Zu der Frage, wer die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen der Annahme einer Irreführung im Wettbewerbsprozess trägt, hat sich das OLG München in einem Urteil vom 08.03.2012 (Az.: 29 U 3837/11) geäußert.
Sachverhalt
Die Klägerin hatte über ihr selektives Vertriebssystem Luxusartikel angeboten, darunter auch Uhren der Marke Jaeger-LeCoultre. Die Beklagte, die nicht zu diesem Vertriebssystem gehörte, vertrieb Uhren im Internet. Sie hatte mit der Angabe Lieferzeit: 1 – 2 Wochen eine nicht von ihr selbst vorrätig gehaltene Uhr der Marke Jaeger-LeCoultre beworben, die am 22. Juli 2010 von einer Testkäuferin bestellt worden war. Einen Tag nach der Bestellung hatte der Geschäftsführer der Beklagten der Testkäuferin eine E-Mail folgenden Inhalts zugesandt:
„Ich klär mal die Lieferzeit ab und dann sage ich Bescheid.“
Am 27. Juli 2010 hatte die Testkäuferin mitgeteilt, dass sie sich vom 30. Juli bis zum 9. August 2010 im Urlaub befinden würde, und daher darum gebeten – falls eine Lieferung vorher nicht mehr möglich sei – ihr die Uhr erst danach zuzusenden. Der Geschäftsführer der Beklagten hatte dann geantwortet:
„Leider kann ich bis jetzt nichts zur Lieferzeit sagen, warte noch auf Info, da die Uhr gerade nicht lieferbar ist.“
Am 29. Juli 2010 hatte der Geschäftsführer der Beklagten, der Klägerin eine Mitteilung zukommen lassen, dass die Uhr im Laufe der folgenden Woche kommen wird und eine Versendung ab dem 9. August 2010 erfolgen könne. Darauf hatte die Testkäuferin geantwortet, dass sie die Uhr per Vorkasse bezahlen wird und den Kaufpreis überweisen wolle, sobald sie wieder in München sei. Am 30. Juli 2010 hatte die Beklagte mitgeteilt, dass die Lieferzeit drei bis vier Tage ab Eingang des Kaufpreises betragen wird. Am 17. August 2010 kam die Uhr dann bei der Testkäuferin an, nachdem sie am 7. August 2010 den Kaufpreis überwiesen hatte und der Versand am 12. August 2010 erfolgt war.
Die Klägerin mahnte daraufhin die Beklagte u.a. wegen der Angabe einer völlig falschen Lieferzeit bei der Versendung der Uhr ab. Diesbezüglich hatte sie vorgetragen, dass die Beklagte im Zeitpunkt der Werbung mit der Angabe Lieferzeit: 1 – 2 Wochen nicht über eine sichere Lieferbeziehung verfügt hatte, durch die eine Belieferung mit der Uhr innerhalb der genannten Zeitspanne gesichert gewesen wäre, und sich zur Begründung auf die Äußerungen des Geschäftsführers der Beklagten bezogen.
Entscheidung
Das Landgericht hatte die Klage im Wesentlichen abgewiesen. Die Klägerin ging daraufhin in Berufung, die dann allerdings als unbegründet verworfen wurde.
Das OLG entschied, dass der Klägerin kein Unterlassungsanspruch zustehe, weil ihr die Darlegungs- und Beweislast für die von ihr behauptete Irreführung obliege und sie dieser Obliegenheit nicht nachgekommen sei. Das Gericht führte hierzu aus:
„Die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen der Annahme einer Irreführung liegt im Wettbewerbsprozess grundsätzlich beim Kläger. Hat dieser jedoch keine genaue Kenntnis von den Umständen und auch keine Möglichkeit, den Sachverhalt von sich aus aufzuklären, während der Beklagte über diese Kenntnis verfügt und die Aufklärung ohne weiteres leisten kann, kann den Beklagten nach dem auch im Prozessrecht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB eine prozessuale Erklärungspflicht treffen; das setzt allerdings voraus, dass der Kläger über bloße Verdachtsmomente hinaus die für die Irreführung sprechenden Tatsachen vorgetragen hat.“
Im vorliegenden Fall, so das Gericht, hatte die Klägerin lediglich unergiebige Verdachtsmomente vorgetragen und keine darüber hinausgehenden Tatsachen, welche für die behauptete Irreführung gesprochen hätten. Im Ergebnis hatte sie so die uneingeschränkte Darlegungs- und Beweislast getragen.
Die erst nach der Bestellung der Uhr erfolgten Äußerungen des Geschäftsführers zu Unsicherheiten bei der Lieferzeit würden nicht den Rückschluss erlauben, dass die Beklagte bei Vornahme der Werbung mit einer bestimmten Lieferzeit keine derart gesicherten Lieferbeziehungen gehabt hätte. Die Äußerungen hätten allenfalls darauf hingedeutet, dass die Beklagte nach der Bestellung auf Schwierigkeiten gestoßen war, sich die Uhr in der von ihr erwarteten Weise zu beschaffen. Der Umstand, dass eine Lieferung letztendlich doch möglich war, habe gezeigt, dass diese Schwierigkeiten nicht durchgreifend gewesen waren und die zugesagte Frist nur wegen der vorübergehenden Abwesenheit der Testkäuferin unwesentlich überschritten worden war.
Im Ergebnis waren diese Äußerungen daher nicht geeignet gewesen, die Unrichtigkeit und damit den irreführenden Charakter der beanstandeten Werbung mit einer ein- bis zweiwöchigen Lieferzeit zu belegen.
Das klägerische Vorbringen, so das OLG, hatte sich in vagen Verdachtsmomenten erschöpft und somit würde es nicht den Anforderungen genügen, die es gebieten könnten, der Beklagten eine über ihr allgemeines Bestreiten hinausgehende Substantiierungslast aufzuerlegen.
Im Streitfall, so das Gericht abschließend, würde zudem der Gesichtspunkt der durch das selektive Vertriebssystem der Klägerin begründeten Gefahr der Abschottung der Märkte dagegen sprechen, die Anforderungen an den klägerischen Vortrag niedrig anzusetzen. Eine der Beklagten auferlegte sekundäre Darlegungslast würde diese dazu nötigten, substantiiert zu ihren Lieferanten vorzutragen, und der Klägerin somit die Möglichkeit eröffnen, die Absatzwege, auf denen die Ware die Beklagte erreicht, zu verstopfen und auf diese Weise ein sie störendes (Preis-)Verhalten der Beklagten zu unterbinden.