich habe nach Mitkämpfern gesucht. Ich wollte ein einfacher Soldat sein, ganz vorn mitkämpfen. … Aber sie wollten nur Asyl in Deutschland.“
Er behauptete: „Wir, die Leute, die solche Angriffe machen, greifen nie Nachbarn oder Nachbarschaft an.“
Seine Einlassungen drifteten mehrfach ab, etwa als er ankündigte, ein Gedicht vortragen zu wollen oder Abschweifungen zu Religionskritik, Feminismus und Astrophysik einstreute. Der Vorsitzende Richter unterband dies und mahnte: „Beschränken Sie sich bitte auf die Tat und die Anklagepunkte.“
Prozesssteuerung, Disziplinierung und Nebenklagebeteiligung
Der zweite Verhandlungstag zeigte deutlich die Grenzen der Einlassungsmöglichkeiten :
Der Vorsitzende Richter mahnte al-Abdulmohsen mehrfach, bei der Sache zu bleiben, und drohte bei weiterem Abschweifen mit dem Entzug des Redeanteils bzw. mit dem Abschalten des Mikrofons. Diese Maßnahmen sind durch die Strafprozessordnung und Rechtsprechung zur ordnungsgemäßen Prozesssteuerung gedeckt. Die Prozessordnung verlangt, dass der Vorsitzende die Verhandlung gegen ungebührliches Verhalten oder themenfremde wörtliche Beiträge abschirmt, notfalls durch Wortentzug, Unterbrechung oder Mikrofonabschaltung, damit der geordnete Fortgang der Hauptverhandlung und die Wahrheitsfindung gesichert werden.
Die Nebenklage war im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten an diesem Tag berechtigt, Fragen an den Angeklagten zu richten und am Selbstleseverfahren teilzunehmen. Sie muss aber, wenn sie es unterlässt, die prozessuale Gestaltung und das Ergebnis der Verhandlung so hinnehmen, wie sie sich ohne ihre Mitwirkung darstellt. Das Recht, im Wege der wörtlichen Zitatübernahme Passagen aus den Einlassungen des Angeklagten in das Protokoll oder den Urteilstext aufzunehmen, ist nach ständiger Rechtsprechung zulässig und in umfangreichen Verfahren üblich, solange die Anforderungen an die Protokollierung, Beteiligung und Transparenz gewahrt werden.
Rechtliche Bewertung und Prozessdogmatik
Aussageverhalten und selbst belastende Reden: Auch lange, widersprüchliche, zum Teil absonderliche Einlassungen sind zulässiges Verteidigungsverhalten. Sie müssen aber in die Beweiswürdigung einbezogen und vom Gericht kritisch hinterfragt werden. Auch ein (teilweises) Geständnis begründet, wie an diesem Tag sichtbar wurde, keine vollständige Entlastung des Gerichts von der Pflicht zur sorgfältigen Wahrheitsermittlung.
Prozessordnung und Schutz der Verfahrensbeteiligten: Die Anwendung und Durchsetzung der Sitzungsordnung durch den Vorsitzenden – etwa Wortentzug und Kontrolle von Beiträgen – sind nicht nur zulässig, sondern unerlässlich, um den Ablauf der Verhandlung und das Verständnis der Inhalte für die Opfer und Öffentlichkeit zu wahren. Das gilt insbesondere für ausgedehnte oder themenfremde wörtliche Einlassungen, wie sie an diesem Tag vielfach im Gerichtssaal vorgetragen wurden.
Nebenklage und Opferrechte: Die Beteiligungsrechte der Nebenklage umfassen nicht nur Anwesenheit und Fragerecht, sondern auch die Information über sämtliche Beweise und Einlassungen. Eine fehlende oder unvollständige Ausübung der Nebenklagerechte etwa im Selbstleseverfahren beeinflusst jedoch die Wirksamkeit der Beweisaufnahme nicht, sondern begrenzt sich auf die Dispositionsfreiheit der Nebenklage selbst.
Fazit
Der zweite Prozesstag zeigte ein breites Feld zwischen ausufernder Selbstinszenierung des Angeklagten, entsolidarisierten Statements, Schilderung spontaner und vorbereitender Tatmomente sowie expliziten und impliziten Rechtfertigungsversuchen. Die Justiz reagierte mit professioneller Steuerung der Hauptverhandlung und konsequenter Disziplinierung. Die Nebenklage konnte ihre Rechte ausüben, die Einlassungen und ihre wörtlichen Zitate geben einen authentischen Einblick in Dynamik und psychologische Tiefe des Verfahrensverlaufs.
13.11.2025
Am dritten Prozesstag gegen Taleb al-Abdulmohsen (51) wegen der tödlichen Amokfahrt auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt standen zunächst das technische Gutachten des Tatfahrzeugs und dann die Nebenklage-Fragen im Mittelpunkt.
Vorführung der Überwachungsvideos
Der Vorsitzende Dirk warnte vor der Wirkung der Bilder auf anwesende Zeugen und wies auf die Möglichkeit hin vor Vorführung den Saal zu verlassen.
Technisches Gutachten BMW X3
Der Sachverständige Dipl.-Ing. Timo Schubert erklärte zum Zustand des Fahrzeugs: Das Gutachten war sehr professionell erstellt.“Bei Bewegung des Lenkrads war erkennbar, dass die Lenkung nicht hakte. Sie war auch nach der Tat mechanisch voll einsetzbar.“Die Kollisionswarnsysteme waren „aktiv, haben funktioniert, wurden aber wiederholt durch den Fahrer übersteuert.““Der Fahrer bleibt immer der Verantwortliche – das System zieht sich zurück, wenn der Mensch bewusst beschleunigt oder lenkt.“
Insgesamt dauerte die Amokfahrt laut Gutachten 64 Sekunden. Die Warnsysteme registrierten 12 Ereignisse, der Wagen wurde zwischenzeitlich auf bis zu 48 km/h beschleunigt.
Exkurs:
Neben einzelnen technischen Fragen wurde auch thematisiert, ob der Sachverständige bei den Grenzen seiner Sachkunde Auskünfte beim Hersteller eingeholt habe. Diese Frage verneinte der Sachverständige mit dem Hinweis, der Hersteller würde sich ohnehin auf Betriebsgeheimnisse berufen. Auch ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss habe bereits beim Hersteller angefragt – jedoch bekam auch dieser mit Verweis auf Betriebsgeheimnisse keine weiteren Auskünfte.
Offenlegungspflicht trotz Betriebsgeheimnissen
Der Hersteller darf im ersten Schritt die Herausgabe bestimmter Informationen oder die Beantwortung von Fragen mit dem Hinweis auf Betriebsgeheimnisse verweigern. Diese Berufung auf Geschäftsgeheimnisse ist jedoch nicht absolut: Das Gericht bzw. der Untersuchungsausschuss haben die Möglichkeit – gegebenenfalls nach entsprechender Abwägung – den Hersteller dennoch zur Auskunft oder Offenlegung zu verpflichten, wenn das öffentliche Interesse an der Sachverhaltsaufklärung überwiegt.
Einzelfallprüfung
Ob es tatsächlich zu einer solchen Auskunftsverpflichtung kommt und ob eine entsprechende Zeugenvernehmung notwendig und ausreichend ist, muss jeweils im Einzelfall entschieden werden. Dabei sind insbesondere folgende Punkte zu beachten:
Das Gericht prüft, ob die gewünschten Informationen für die Wahrheitsfindung unerlässlich sind und ob das öffentliche Interesse wirklich schwerer wiegt als das Geheimhaltungsinteresse des Herstellers.
Es erfolgt eine Abwägung zwischen Betriebsgeheimnisschutz und dem Interesse der Strafverfolgung bzw. parlamentarischen Kontrolle.Gegebenenfalls können Maßnahmen wie nicht-öffentliche Verhandlungen angeordnet werden, um die Interessen aller Seiten zu wahren.
Fazit
Die Berufung auf Betriebsgeheimnisse ist ein legitimer Schutzmechanismus, hat aber gegenüber den Aufklärungsinteressen der Justiz oder parlamentarischer Ausschüsse klare Grenzen. Auf Verlangen und nach Abwägung kann die Offenlegung dennoch rechtlich geboten sein. Ob eine Zeugenvernehmung oder die Einholung der Information zwingend notwendig und verhältnismäßig ist, muss das Gericht jeweils entscheiden.
Zeugen der Autovermietung Sixt
Jessica P. (Mitarbeiterin): „Es war ein ganz normaler Vermietvorgang. Er kam gegen 15.30 Uhr in die Station. Das gebuchte Fahrzeug war vorhanden.“
Oskar T.: „Ein Kunde wie jeder andere – es gab bei ihm keine Auffälligkeiten.“
Benjamin Philipp K.: „Ich habe ihm erklärt, wie der Motor startet – das hat dann geklappt.“
Nebenklage-Fragen – Details und wörtliche Rede
Fragen zu Pornografiekonsum durch Rechtsanwalt Andreas Schulz (Berlin)
Die Nebenklage dient auch ein Stück weit der Genugtuung, wobei diese angesichts der Vielzahl an körperlichen und seelischen Verletzungen nie vollständig erreicht werden kann.Die Nebenklage dient auch ein Stück weit der Genugtuung, wobei diese angesichts der Vielzahl an körperlichen und seelischen Verletzungen nie vollständig erreicht werden kann.
Schulz: „Befanden sich auf Ihrem PC Kinderpornografie oder Links zu Pornoseiten?“
al-Abdulmohsen: „Erwachsenen-Pornos – definitiv.“
Schulz: „Waren darunter auch BDSM-Pornos?“
al-Abdulmohsen: „Ja, aber das war alles nur Fantasie … das sind Inszenierungen. Ich habe auch Fantasien, dass ich lebende Tiere fresse. Aber wenn ich ein Kaninchen auf der Straße sehe, dann fühle ich so etwas nicht.“
Ergänzend: „BDSM-Fantasien betrachten wir Psychiater als normal. Seither habe ich die Fantasie, Tiere zu fressen. Das hängt zusammen mit einem Hungerstreik 2013.“
Fragen zu Selbstbild und „Kämpfer“-Rolle durch Rechtsanwalt Johannes von Rüden (Berlin)
von Rüden: „Wenn Sie Kämpfer waren, warum haben Sie dann gerufen: ‚Nicht schießen, ich kooperiere‘?“
al-Abdulmohsen: „Kämpfer sein heißt nicht, kein Mensch zu sein. Als der Angriff vorbei war, war ich wieder ein Freund von Deutschland und den deutschen Menschen.“
von Rüden (zum eigenen Risiko): „Welches Risiko haben Sie in den 64 Sekunden Ihrer Tat getragen?“
al-Abdulmohsen: „Jede Sekunde hätte die letzte meines Lebens sein können. Ich ging davon aus, dass ich von der Polizei gestoppt werde.“
Weitere Fragen aus der Nebenklage
Nebenklage-Anwältin (Kinder unter den Opfern): „Haben Sie noch weitere Kinder gesehen?“
al-Abdulmohsen: „Ja, ich habe zwei Kinder gesehen. Noch ein Mädchen – sie wurde von ihrem Vater zur Seite gerissen.“
Rechtsanwältin Kuellmei Magedeburg (Buden auf dem Weihnachtsmarkt):
„Warum haben Sie darauf geachtet, wo die Tische und die Buden stehen?“
al-Abdulmohsen: „Ich habe die Tat geplant. Aber ich wollte ja keinen Unfall bauen. Beim Vorbereiten der Tat – ich war zehnmal zuvor dort – habe ich gesehen, dass Buden manchmal verrückt werden.“
Beschluss zum Selbstleseverfahren am Ende des dritten Verhandlungstages
Zum Schluss des dritten Verhandlungstages wurde eine hinsichtlich des Umfangs des gesamten Prozesses erhebliche Vorgehensweise beschlossen: Sämtliche Zeugenaussagen werden im Selbstleseverfahren in den Prozess eingeführt. Nur wer ausdrücklich aussagen möchte, erhält nach wie vor die Gelegenheit dazu.
Juristische Bewertung
Die Einführung von Zeugenaussagen im Selbstleseverfahren gemäß § 249 Abs. 2 StPO stellt ein zulässiges und insbesondere bei umfangreichen Verfahren regelmäßig praktiziertes Mittel dar, um die Verfahrensökonomie zu fördern und die Hauptverhandlung zu straffen. Voraussetzung ist, dass sämtliche Verfahrensbeteiligten dem Selbstleseverfahren zustimmen oder das Gericht, unter Einhaltung der gesetzlichen Voraussetzungen, dies anordnet. Dadurch kann auf die Vernehmung von Zeugen in der Hauptverhandlung verzichtet werden, sofern sich keine der Verfahrensbeteiligten widersetzt. Das Recht auf persönliche Aussage bleibt insofern gewahrt, als jeder Zeuge nach wie vor das Wort ergreifen kann, sofern er das ausdrücklich wünscht oder ggf. das Gericht oder die Verfahrensbeteiligten hierauf bestehen.
Psychologische Komponente
Für die Zeugen bedeutet diese Verfahrensweise oftmals eine Entlastung: Sie werden nicht in der öffentlichen Hauptverhandlung zu möglicherweise belastenden Themen befragt und können sich dem direkten Kontakt mit den Verfahrensbeteiligten und der Öffentlichkeit entziehen. Gerade in Verfahren mit emotional oder psychisch stark belastenden Umständen kann dies traumatische Reaktivierungen oder Retraumatisierungen verhindern. Zugleich besteht aber weiterhin die Möglichkeit, dass Zeugen aktiv ihre Sichtweise schildern, sofern sie dies wünschen – was auch für die Verarbeitung des Geschehens bedeutsam sein kann.