OLG Düsseldorf – 20 U 172/14, Volltext

Veröffentlicht am in Urheberrecht

OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

Verkündet lt. Protokoll
am 21.07.2015

D, Justizbeschäftigte

als Urkundsbeamtin der
Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

der Koch Media GmbH, vertreten durch die Geschäftsführer

Klägerin und Berufungsklägerin,

– Prozessbevollmächtigte:           rka Rechtsanwälte, Johannes-Brahms-Platz 1, 20355 Hamburg –

gegen

Frau K. M.

Beklagte und Berufungsbeklagte,

– Prozessbevollmächtigte:           Werdermann, von Rüden Partnerschaft von Rechtsanwälten, Leipziger Platz 9, 10117 Berlin –

 

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 2. Juni 2015 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Schüttpelz, den Richter am Oberlandesgericht Neugebauer und den Richter am Oberlandesgericht Gmelin

für Recht erkannt:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 27. August 2014 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.

Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Gründe

A)

Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Die Klägerin produziert und vermarktet digitale Entertainment-Produkte. Unter anderem ist sie Inhaberin der ausschließlichen Nutzungs- und Verwertungsrechte an dem Computerspiel „DEUS EX – Human Revolution“, welches am 26. August 2011 erstveröffentlicht wurde. Die Klägerin stellte fest, dass eine dieses Spiel enthaltene Datei an verschiedenen Tagen im November 2011 über das Peer-to-Peer-Netzwerk BitTorrent von IP-Adressen zum Herunterladen zur Verfügung gestellt wurde, die zum jeweiligen Zeitpunkt dem Anschluss der Beklagten zugeordnet waren. Das an dem Anschluss der Beklagten betriebene WLAN-Netz war unstreitig durch ein sicheres Passwort gegen unberechtigten Zugriff ausreichend geschützt. Die Beklagte, die sich ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht vorgerichtlich zur Unterlassung verpflichtet hat, macht geltend, sie selber habe das Spiele nicht heruntergeladen oder zur Verfügung gestellt. Neben ihr hätten auch noch ihr Ehemann und ihr erwachsener Sohn selbständig Zugriff auf den Internetanschluss gehabt, letzterer auch mit einem eigenen Computer. Beide hätten aber bestritten, für den Vorfall verantwortlich zu sein.

Das Landgericht hat die auf Zahlung der Abmahnkosten, Teilschadensersatz, Auskunft und Feststellung der Schadensersatzpflicht gerichtete Klage abgewiesen. Die Beklagte habe ihrer sekundären Darlegungslast entsprochen und vorgetragen, welche erwachsenen Personen selbständig Zugang zu ihrem Internetanschluss gehabt hätten. Für die Behauptung der Klägerin, die Beklagte habe die Rechtsverletzung gleichwohl selber begangen, habe die Klägerin keine Anhaltspunkte vorgetragen, so dass sich der angebotene Beweis als Ausforschungsbeweis darstelle, der nicht zu erheben sei.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils

a) die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 368,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 5. Februar 2012 zu zahlen;

b) die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Teilschadensersatz in Höhe von 600,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

c) die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin über den Umfang der Verletzungshandlungen geordnet Auskunft zu erteilen und zwar unter Angabe von Dritten, die das Computerspiel „DEUS EX – Human Revolution“ von der Beklagten erhalten haben, der Verbreitungswege, insbesondere der Filesharingbörsen, auf denen das Computerspiel „DEUS EX – Human Revolution“ von der Beklagten zum Herunterladen bereit gehalten wurde, der Zeiträume, in denen das Computerspiel „DEUS EX – Human Revolution“ über den Internetanschluss der Beklagten zum Herunterladen bereitgehalten wurde und der Verbindungsbandbreite, mit der das Computerspiel „DEUS EX – Human Revolution“ über den Internetanschluss der Beklagten zum Herunterladen bereit gehalten wurde;

d) festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen weiteren Schaden zu ersetzen, der dieser dadurch entstanden ist, dass die Beklagte das Computerspiel „DEUS EX – Human Revolution“ über den eigenen Internetanschluss in P2P-Netzwerken bereit gehalten hat.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat Beweis erhoben über die Frage, ob die Beklagte am 10., 13. und 22. November 2011 das Computerspiel „DEUS EX – Human Revolution“ über eine Tauschbörsensoftware öffentlich zugänglich gemacht hat. Nachdem die Zeugen A. und B. M.  unter Berufung auf das Verwandtschaftsverhältnis zur Beklagten die Aussage verweigert haben, hat der Senat auf Antrag der Klägerin die Beklagte als Partei vernommen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 2. Juni 2015, Bl. 228 ff. GA, Bezug genommen.

Hinsichtlich aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

B)

Die zulässige Berufung der Klägerin bleibt in der Sache ohne Erfolg. Die Beklagte haftet der Klägerin nicht auf Schadensersatz aus § 97 Abs. 2 UrhG, weil sie weder Täterin noch Teilnehmerin einer Urheberrechtsverletzung war. Sie schuldet darüber hinaus nicht nach § 97a Abs. 1 S. 2 UrhG Ersatz der Abmahnkosten, weil sie für die streitgegenständliche Rechtsverletzung auch nicht als Störerin haftet.

Nach § 97 Abs. 2 ist derjenige, der schuldhaft Urheberrechte verletzt, dem Verletzten zum Schadensersatz verpflichtet. Nach § 97a Abs. 1 S. 2 hat der Verletzer die Kosten einer berechtigten Abmahnung zu tragen. Die Abmahnung ist aber nur dann berechtigt, wenn dem Verletzten ein Unterlassungsanspruch zustand, was wiederum nur dann der Fall ist, wenn der in Anspruch Genommene für die Rechtverletzung als Täter, Teilnehmer oder als Störer verantwortlich war. Das kann hier nicht festgestellt werden. Der Senat ist nach der durchgeführten Beweisaufnahme vielmehr davon überzeugt, dass die Beklagte die Rechtverletzung nicht begangen hat und auch nicht als Störerin verantwortlich ist.

Nach allgemeinen Grundsätzen ist es Sache der Klägerin, darzulegen und zu beweisen, dass die Beklagte für die streitgegenständliche Rechtsverletzung verantwortlich ist. Im Streitfall spricht keine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft der Beklagten. Wird über einen Internetanschluss eine Rechtsverletzung begangen, ist eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers nicht begründet, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung (auch) andere Personen diesen Anschluss nutzen konnten. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Internetanschluss nicht hinreichend gesichert war, oder – wie hier – bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde (BGH GRUR 2014, 657 Rn. 15 – BearShare). Der sie treffenden sekundären Darlegungslast ist die Beklagte – wie schon das Landgericht zutreffend ausgeführt hat – nachgekommen. Den Prozessgegner der primär darlegungsbelasteten Partei trifft in der Regel eine sekundäre Darlegungslast, wenn die primär darlegungsbelastete Partei unverschuldet keine näheren Kenntnisse der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit der weitergehenden Sachverhaltsaufklärung hat, während dem Prozessgegner nähere Angaben dazu ohne Weiteres möglich und zumutbar sind. Der Anschlussinhaber genügt seiner sekundären Darlegungslast dadurch, dass er vorträgt, ob und gegebenenfalls welche anderen Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtverletzung in Betracht kommen (BGH GRUR 2014, 657 Rn. 18 – BearShare).

Dieser Darlegungslast hat die Beklagte entsprochen, indem sie vorgetragen hat, ihr volljähriger Sohn und ihr Ehemann hätten jeweils selbständig Zugriff auf den Internetanschluss gehabt, eine Täterschaft aber auf Vorhalt abgestritten. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die Beklagte nicht gehalten, darzulegen, welche der in Frage kommenden Personen zu den streitgegenständlichen Zeitpunkten auch tatsächlich den Internetzugang genutzt haben, denn dieser Vortrag ist ihr schon nicht ohne Weiteres möglich. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Teilnahme an sogenannten P2P-Netzwerken nicht zwingend voraussetzt, dass der Betreffende Nutzer tatsächlich anwesend ist. Erforderlich ist lediglich, dass der betreffende Rechner mit dem Internet verbunden ist und sich in Betrieb befindet. Nähere Angaben dazu, bei welchen Rechnern (und gegebenenfalls mit welchen Benutzerkonten) dies der Fall ist, kann der Anschlussinhaber regelmäßig nur machen, wenn er die Kommunikation aller Nutzer überwacht und speichert. Abgesehen davon, dass die rechtliche Zulässigkeit einer derartigen anlasslosen Kommunikationsüberwachung mehr als zweifelhaft ist, ist sie dem Anschlussinhaber jedenfalls nicht zuzumuten. Im Übrigen hat der Bundesgerichthof selbst bei Kindern keine Veranlassung gesehen, deren Internetnutzung anlasslos zu überwachen (BGH GRUR 2013, 511 Rdnr. 24 – Morpheus). Dann besteht für den Anschlussinhaber aber erst recht keine Veranlassung, erwachsene Familienangehörige zu überwachen.

Es ist damit wiederum Sache der Klägerin, darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass die Beklagte die hier streitgegenständlichen Rechtsverletzungen begangen hat. Diese Beweisführung kann der Klägerin allerdings nicht mit der Begründung abgeschnitten werden, sie habe keine Anhaltspunkte vorgetragen, die gerade auf die Beklagte als Rechtsverletzerin hindeuten. Die sekundäre Darlegungslast soll den Verletzten ja gerade in die Lage versetzen, den ihm obliegenden Beweis zu führen. Der Verletzte ist daher nicht gehindert, die Täterschaft der vom Beklagten benannten als Täter in Frage kommenden Dritten zu bestreiten und diesen Vortrag gegebenenfalls unter Beweis zu stellen.

Der Umstand, dass die Zeugen A. und B. M. von dem ihnen als Sohn beziehungsweise Ehemann der Beklagten ohne weiteres zustehenden Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht haben, lässt keine Rückschlüsse darauf zu, wer für die streitgegenständliche Rechtsverletzung verantwortlich ist. Die Beklagte hat in ihrer Parteivernehmung glaubhaft in Abrede gestellt, für die Rechtsverletzung verantwortlich gewesen zu sein. Die Beklagte hat auf den Senat den Eindruck einer weder technisch noch rechtlich besonders versierten Person gemacht. Ihre Angaben zu der eigenen Computernutzung, die insbesondere nicht das Ansehen von Videos oder das Spielen von Computerspielen umfasst, waren ebenso glaubhaft, wie ihre Angabe, sie wisse nicht, was ein Filesharing-Client ist. Insoweit ist auch ohne weiteres glaubhaft, dass sie die Abmahnungen – die sich offenbar auf im gleichen Zeitraum begangene Rechtsverletzungen bezogen – mit ihrem Ehemann besprochen haben will, der dann die Angelegenheiten mit dem Anwalt besprochen hat. Unter diesen Umständen glaubt der Senat der Beklagten, dass sie die Rechtsverletzung nicht begangen hat. Sie haftet daher weder als Täterin noch als Teilnehmerin.

Soweit hinsichtlich der Kosten der Abmahnung eine Haftung der Beklagten als Störerin in Betracht kommt, haftet sie auch nicht als solche.

Dass das WLAN ausreichend gegen unbefugte Zugriffe geschützt war, ist unstreitig. Es bestand aber auch keine Verpflichtung der Beklagten ohne Anlass ihren Ehemann oder ihren erwachsenen Sohn zu belehren und/oder zu überwachen. Der Inhaber eines Internetanschlusses ist grundsätzlich nicht verpflichtet, volljährige Familienangehörige über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen oder von sonstigen Rechtsverletzungen im Internet zu belehren und ihnen die Nutzung des Interentanschlusses zur rechtswidrigen Teilnahme an Internettauschbörsen oder von sonstigen Rechtsverletzungen im Internet zu verbieten, wenn keine konkreten Anhaltspunkte für eine solche Nutzung bestehen (BGH GRUR 2014, 657 Rdnr. 24 – BearShare). Dass die Beklagte vor den hier in Rede stehenden Rechtsverletzungen – etwa durch eine Abmahnung – konkreten Anlass für die Befürchtung haben musste, ihre volljährigen Familienangehörigen würden den ihnen überlassenen Zugang zum Internet für Rechtsverletzungen nutzen, ist nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91, § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.

Es besteht keine Veranlassung, die Revision zuzulassen. Die hierfür in § 543 Abs. 2 ZPO niedergelegten Voraussetzungen sind nicht gegeben. Die relevanten Rechtsfragen sind durch die zitierten höchstrichterlichen Entscheidungen beantwortet. Als reine Einzelfallentscheidung hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine revisionsgerichtliche Entscheidung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

 

Streitwert:                      5.968,00 € (entsprechend der von den Parteien nicht angegriffenen erstinstanzlichen Festsetzung)

 

Schüttpelz                                       Neugebauer                                    Gmelin