Der gute Glaube im Hinblick auf die Gemeinfreiheit eines Werkes hindert einen Schadensersatzanspruch

Veröffentlicht am in Urheberrecht

Das OLG Köln hat im letzten Jahr entschieden, dass ausnahmsweise kein Schadensersatz bei einer Urheberrechtsverletzung besteht, wenn der Verbreiter in gutem Glauben hinsichtlich der Rechtslage gehandelt hat (OLG Köln, Urteil v. 23.9.2011 – 6 U 66/11).

Sachverhalt

Der gute Glaube im Hinblick auf die Gemeinfreiheit eines Werkes hindert einen SchadensersatzanspruchDer Kläger macht geltend, einziger Erbe des unter dem Pseudonym E D schreibenden russischen Autors E J (K L) zu sein. Hierzu gehören Prosatexte, Gedichte und Theaterstücke des Autors. Er war nach mehrmaliger Verhaftung im Jahre 1942 im Alter von 36 Jahren verstorben. Der Kläger klagt gegen eine Verlegerin auf Auskunft, Schadensersatz und Unterlassung wegen urheberrechtswidriger Vervielfältigung und Verbreitung von Werken dieses Autors. Die Beklagte hatte einige der ins Deutsche übersetzten Werke ab 1983 verlegt. Die Beklagte berief sich darauf, dass ihr anwaltlicher Berater und ein für sie tätiger Verlag in Zürich diese als gemeinfrei angesehen hatten.

Entscheidung

Das LG hatte die Beklagte zur Auskunft sowie zur Unterlassung verurteilt. Die hiergegen eingelegte Berufung blieb im Wesentlichen ohne Erfolg, allerdings könne die Klägerin keinen Schadensersatz verlangen. Das Gericht führte aus, dass ein Anspruch auf Schadensersatz – anders als der urheberrechtliche Unterlassungsanspruch – ein Verschulden voraussetzt:

„Schuldhaft, nämlich fahrlässig handelt, wer wissen könnte, dass er eine Rechtsverletzung begeht, und es sorgfaltswidrig (§ 276 II BGB) unterlässt, Prüfungsmöglichkeiten auszuschöpfen. Die Sorgfaltsanforderungen gegenüber dem Rechtsverletzer sind grundsätzlich hoch.“

Ein solches Verschulden könne vorliegend nicht angenommen werden. Der Verleger durfte gutgläubig davon ausgehen, dass die Werke zum Zeitpunkt der Veröffentlichung auch gemeinfrei gewesen waren. Erst mit dem Beitritt der damaligen Sowjetunion zum Welturheberrechtsabkommen im Jahre 1955 änderte sich der Status und der Urheberrechtsschutz lebte wieder auf.

Es lag nach Auffassung des Gerichts eine außergewöhnliche Konstellation vor, als die beklagte Verlegerin bei Herausgabe ihrer Bücher und Broschüren auch zum damaligen Zeitpunkt die Werke des 1942 verstorbenen Schriftstellers als gemeinfrei habe ansehen können.

Nach dem Wiederaufleben der bereits erloschenen Urheberrechte bedürfe ihr Vertrauen in die erlaubnisfreie Nutzung der Werke jedenfalls während des „scheintoten” Stadiums des Schutzes. Das Gericht stellt ferner fest, dass auch darüber hinaus in Bezug auf die Verbreitung und mögliche Nachdrucke der bereits erschienenen Bände eine Pflicht der Beklagten zur erneuten Überprüfung der Urheberrechtslage nicht ohne Weiteres gegeben sei.

Fazit

Der gute Glaube an die Gemeinfreiheit wird durch das deutsche Urheberrecht grundsätzlich nicht geschützt. Es gilt ein strenger Sorgfaltsmaßstab. Selbst in der vorliegenden Ausnahmesituation ist Vorsicht geboten, denn in Betracht könnte immer noch eine teure Abmahnung wegen einer Urheberrechtsverletzung kommen.

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