Hamburg – Dürfen Läden mit mehr als 800 Quadratmetern Fläche in der Hansestadt bald wieder öffnen – oder sogar deutschlandweit? Das Hamburger Verwaltungsgericht hat jedenfalls gestern einem Eilantrag gegen die Schließung einer großen SportScheck-Filiale stattgegeben. Die Richter sehen offenbar wenig Sinn in der Anordnung zum Schutz vor dem Coronavirus, auf die sich Bund und Länder geeinigt hatten.
SportScheck ist in Hamburg mit einem Eilantrag gegen die im Rahmen der Corona-Schutzmaßnahmen verfügte Schließung seiner rund 4000 Quadratmeter großen Filiale auf der Einkaufsmeile Mönckebergstraße vorgegangen – mit Erfolg: Die Richter haben die angeordneten Ladenschließungen erstmals gekippt.
Wie in den anderen Bundesländern durften auch in Hamburg zunächst nur Läden mit einer maximalen Verkaufsfläche von 800 Quadratmetern wieder öffnen. Mit der Regel sollte ein zu großer Ansturm auf die Einkaufszentren verhindert werden, der wiederum zu mehr Fahrgästen in den öffentlichen Verkehrsmitteln führen würde.
Keine gesicherte Tatsachenbasis
Das Verwaltungsgericht Hamburg konnte die Anordnung, auf die sich Bund und Länder zum Schutz vor dem Coronavirus geeinigt haben, offenbar nicht nachvollziehen: „Nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichts verletzt die Untersagung des Betriebs von Verkaufsstellen des Einzelhandels, die 800 Quadratmeter Verkaufsfläche überschreiten, die Antragstellerin in ihrer Berufsfreiheit“, so das Gericht.
Es liege keine gesicherte Tatsachenbasis für die Argumentation des Hamburger Senats vor, dass von größeren Verkaufsflächen allein eine höhere „Anziehungskraft“ ausgehe, erklärte das Gericht am Mittwoch. Diese folge vielmehr „aus der Attraktivität des Warenangebots“. Der Infektionsschutz lasse „sich in großflächigen Handelsgeschäften ebenso gut wie oder sogar besser als in kleineren Einrichtungen einhalten“. Es sei nicht belegt, dass größere Läden zu mehr Gefahren führten. Möbel- und Autohäuser seien auf große Flächen angewiesen, ohne unbedingt viele Kunden anzuziehen.
Gewerbefreiheit unzulässig eingeschränkt
Die Richter argumentierten weiter: Schon durch die genehmigten zusätzlichen Öffnungen von Läden in der Innenstadt werde es zu mehr Kontakten auf der Straße und in Verkehrsmitteln kommen. Infektionsschutz könne auch über zusätzliche Abstandskontrollen und Mundschutz erreicht werden statt über die Einschränkung von Rechten. Daher habe man die Gewerbefreiheit mit dem Bund-Länder-Kompromiss unzulässig eingeschränkt worden, heißt es in dem Beschluss vom Mittwoch (Az. 3E1675/20).
Mit dieser Entscheidung der Hamburger Richter könnte die von vielen Händlern kritisierte 800-Quadratmeter-Einschränkung ins Wanken geraten. Allerdings hat der Senat gegen die Entscheidung bereits Beschwerde bei der nächsthöheren Instanz eingelegt, dem Hamburgischen Oberverwaltungsgericht. Es wurde auch beantragt, die Verordnung bis zur Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts in Kraft zu lassen. Die Richter gehen aber davon aus, dass die Corona-Verordnung im Hauptsacheverfahren mit „weit überwiegender Wahrscheinlichkeit“ gekippt wird. Ein Termin für das Hauptsacheverfahren steht noch nicht fest.
Fällt die umstrittene 800-Quadratmeter-Verordung?
Ob SportScheck seine Hamburger Filiale in der Mönckebergstraße schon heute wieder komplett öffnen darf, ist also noch unklar. Die Entscheidung des Gerichts gilt jedenfalls zunächst nur für diese eine Filiale. SportScheck gehört seit Anfang des Jahres zum Konzern Galeria Karstadt Kaufhof, der in mehreren Ländern gegen die Corona-Verordnungen klagt. Einige der Eilanträge wurden bereits zurückgewiesen.
In Nordrhein-Westfalen dürfen größere Läden öffnen, wenn sie ihre Verkaufsfläche auf 800 Quadratmeter verkleinern. Auch in Baden-Württemberg hat ein Verwaltungsgericht entschieden, dass größere Läden auf verkleinerter Fläche verkaufen dürfen. Diese Regelung gilt in Hamburg schon seit Beginn der Lockerungen. Jetzt heißt es abwarten, wie die anderen Gerichte entscheiden. Bleibt es bei der Entscheidung des Verwaltungsgerichts, könnten schon bald auch andere große Kaufhäuser wieder öffnen.