Vorsicht bei Abmahnungen wegen falscher Preisangaben: Preisangabenverordnung weitgehend unanwendbar

Veröffentlicht am in Wettbewerbsrecht

Sollten Sie als Händler eine Abmahnung erhalten haben, die sich auf Vorschriften der Preisangabenverordnung (PAngV) stützt, sollten Sie diese genau prüfen. Seit dem Ablauf einer Übergangsfrist Mitte Juni sind viele Bestimmungen der Preisangabenverordnung nicht mehr gültig.

Seit dem 12.06.2013 dürfen bestimmte nationale Regelungen nicht mehr angewendet werden, nämlich solche, die ein höheres Verbraucherschutzniveau erlauben, als es die UGP-Richtlinie (RL 2005/29/EG)  vorschreibt. Hiervon sind besonders Unternehmer betroffen, die sich an die PAngV zu halten haben, aber auch andere Gewerbe.

Grundlage: Die Übergangsregelung der UGP-Richtlinie

Nach Art. 3 Abs. 5 UGP-Richtlinie durften die Mitgliedsstaaten „für einen Zeitraum von sechs Jahren ab dem 12. Juni 2007 in dem durch diese Richtlinie angeglichenen Bereich nationale Vorschriften beibehalten, die restriktiver oder strenger sind als diese Richtlinie und zur Umsetzung von Richtlinien erlassen wurden und die Klauseln über eine Mindestangleichung enthalten.“ Diese Frist ist mittlerweile ausgelaufen, weshalb viele strengere Vorschriften der PAngV unanwendbar geworden sind. An ihre Stelle treten wegen des Anwendungsvorrangs des EU-Rechts die Regelungen der Preisangabenverordnung des Rats der Europäischen Union (RL 98/6 EG) vom 16.02.1998. Im Folgenden wollen wir Ihnen einen Überblick über die Regelungen verschaffen, die nach dem 12.06.2013 nicht mehr anwendbar sind und auf die sich mithin Abmahnungen nicht mehr stützen können.

„Werbung mit Preisen“

Die Preisangabenrichtlinie regelt in Art. 3 Abs. 4 lediglich den Fall einer „Werbung, bei der der Verkaufspreis der Erzeugnisse gemäß Art. 1 genannt wird.“ Die Werbung mit Preisen ist damit nicht vom sachlichen Anwendungsbereich der Preisangabenrichtlinie erfasst. Insoweit geht § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV über die Mindestvorgaben der Preisangabenrichtlinie hinaus.

Angaben der Verkaufs- oder Leistungseinheit und der Gütebezeichnung

§ 1 Abs. 1 Satz 2 PAngV verlangt, dass neben dem Verkaufspreis auch die betroffene „Verkaufseinheit“ und die „Gütebezeichnung“ genannt werden. Sowohl für die Angabe der „Verkaufseinheit“ als auch für die „Gütebezeichnung“ findet sich in der Richtlinie keine Grundlage, weshalb solche Angaben nicht mehr verlangt werden können. Bei Gütebezeichnungen kann sich dennoch die Frage stellen, ob deren Angabe anderweitig gesetzlich vorgeschrieben ist.

Verhandlungsbereitschaft

Auf die Bereitschaft, dass der Preis verhandelbar ist, braucht nicht mehr hingewiesen zu werden. Dies sah und sieht § 1 Abs. 1 Satz 3 PAngV nach wie vor vor, soweit es der „allgemeinen Verkehrsauffassung entspricht und Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen“. Auf die Verhandlungsbereitschaft muss mithin nicht mehr hingewiesen werden, in Einzelfällen kann dies jedoch wirtschaftlich vorteilhaft sein.

Pfandregelungen

Die Pfandregelung nach § 1 Abs. 4 PAngV ist strenger als die Art. 7 Abs. 4 lit. c) Preisangabenrichtlinie, weshalb sie unanwendbar ist.

Allgemeine Anforderungen an Preisangaben

Problematisch stellt sich die Regelung § 1 Abs. 6 S. 3 PAngV dar, die dazu verpflichtet, „bei der Aufgliederung von Preisen die Endpreise hervorzuheben“.  Die EU-Richtlinie verlangt in diesem Fall lediglich, dass die wesentlichen Informationen nicht „auf unklare, unverständliche, zweideutige Weise“ bereitgestellt werden. Eine klare und unmissverständliche Information über den Preis kann aber auch ohne Hervorhebung des Endpreises geschehen, weshalb wir an dieser Stelle dennoch empfehlen, den Endpreis weiterhin hervorzuheben.

Grundpreisangabe

§ 2 Abs. 1 der PAngV ist durch das Tatbestandsmerkmal „in unmittelbarer Nähe“ strenger als Art. 4 RL 98/6/EG. Das Tatbestandsmerkmal „in unmittelbarer Nähe“ hatte der bundesdeutsche Verordnungsgeber aus § 11 Abs. 2 bzw. § 19 aF FertigPackV in die PAngV übernommen, um „einen optimalen Preisvergleich“ zu ermöglichen. Damit kann diese wichtige Regelung nach dem 12.06.13 ebenfalls keine Geltung mehr für sich beanspruchen.

Regelungen für den Handel

Eine ganze Reihe der detaillierten Preisauszeichnungspflichten aus § 4 PAngV sind strenger als die EU-Vorgaben und damit ebenfalls nach dem 12.06.13 nicht mehr anwendbar. Neben den oben genannten Regelungen der Preisangabenverordnung sind noch eine Reihe weiterer Vorschriften der PAngV für Leistungen, Gaststätten und Beherbergungsbetriebe nicht mehr anwendbar.

Rechtsfolgen

Seit dem 12.06.13 dürfen Regelungen, die strenger als das EU-Recht sind, von deutschen Gerichten nicht mehr angewendet werden. Bei Unterlassungstiteln, die sich bisher auf eine der oben genannten Regelungen gestützt haben, entfällt die Geschäftsgrundlage, sodass gem. § 313 Abs. 1 BGB die Anpassung des Unterlassungsvertrags gefordert werden kann. Unterlassungstiteln, die sich auf eine der oben genannten Regelungen stützen, kann mit der Vollstreckungsabwehrklage gem. § 767 ZPO begegnet werden. Eine Anpassung der PAngV ist durch den bundesdeutschen Gesetzgeber bisher noch nicht geschehen.

Die Rechtsanwaltskanzlei VON RUEDEN ist eine auf den gewerblichen Rechtsschutz spezialisierte Kanzlei. Sollten Sie Fragen Preisangabenverordnung haben, stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.