StVO-Novelle: Richterin hatte schon im Mai vor den Fehlern gewarnt

Veröffentlicht am in Verkehrsrecht

Die fehlerhafte neue Straßenverkehrsordnung (StVO) hat die Polizeibehörden der Länder in ein Chaos gestürzt: Fahrverbote wurden nach den neuen Regeln erlassen und müssen jetzt zurückgenommen werden. Dabei wiesen Richter schon im Mai auf Fehler bei der Novelle der StVO hin. Doch es geschah – nichts. Offenbar war das brisante Scheiben auf dem Dienstweg hängengeblieben.

Die neue StVO enthält eine besonders umstrittene Neuregelung: Autofahrer müssen ihren Führerschein bereits für einen Monat abgeben, wenn sie innerorts mit 21 km/h oder außerorts mit 26 km/h zu schnell fahren und geblitzt werden. Tausende Autofahrer mussten seit dem 28. April ihre Führerscheine zu Unrecht abgeben und einige Bundesländer schicken sie jetzt zurück.

Richterin sah Klagewelle kommen

Laut einem Bericht des Nachrichtenmagazins SPIEGEL hat die Präsidentin des Oberlandesgerichts in Stuttgart, Cornelia Horz, am 22. Mai einen Brandbrief zum Thema Geschwindigkeitskontrollen, Bußgelder und Fahrverbote an das baden-württembergische Justizministerium geschickt. Sie kritisierte die Novelle der Straßenverkehrsordnung des Bundesverkehrsministeriums und warnte davor, dass sie grobe Fehler aufweise.

Die Brisanz ihres Schreibens war klar zu erkennen: Horz hatte auf einen „Verstoß gegen das Zitiergebot“ verwiesen, der die Ende April verabschiedete Novelle unwirksam machen könne. Sie sah eine Klagewelle kommen und forderte das Bundesverkehrsministerium auf, eine möglichst schnelle Korrektur der fehlerhaften Regelung vorzunehmen. Doch die Warnung hat das Berliner Ministerium offenbar gar nicht erreicht – sie ist irgendwo auf dem Dienstweg hängengeblieben.

Warnbrief auf dem Dienstweg hängengeblieben

Das Schreiben war vom CDU-geführten Justizministerium an das grüne Verkehrsministerium weitergeleitet worden. Dort war es zwar laut Ministerium am 8. Juni eingetroffen, aber wegen Krankheit des zuständigen Beamten zunächst nicht bearbeitet worden. „Als schließlich ein entsprechendes Schreiben an das Bundesverkehrsministerium entworfen wurde, kamen von dort bereits öffentliche Erklärungen über eine mögliche Nichtigkeit von Teilen der StVO-Novelle“, kommentiert ein Sprecher des Ministeriums den Vorgang.

In der Zwischenzeit hatte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) die Regelung für nichtig erklärt, nach der Autofahrer mit einem Monat Fahrverbot belegt werden sollen, die innerorts mehr als 21 km/h und außerorts mehr als 26 km/h zu schnell gefahren sind. In rund 11.500 Fällen waren bundesweit bereits Fahrverbote ausgesprochen worden. Sie müssen jetzt von den Behörden zurückgenommen werden.

Neben dem Formfehler enthält die neue StVO noch weitere Kuriositäten: Zum Beispiel müssen Fahrer eines Busses oder Lkw weniger zahlen als Pkw-Fahrer, wenn sie zu schnell durch eine Tempo-30-Zone fahren. Verkehrsrechtsexperten beurteilen manche Regelungen des neuen Bußgeldkatalogs als willkürlich und die Novelle in Teilen als stümperhaft. Sie müsse insgesamt überarbeitet werden.

Streit um Novelle der Novelle

Nach dem kostspieligen Mautdebakel ist das Chaos um die neue StVO eine weitere Riesenblamage für das von Andreas Scheuer geführte Verkehrsministerium. Die StVO muss jetzt erneut überarbeitet werden – und Scheuer will die umstrittene Regelung dabei auch gleich entschärfen. Darüber ist bereits ein Streit entbrannt; besonders die Grünen weigern sich, eine Entschärfung zu akzeptieren.

Ihr Vorsitzender Robert Habeck will das Thema Verkehrssicherheit zum zentralen Wahlkampfthema für die Bundestagswahl 2021 machen und auch endlich Tempo 130 auf Autobahnen einführen. „Es gibt kein Recht auf Rasen“, so Habeck. Auch Winfried Hermann, Verkehrsminister von Baden-Württemberg, hat sich klar gegen die Abkehr von den härteren Sanktionen ausgesprochen. Der Fehler liege bei Scheuer, der jetzt auch noch zu korrigieren versuche, was ihm nicht gefalle.

Der Unfallforscher Siegfried Brockmann hält die Grenze bei Tempo 21 km/h innerorts ebenfalls für sinnvoll, weil der Bremsweg bei höheren Geschwindigkeiten zu lang wäre: „Wer mit Tempo 30 bremst und rechtzeitig vor einem Kind zu stehen kommt, der hat bei Tempo 50 noch gar nicht angefangen zu bremsen, wenn sein Wagen das Kind schon trifft“, so der Experte.

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