Brandenburg – Kita- und Hortgebühren nach Urteil zurückverlangen

Veröffentlicht am in Verbraucherrecht

Nach einem sensationellen Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg könnten hunderte von Kita-Gebührensatzungen im Land Brandenburg unwirksam sein. Betroffene Eltern sollten jetzt entsprechende Gebührenbescheide prüfen lassen.

  • Nach einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg könnten die Elternbeitragssatzungen einiger Kommunen in Brandenburg unwirksam sein.
  • Die Rechtsanwaltskanzlei VON RUEDEN PartG prüft aktuell Satzungen aus Brandenburg hat die einige feherhafte ausgemacht.
  • Gemeinden und Städe lassen sich bei der Bearbeitung der Überprüfungsanträge der Eltern Zeit.

176.761 Kinder besuchen die insgesamt 1860 Brandenburger Kitas. Einheitliche Elternbeiträge existieren für das gesamte Land nicht. Die Kommunen legen die Kosten für die Betreuung für Kinder in der Kita, der Krippe und im Hort selbst fest. Die Höhe der Elternbeiträge bestimmt sich nach der Art der Betreuung, ihre Dauer und dem Einkommen der Eltern. 16 Prozent der Kidertagesbetreuungskosten werden in Brandenburg durch Elternbeiträge gedeckt.

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat mit Urteil vom 6. Oktober 2017 (Az. 6 A 15.15) eine Kita-Gebührensatzung der Stadt Rathenow für unwirksam erklärt. Das Problem dabei: Die Satzung verweist auf das Kommunalabgabengesetz (KAG). Auch bei der konkreten Kalkulation der Elternbeiträge hatte die Stadt Rathenow auf das KAG abgestellt. Dadurch wich die Kalkulation um mehr als drei Prozent von einer richtigen Kalkulation ab.

Elternbeiträge sind „sozialrechtliche Abgaben eigener Art“ ?

Das Gericht argumentiert, dass Elternbeiträge keine Benutzungsgebühren im Sinne des KAG seien. Kita, Hort- und Krippengebühren seien nicht dazu da, die Kosten der Betreuung vollständig gegen zu finanzieren. Es handele sich vielmehr um sozialrechtliche Abgaben eigener Art. Eine Kita-Gebührensatzung die auf das KAG verweist, ist damit unter bestimmten Umständen unwirksam und kann nicht Grundlage von Kita-Gebühren sein.  „Verweist die Satzung auf das KAG, ist dies ein starkes Indiz dafür, dass die Gemeinde die Kita-Gebühren unter Zugrundelegung falscher Maßstäbe berechnet hat“, erklärt der Berliner Rechtsanwalt Johannes von Rüden.

Kommunen und Gemeinden, deren Satzungen auf das KAG verweisen (Auszug)

  • Ahrensfelde
  • Altlandsberg
  • Beetzsee
  • Blankenfelde-Mahlow (rechtskräftig)
  • Brieselang
  • Dallgow-Döberitz
  • Erkner
  • Glienicke Nordbahn
  • Heidesee
  • Hoppegarten
  • Nauen
  • Neuenhagen
  • Neuruppin
  • Ortrand
  • Potsdam
  • Pritzwalk
  • Rüdersdorf
  • Rangsdorf
  • Rathenow (rechtskräftig)
  • Schönefeld
  • Schwielowsee
  • Spremberg
  • Stahnsdorf
  • Velten
  • Wustermark
  • Zossen

Anmerkung: Bei der vorgenannten Auflistung handelt es sich lediglich um einen Auszug von Gemeinden, bei denen wir anlassbezogen geprüft haben, ob die Elternbeitragssatzung auf das Kommunalabgabengesetz verweist. Die Liste nimmt für sich nicht in Anspruch, vollständig oder abschließend zu sein.

In vielen Fällen haben die Gemeinden die Gebührenkalkulation nicht selbst durchgeführt, da es ihnen an den erforderlichen Ressourcen fehlte. Diese Gemeinden haben externe Dienstleister aus der freien Wirtschaft damit beauftragt, die Kalkulation durchzuführen. Dabei kam es oftmals zu Fehlern.

Die Rechtsanwaltskanzlei VON RUEDEN rät betroffenen Eltern dazu, die entsprechenden Beitragsbescheide überprüfen zu lassen. Dies kann formlos geschehen. Ein entsprechendes Schreiben findet sich am Ende dieses Beitrags. „Es ist nicht gänzlich auszuschließen, dass Satzungen, die sich am KAG orientieren zu höheren Beiträgen führen“, sagt von Rüden.

Kita-Gebühren: Widerspruch nicht notwendig

Einen Widerspruch gegen den ursprünglichen Bescheid hält der Berliner Rechtsanwalt für überflüssig. Die Eltern hätten darauf vertrauen können, dass die Bescheide wirksam waren. Niemand käme auf die Idee, die gesetzlichen Grundlagen in Zweifel zu stellen. Eltern könnten auch ohne Widerspruch ihre Beiträge teilweise zurückverlangen. Von Rüden verweist dafür auf eine Regelung aus dem Sozialgesetzbuch X. Danach sind Beiträge, die zu Unrecht erhoben worden sind, zurückzuzahlen, auch wenn der ihnen zu Grunde liegende Verwaltungsakt unanfechtbar geworden ist. Dass die Gemeinden auf abgelaufene Widerspruchsfristen verweisen, sei daher nicht haltbar, sagt von Rüden.

Mehrere Normenkontrollverfahren anhängig

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg prüft aktuell in 9 Normenkontrollverfahren die Rechtmäßigkeit von 8 verschiedenen Elternbeitragssatzungen von Brandenburger Gemeinden. Dies erfuhr die Kanzlei VON RUEDEN aus mit der Angelegenheit vertrauten Kreisen. Im Einzelnen handelt es sich dabei um nachfolgende Verfahren:

  • Potsdam, OVG 6 A 13.16
  • Tauer, OVG 6 A 6.17
  • Cottbus, OVG 6 A 9.17
  • Königs-Wusterhausen, OVG 6 A 18.17
  • Wustermark, OVG 6 A 20.17
  • Altlandsberg, OVG 6 A 21.17
  • Altlandsberg, OVG 6 A 22.17
  • Prenzlau, OVG 6 A 23.17
  • Schönefeld, OVG 6 A 2.17 (Urt. v. 15.05.2018, nicht rechtskräftig)

Rechtsschutzversicherungen zeigen erste Tendenzen

Anfangs herrschte unter den Rechtsschutzversicherungen uneinigkeit darüber, ob derartige Angelegenheiten unter die Bedingungen einer privaten Rechtsschutzversicherung fallen. Haben die Eltern direkt mit der Stadt oder der Gemeinde einen Betreuungsvertrag geschlossen, handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Angelegenheit. In diesem Fall besteht keine Kostendeckung für die außergerichtliche Tätigkeit des Rechtsanwalts. Erst wenn die Angelegenheit nach dem Widerspruchsbescheid vor Gericht behandelt wird, besteht der Versicherungsschutz.

Für betroffene Eltern bedeutet das, dass diese die außergerichtliche Tätigkeit des Rechtsanwalts selbst tragen müssen. Haben die Eltern dagegen den Betreuungsvertrag mit einem freien Träger abgeschlossen, handelt es sich um eine zivilrechtliche Angelegenheit mit dem Ergebnis, dass die Rechtsschutzversicherer auch die außergerichtliche Tätigkeit abdecken.

Versorgungskosten zurückverlangen?

Darüber hinaus haben Eltern die Möglichkeit, das in der Vergangenheit gezahlte Essensgeld zurückzuverlangen. Nach § 17 KitaG gehören die Kosten für das Frühstück und Vesper zu den Betriebskosten des Trägers; sie dürfen daher nicht separat neben den Elternbeiträgen berechnet werden. Eltern haben lediglich einen Beitrag zu dem Mittagessen zu leisten, der in der Höhe der ersparten Aufwendungen besteht. Dieser liegt pro Mahnzeit bei ca. 1,50 Euro. Betroffene Eltern können die gezahlten Kosten rückwirkend bis zum 1. Januar 2014 zurückverlangen. Hierzu bieten wir einen Textbaustein an, den man am Ende dieser Seite findet.

Update 7. September 2018

Vor mehreren Brandneburger Gerichten hat die Rechtsanwaltskanzlei VON RUEDEN PartG nun Klagen gegen Ablehnungsbescheide bezüglich der Überprüfungsanträge eingereicht. Die verschiedenen Klageverfahren ziehen sich teilweise schon über Wochen hin, da die zuständigen Gerichte bei den Behörden nach den Verwaltungsakten anfragen müssen und den Gemeinden die Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben werden muss.


Update 20. August 2018

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg bestätigte in einem Verfahren, das von der Kanzlei VON RUEDEN eingeschlagene Vorgehen: Danach ist einzig und allein die Möglichkeit Überprüfungsanträge nach dem SGB zu stellen der richtige Weg, um rechtswidrige Elternbeitragsbescheide zurückzunehmen. Daneben kann auch eine Normenkontrollklage erhoben werden. Wer hingegen Widerspruch gegen die einzelnen Elternbeitragsbescheide erhebt, wird damit zurecht komen müssen, dass diese verfristet sind und zu keiner Aufhebenung der Verwaltungsakte führen werden.


Update 19. Juni 2018

Die Berliner Rechtsanwaltskanzlei VON RUEDEN teilt am 19. Juni 2018 mit, dass vor fast allen brandenburgischen Verwaltungsgerichten Klage auf Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte eingereicht. In keinem Termin wurde bisher Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt. Die Gerichte räumen sowohl den klagenden Eltern als auch den Beklagten Gemeinden und Städten lange Erwiderungsfristen ein.


Update 15. Mai 2018

Einige Gemeinden versuchen nun fehlerhafte Satzungen durch rechtmäßige Satzungen zu ersetzen. Diesen Weg sehen Juristen sehr kritisch, da es sich um einen unzulässigen Akt der echten Rückwirkung handeln könnte. Die maßgeblichen Gebührentatbestände wurden bereits ausgelöst, womit kein Raum mehr für eine Rückwirkung bleiben dürfte. Mehrere Behörden haben weiterhin angekündigt, dass sich außerstande sehen, Widersprüche gegen Elternbeitragsbescheide innerhalb von 3 Monaten zu bearbeiten.

Einige Gemeinden haben signalisiert, dass sie hierfür noch bis in den Sommer hinein Zeit brauchen. Unter dem Aktenzeichen OVG 6 A 2.17 wird vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg aktuell ein Normenkontrollverfahren gegen die Satzung der Gemeinde Schönefeld geführt. Der Antrag wurde zurückgewiesen, erfuhr die Rechtsanwaltskanzlei VON RUEDEN aus gut unterrichteten Quellen. Das vollständige Urteil wird für die kommenden Wochen erwartet. Auch andere Satzungen brandenburgischer Gemeinden stehen derzeit auf dem Prüfstand.


Update 3. Mai 2018

Die Gemeinde Brieselang gesteht Fehler bei der Kostenkalkulation ein. Es träfe zwar zu, dass die Satzung der Gemeinde auch kalkulatorische Zinsen enthielt, allerdings habe man den Fehler nach Bekanntwerden des Urteils des OVG Berlin-Brandenburg korrigiert und eine neue Satzung erlassen. Der Erlass einer rückwirkenden Elternbeitragssatzung sei nach Auffassung der Gemeinde Brieselang zulässig, heißt es in einem dieser Kanzlei vorliegenden Schreiben.


Update 12. April 2018

Die Rechtsanwaltskanzlei VON RUEDEN PartG stellt noch mal klar, dass nicht nur Kitagebühren zurückverlangt werden können, sondern auch die Kosten für die Krippe und den Hort. Die Gebühren für alle drei Eindrichtungen sind in den meisten Gemeinden einheitlich in der Gebührensatzung geregelt.


Update 6. April 2018

Nachdem bereits offenbar mehrere Hundert Eltern Überprüfungsanträge gestellt haben, entscheiden die ersten Gemeinden über die Überprüfungsanträge. Die meisten davon seien vollkommen substanzlos. Darauf weist der Diplom-Jurist Ehssan Khazaeli von der Kanzlei Wedermann | von Rüden hin. „Eine Gemeinde beschränkte sich bei der Begründung nur darauf, dem Mandanten mitzuteilen, dass die angegriffene Satzung „formell und materiell rechtmäßig“ sei“, sagt Khazaeli. Eine tiefergehende Prüfung habe nicht stattgefunden. „Andere Gemeinden halten die Überprüfungsanträge bereits für unzulässig und setzen sich in der Sache nicht mal im Ansatz mit der angegriffenen Satzung auseinander“, kritisiert Khazaeli.


Update 26. März 2018
Nachdem wir bereits gegenüber mehreren Gemeinden und Städten angezeigt haben, dass nach unserer Auffassung ihre Satzungen unwiksam sind, nehmen sich viele Kommunen der Angelegenheit mit der notwendigen Ernsthaftigkeit an. Allerdings nimmt die Bearbeitung unserer Anträge wegen der sehr komplexen Rechtslage und der zum Teil sehr dünnen Personaldecke bei einigen Gemeinden noch sehr viel Zeit in Anspruch. Wir räumen den meisten Gemeinden mit Blick auf § 75 der Verwaltungsgerichtsordnung bzw. § 88 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes bis zu 3 Monate zur weiteren Bearbeitung ein, machen aber auch gleichzeitig deutlich, dass wir nach Ablauf dieser Zeit Klagen vor den Gerichten einreichen werden.

Musterschreiben – Überprüfungsantrag ?

 

Vorbemerkungen
Bitte senden Sie dieses Schreiben zusammen mit einer Bezeichnung der Kostenbescheide und des Kassenzeichens an die Gemeinde, die den Gebührenbescheid erlassen hat. Haben Sie den Betreuungsvertrag mit einem freien Träger adressiert, senden Sie beiden das Schreiben zu. Heben Sie eine Kopie dieses Schreibens für Ihre Unterlagen auf und heben Sie die Antwort auf das Schreiben auf.  Soweit Sie eine Antwort auf das Schreiben erhalten, handelt es sich dabei um einen Ablehnungsbescheid. Hierbei ist wichtig, wann dieser bei Ihnen eingegangen ist, denn innerhalb eines Monats muss gegen diesen Widerspruch eingelegt werden, um zu verhindern, dass er bestandskräftig wird. Wir haben bereits durch mehrere Eltern aus unterschiedlichen Gemeinden erfahren, dass auch nach Ablauf von zum Teil sechs Wochen keine Reaktion auf das Schreiben erfolgte. Spätestens nach Ablauf von drei Monaten empfehlen wir, sich an einen Rechtsanwalt zu wenden.

„Sehr geehrte Damen und Herren,

in der vorbezeichneten Angelegenheit stelle ich gegen den Kostenfestsetzungsbescheid vom xx.xx.2015 sowie etwaiger Folgebescheide einen Überprüfungsantrag gem. § 22 KitaG Bbg i.V.m. § 44 Abs. 1 SGB X. Zur Begründung führe ich wie folgt aus:

Mit Urteil vom 6. Oktober 2017 hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (Az.: 6 A 15.15) entschieden, dass Satzungen, die auf das Kommunalabgabengesetz verweisen, unwirksam sein können. Ob die Voraussetzungen hierfür vorliegen, kann ich nicht beurteilen, da die entscheidenden Kalkulationen in Ihrem Haus stattfanden. Für den Fall, dass die Satzung unwirksam ist, sind auch die auf ihr beruhenden Beide unwirksam und unterliegen der Aufhebung. Das Kommunalabgabengesetz ist per se nicht anwendbar, da es sich bei Elternbeiträgen nicht um Abgaben handelt, sondern um öffentlich-Rechtliche Abgaben eigener Art.

Sie erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Moanten. Sollte Sie die vorgenannte Frist fruchtlos verstreichen lassen, werde ich in Erwägung ziehen, mich rechtsanwaltlich beraten und/oder vertreten zu lassen.

Mit freundlichen Grüßen

Vorname Nachname“

Musterschreiben – Rückforderung Essensgeld?

Rückforderung  Essensgeld für das Kind Max Mustermann (*1.1.2010)

Sehr geehrte Damen und Herren,

in der oben bezeichneten Angelegenheit beantrage ich die Rückzahlung der für mein Kind in den vergangenen Jahren gezahlten Essensbeiträgen. Gem. § 17 Abs. 1 Satz 1 KitaG haben die Personensorgeberechtigten ausschließlich ein Essensgeld zu zahlen, das einen Zuschuss zu dem täglichen Mittagessen darstellt. Die Höhe richtet sich nach dem ersparten Eigenanteil und dürfte bei 1,50 Euro pro Mittagessen liegen. Diese Regelung zum Essensgeld ist als abschließend anzusehen. Gem. § 1 Abs. 2 KitaG haben Kinder bis in die 5. Klasse unter anderem einen Anspruch auf Versorgung. Hieraus ergibt sich, dass die Kosten für das Frühstück, Vespa und etwaige weitere Kostenn mit in die Betriebskosten einfließen müssen. Eine seperate Geltendmachung von Versorgungskosten ist danach unstatthaft.
Dennoch haben Sie mit Bescheiden vom tt.mm.jjjj und vom tt.mm.jjjj jeweils Versorgungsgeld in Höhe von xxx,xx Euro festgesetzt. Diese Beträge haben Sie, wie sich aus dem oben gesagten ergibt, ohne Rechtsgrudn erlangt, weswegen mir ein Rückzahlungsanspruch in der geltend gemachten Höhe zusteht.

Bitte überweisen Sie den Gesamtbetrag auf mein nachfolgend genanntes Girokonto:

Name:

IBAN:

Für den Eingang des genannten Betrages habe ich mir eine Frist bis zum 31. Juni 2018 notiert.

Mit freundlichen Grüßen

– Unterschrift –

Name Vornahme