Wie gehen die Länder mit der ausgesetzten StVO um?

Veröffentlicht am in Verkehrsrecht

Mit der StVO-Novelle sind Ende April härtere Bußgeld- und Fahrverbotsregelungen in Kraft getreten. Doch wegen eines juristischen Formfehlers in der neuen Verordnung haben die meisten Bundesländer die Fahrverbote wieder ausgesetzt. Die Rechtslage ist zu Zeit unübersichtlich. Doch die Landesverkehrsminister sind sich einig, die neuen strengeren Fahrverbote für Geschwindigkeitsüberschreitungen bundesweit außer Vollzug zu setzen.

Die meisten Bundesländer sind vorerst zum alten Bußgeldkatalog zurückgekehrt. Alle Länder seien sich in dem Punkt einig, sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann nach einer Telefonkonferenz der zuständigen Länderminister. Aber was heißt das konkret? Muss jetzt die gesamte StVO-Novelle noch einmal neu verhandelt werden? Wie gehen die Behörden mit Ordnungswidrigkeiten um, die bereits nach dem neuen Bußgeldkatalog verhängt wurden?

Fahrverbote fast überall ausgesetzt

Beginnend mit dem Saarland folgten 13 weitere Bundesländer der Aufforderung Scheuers und setzten Teile der Verordnung außer Kraft. In allen Ländern bis auf Bremen und Thüringen sind die neuen Fahrverbote zunächst ausgesetzt. Thüringen will die betreffenden Tatbestände erst ahnden, wenn Klarheit herrscht. Dort nehmen die Behörden Verstöße zwar auf, ahnden sie aber derzeit nicht. Bremen hat entschieden, den neuen Bußgeldkatalog weiterhin beizubehalten – bis auf Verstöße, für die in der neuen StVO Punkte und Fahrverbote vorgesehen sind.

Es entsteht also ein bundesweiter Flickenteppich: Die Länder können die alten Regelungen weiter anwenden oder die Überschreitungen nach dem neuen Katalog nicht ahnden, so wie Thüringen. Niedersachsen hat angekündigt, bei den schärferen Regeln bleiben zu wollen. „Raserei ist Todesursache Nummer eins auf unseren Straßen. Wir sollten uns dem Wohle unserer Bevölkerung verpflichten und nicht dem einiger lauter Lobbyisten“, kommentierte Innenminister Boris Pistorius die Entscheidung.

Um welche Verstöße geht es bei den umstrittenen Fahrverboten?

Die neuen Fahrverbote sollten im neuen Bußgeldkatalog folgende Verstöße sanktionieren:

• Geschwindigkeitsüberschreitungen von 21 bis 30 km/h innerorts und 26 bis 40 km/h außerorts

• fehlende Bildung einer Rettungsgasse ohne Behinderung oder Gefährdung

• Befahren der Rettungsgasse durch Unbefugte

• gefährliches Abbiegen

Ob die Fahrverbote für diese Ordnungswidrigkeiten später von den Ländern wieder verhängt werden, ist zurzeit unklar. Eine Sprecherin des Bundesverkehrsministeriums unterstreicht aber, dass die Regelungen zu Fahrverboten in Artikel drei der StVO-Novelle derzeit nichtig sind.

Umgang mit Bußgeldern unklar

Für bestimmte Verstöße wurden in der neuen StVO auch die Bußgelder deutlich angehoben. Ob sich der Formfehler auch auf die übrigen Regelungen der Novelle auswirkt, ist allerdings noch offen. Zwar bezieht sich das verletzte Zitiergebot nur auf die Fahrverbote, doch einige Juristen sind der Auffassung, dass mit dem Formfehler die gesamte Novelle nichtig ist. Demnach müssten sämtliche Neuerungen rückgängig gemacht werden.

Ein Verstoß gegen das Zitiergebot ist auch laut Bundesverfassungsgericht so schwerwiegend, dass in dem Fall die gesamte Verordnung an rechtlicher Wirkungskraft verliert (BVerfG, Urteil vom 06. Juli 1999 – 2 BvF 3/90).

Brandenburg zahlt Bußgelder bereits zurück

Wie die Länder mit den Bußgeldern verfahren, ist derzeit nicht einheitlich geregelt. Einige Bundesländer weisen die Behörden an, für noch offene Verfahren den alten Bußgeldkatalog anzuwenden. Als erstes Bundesland zahlt Brandenburg zu viel bezahlte Bußgelder für Tempoverstöße zurück – sogar bei rechtskräftigen Bußgeldbescheiden. Hessen hat die Einstellung der Verfahren angekündigt, doch in den anderen Bundesländern müssen betroffene Verkehrssünder zahlen.

Auch bei den Fahrverboten reagieren die Länder unterschiedlich: Während Bayern Führerscheine zurückgibt, wenn das Fahrverbot nach dem neuen Bußgeldkatalog verhängt wurde, bestehen andere Länder auf dem Rechtsweg – was die Betroffenen und die Amtsgerichte zusätzlich belastet.

Weil ein komplett neues Gesetzgebungsverfahren notwendig ist, wird es wohl noch einige Zeit dauern, bis es wieder bundesweit einheitliche Regelungen gibt. Das Bundesverkehrsministerium will einen neuen Vorschlag zur Änderung des Bußgeldkatalogs machen, der dann noch die Zustimmung des Bundesrates braucht. Klar ist jedenfalls weiterhin, dass die Polizei Einhaltung der Verkehrsvorschriften kontrolliert und Raser bestraft.

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