Haftbefehl – rechtliche Grundlagen und Arten im deutschen Recht

[VR WISSEN]

In Deutschland erlassen grundsätzlich Haftrichter einen Haftbefehl, außer bei vorläufigen Festnahmen ohne Richtervorbehalt wegen Gefahr im Verzug, um eine Person in Gewahrsam zu nehmen. Der Erlass der richterlichen Anordnung kann vor, während oder nach einem Gerichtsverfahren erfolgen – je nachdem, ob diese der Sicherung des Verfahrens, der Vollstreckung einer Strafe oder der Durchsetzung zivil- oder verwaltungsrechtlicher Ansprüche dient.

Je nach Rechtsgebiet gibt es unterschiedliche Arten von Haftbefehlen mit spezifischen Voraussetzungen und Zwecken. In diesem Beitrag stellen wir die wichtigsten Arten vor und erklären, wie ein Rechtsanwalt durch Haftprüfung oder Haftbeschwerde gegen einen Haftbefehl vorgehen kann. Dazu zeigt ein aktuelles Urteil aus Brandenburg, wie U-Haft durch geschickte Verteidigungsstrategien aufgehoben werden kann.

Hinweis

Eine vorläufige Festnahme ist ohne Haftbefehl durch einen Haftrichter möglich: Staatsanwaltschaft und Polizei dürfen eine Person ohne richterlichen Haftbefehl festnehmen, wenn die Voraussetzungen mit Haftgrund und dringendem Tatverdacht vorliegen und die richterliche Entscheidung nicht abgewartet werden kann (Gefahr im Verzug § 127 Abs. 2 StPO). Die Entscheidung des Haftrichters ist im Anschluss unverzüglich nachzuholen. Jeder darf eine Person vorläufig festnehmen, wenn diese auf frischer Tat ertappt wird und Fluchtgefahr besteht oder die Identität nicht sofort feststellbar ist (Jedermannsrecht, § 127 Abs. 1 StPO).

Die verschiedenen Arten des Haftbefehls

Im Straf-, Zivil- und Verwaltungsprozessrecht gelten mehrere Arten von Haftbefehlen.

Haftbefehl im Kontext Strafprozessrecht

  • U-Haftbefehl
  • Unterbringungsbefehl
  • Sitzungshaftbefehl in der Hauptverhandlung
  • Sicherungshaftbefehl
  • Vollstreckungshaftbefehl
  • Internationaler Haftbefehl

Haftbefehl im Kontext Zivilprozessrecht

  • Haftbefehl zur Durchsetzung der Zeugenpflicht (§ 390 ZPO)
  • Erzwingungshaftbefehl gegen Schuldner bei Verweigerung der eidesstattlichen Vermögensauskunft (§ 802g ZPO)
  • Haftbefehl zur Erzwingung der Herausgabe von Sachen (§ 883 ZPO)
  • Haftbefehl zur Erzwingung von nicht vertretbaren Handlungen (§ 888 ZPO)
  • Haftbefehl zur Erzwingung von Unterlassungen und Duldungen (§ 890 ZPO)
  • Haftbefehl wegen Ordnungswidrigkeiten im Verfahren (§ 178 GVG)
Der Fotoausschnitt zeigt beispielhaft, wie ein typischer Haftbefehl aussieht.

Haftbefehl im Kontext Verwaltungsrecht

  • Abschiebungshaftbefehl (§ 62 AufenthG)
  • Erzwingungshaftbefehl bei Verwaltungsvollstreckung

U-Haftbefehl

Für die Verwahrung einer Person in Untersuchungshaft muss die Staatsanwaltschaft beim Haftrichter einen Antrag auf Erlass eines U-Haftbefehls stellen. Nach der Festnahme durch die Polizei muss spätestens am Folgetag die Vorführung beim Haftrichter erfolgen, der den Haftbefehl prüft und verkündet und darüber entscheidet, ob dieser in Vollzug gesetzt wird.

Da diese Form des Freiheitsentzugs in der Praxis zu oft angeordnet wird, sollten sich Betroffene und deren Angehörige an einen Anwalt für Strafrecht wenden, um die Rechtmäßigkeit prüfen zu lassen und bei Freispruch oder Verfahrenseinstellung Schadensersatzansprüche geltend zu machen.

Unterbringungsbefehl

Ein Unterbringungsbefehl dient nach § 63, § 64 StGB und § 126a StPO der Unterbringung einer beschuldigten Person in einer Erziehungsanstalt oder einem psychiatrischen Krankenhaus. Die Unterbringung setzt verminderte Schuldfähigkeit oder Schuldunfähigkeit voraus und dient dem Schutz der Allgemeinheit, während die Staatsanwaltschaft ermittelt und der Gerichtsprozess läuft. Das zuständige Amtsgericht erlässt den Unterbringungsbefehl. Wenn sich herausstellt, dass die Person vollständig schuldfähig ist und ein Haftgrund besteht, folgt die Umwandlung in einen Haftbefehl.

Sitzungshaftbefehl zur Sicherung der Anwesenheit in der Hauptverhandlung

Für die Durchführung einer Hauptverhandlung muss die beschuldigte Person anwesend sein, solange die Ausnahmeregeln der §§ 231ff StPO nicht greifen. Zur Sicherstellung der Anwesenheit kann der Vorsitzende des Gerichts die Person während einer Verhandlungsunterbrechung in Gewahrsam halten lassen, damit diese sich nicht entfernen kann.

Kommt die beschuldigte Person der Anwesenheitspflicht nicht nach und fehlt unentschuldigt, kann der Haftrichter einen Vorführungsbefehl erlassen oder auch Tage oder Wochen vor dem Termin der Hauptverhandlung die Ermittlungshaft durch einen Sitzungshaftbefehl gemäß § 230 Abs. 1 Alt. 2 StPO veranlassen. In der Regel erfolgt zunächst der Erlass eines Vorführungsbefehls und die Anordnung eines Sitzungshaftbefehls erst, wenn der Vorführungsbefehl erfolglos bleibt oder aussichtslos erscheint. Die Haft aufgrund dieser Art des Haftbefehls endet spätestens mit dem Abschluss der Hauptverhandlung.

Sicherungshaftbefehl zur Sicherung der Strafvollstreckung

Ein Sicherungshaftbefehl dient im Strafprozessrecht ebenfalls der Sicherung der Verfahrensdurchführung oder Strafvollstreckung. Der Haftbefehl erfolgt bei Bewährungswiderruf nach § 453c StPO, zum Beispiel wenn die verurteilte Person flüchtig ist. Beim Sicherungshaftbefehl nach § 453c StPO liegt anders als beim Sitzungshaftbefehl schon eine rechtskräftige Verurteilung vor.

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Vollstreckungshaftbefehl bei Nichtantritt zur Strafe

Ein Haftrichter kann einen Vollstreckungshaftbefehl aus verschiedenen Gründen anordnen. Dieser Haftbefehl zielt auf die Vollstreckung einer rechtskräftig verhängten Freiheitsstrafe ab, wenn die verurteilte Person die Strafe nicht antritt. Er kommt auch beim Widerruf einer Bewährungsstrafe zum Einsatz, wenn die verurteilte Person nicht der Ladung zum Strafantritt folgt. Zudem kann der Vollstreckungshaftbefehl ergehen, wenn eine Geldstrafe nicht bezahlt wurde.

Haftbefehl im Zivilprozessrecht

Die verschiedenen zivilrechtlichen Haftbefehle dienen als wichtiges Instrument zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche, wenn die freiwillige Erfüllung ausbleibt. Diese zielen anders als im Strafrecht nicht auf die Aufklärung von Straftaten ab, sondern auf die Durchsetzung prozessualer Pflichten und privater Ansprüche.

Internationaler Haftbefehl

Ein internationaler Haftbefehl unterscheidet sich von einem nationalen Haftbefehl, indem ausstellende Staaten andere Staaten darum ersuchen, diesen ebenfalls durchzusetzen. Die Durchsetzung hängt unter anderem davon ab, ob zwischen den Staaten ein Auslieferungsabkommen existiert, wie es Deutschland mit vielen anderen Staaten hat. Zudem sind rechtliche Unterschiede zu beachten, wobei es innerhalb der Europäischen Union mit dem EU-Haftbefehl (EuH) ein vereinfachtes Verfahren zur Erleichterung von Auslieferungen gibt.

Der Internationale Strafgerichtshof  (IStGH) in Den Haag ist ein unabhängiges internationales Gericht, das sich mit schwerwiegenden Verbrechen wie Kriegsverbrechen und Völkermord befasst und Haftbefehle ausstellt, die sich von nationalen und internationalen Haftbefehlen unterscheiden. Zwar haben 124 Länder den Vertrag des IStGH unterzeichnet, Staaten wie Russland, China, USA und Israel jedoch nicht. Die Haftbefehle haben daher in diesen Ländern keine Gültigkeit.

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Haftbefehl im Verwaltungsprozessrecht

Haftbefehle im Verwaltungsrecht unterscheiden sich vom Strafprozessrecht und Zivilprozessrecht. Diese dienen hauptsächlich der Durchsetzung hoheitlicher Maßnahmen. Einen Abschiebungshaftbefehl kann ein Gericht in Form von Vorbereitungs- oder Sicherungshaft anordnen. Voraussetzung ist eine bevorstehende Abschiebung und die Gefahr, dass die betroffene Person untertaucht. Ein Erzwingungshaftbefehl gilt als letztes Mittel zur Durchsetzung behördlicher Anordnungen.

Während im Strafrecht ein Haftrichter für die Anordnung zuständig ist, existiert im Zivil- und Verwaltungsrecht kein spezieller Haftrichter, stattdessen ist einfach vom Erlass durch das zuständige Gericht die Rede.

Mit Anwalt gegen Haftbefehl zur Wehr setzen

Ein Gericht kann gegen eine beschuldigte Person einen Haftbefehl erlassen, die dann in U-Haft genommen wird. Mithilfe eines Anwalts kann sie sich dagegen zur Wehr setzen, je nach Fall in Form einer Haftprüfung oder Haftbeschwerde. Die Haftprüfung ermöglicht Beschuldigten im Rahmen einer mündlichen Verhandlung einen guten Eindruck zu hinterlassen, was die Annahme von Fluchtgefahr entkräften kann. Besonders bei schweren Delikten führt eher eine Haftbeschwerde zum Erfolg, zum Beispiel wenn der Richter beim Erlass des Haftbefehls die Rechtslage nicht richtig eingeschätzt hat. Ihr Rechtsanwalt entscheidet anhand der Akteneinsicht, welche Form der Gegenwehr höhere Erfolgschancen hat.

Hinweis: In Untersuchungshaft befindliche Personen haben das Gerichtsverfahren noch vor sich und gelten bis zu einer möglichen Verurteilung als nicht schuldig. Sie dürfen einen Verteidiger ihrer Wahl beauftragen, der sie bei der späteren Verhandlung vertritt. Dabei hat Ihr Anwalt das Recht, die Ermittlungsakten einzusehen, das Beweismaterial zu sichten und Sie jederzeit und unüberwacht in der Ermittlungshaft zu besuchen.

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FAQ: Häufige Fragen zum Thema U-Haft

Grundsätzlich ist zwischen dem Haftbefehl vor einer Verurteilung (U-Haftbefehl, §§ 112 ff. StPO) und dem Haftbefehl nach einer Verurteilung (Vollstreckungshaftbefehl nach § 457 StPO) zu unterscheiden. Weitere Formen des Haftbefehls mit spezifischeren Anwendungsfällen sind u. a. der Sicherungshaftbefehl (§ 230 Abs. 2 StPO) und der Unterbringungsbefehl (§ 126a StPO).

Ein U-Haftbefehl ist eine schriftliche Anordnung eines Richters, die dazu dient, eine Person festzunehmen und in Ermittlungshaft zu nehmen. Er dient der Sicherung der ordnungsgemäßen Durchführung eines Verfahrens und wird entsprechend dann erlassen, wenn dringender Tatverdacht und/oder Verdunklungs- oder Fluchtgefahr vorliegt.

Im Kontext eines U-Haftbefehls laufen die Ermittlungen. In der Regel erfährt man daher erst von diesem, wenn die Polizei zur Verhaftung eintrifft. Dies geschieht aus ermittlungstaktischen Gründen, um eine mögliche Flucht oder Verdunkelungshandlungen zu verhindern. Entsprechend existiert auch keine öffentlich einsehbare Liste, in der nachzulesen wäre, ob ein Haftbefehl gegen eine bestimmte Person bzw. gegen einen selbst ausgestellt wurde. Ihr Rechtsanwalt kann dies jedoch in Erfahrung bringen, indem er eine Akteneinsicht bei der ermittelnden Staatsanwaltschaft beantragt.

Ein Strafantrittshaftbefehl wird hingegen nicht plötzlich erlassen. Der Verurteilte erhält zunächst von der Staatsanwaltschaft (als Vollstreckungsbehörde) eine schriftliche „Ladung zum Strafantritt”. Mit dieser Ladung wird eine Frist gesetzt, bis zu deren Ablauf man sich freiwillig in einer bestimmten Justizvollzugsanstalt einfinden muss. Erst wenn man dieser Aufforderung nicht nachkommt, ergeht der Strafantrittshaftbefehl. In der Regel weiß man also, dass ein solcher Haftbefehl droht oder bereits erlassen ist.

Bei Vollstreckung des U-Haftbefehls, also bei Verhaftung einer Person, wird diese von der Polizei zunächst über ihre Rechte belehrt. Dazu gehört das Recht zu schweigen und das Recht, einen Anwalt zu kontaktieren. Spätestens einen Tag nach der Festnahme muss die verhaftete Person dem zuständigen Richter vorgeführt werden. Dieser verkündet den Haftbefehl und prüft, ob die Voraussetzungen für dessen Aufrechterhaltung weiterhin bestehen. Dabei hat der Beschuldigte die Möglichkeit, sich zur Sache zu äußern und entlastende Umstände vorzubringen. Nach dieser sogenannten Haftvorführung entscheidet der Richter, ob der U-Haftbefehl aufgehoben, gegen Kaution außer Vollzug gesetzt oder aufrechterhalten wird. Bei Aufrechterhaltung des U-Haftbefehls erfolgt die Unterbringung in einer Justizvollzugsanstalt (JVA).

Nach einer Verhaftung aufgrund eines Strafantrittshaftbefehls findet keine richterliche Vorführung statt. Da die Verhaftung auf ein bereits rechtskräftiges Urteil zurückgeht, ist die Rechtmäßigkeit der Maßnahme bereits geprüft. In diesem Fall bringt die Polizei die verhaftete Person direkt in die zuständige JVA, wo sie ihre Strafe verbüßt.

Gegen einen erlassenen und vollzogenen U-Haftbefehl gibt es verschiedene Rechtsmittel. Es wird dringend empfohlen, hierfür einen auf spezialisierten Rechtsanwalt zu beauftragen. Die wichtigsten Rechtsbehelfe sind in diesem Kontext die Haftprüfung gemäß § 117 StPO und der Antrag auf Außervollzugsetzung gemäß § 116 StPO. Alternativ oder zusätzlich zur Haftprüfung kann gegen einen U-Haftbefehl Haftbeschwerde (§ 304 StPO) eingelegt werden, über die dann die nächsthöhere gerichtliche Instanz entscheidet.
Im Falle eines Strafantrittshaftbefehls können Einwendungen gegen die Strafvollstreckung als solche erhoben werden (§ 458 StPO). Dies ist allerdings nur bei Formfehlern möglich, etwa wenn die Strafe bereits verjährt ist, ein Berechnungsfehler vorliegt oder die Person dauerhaft verhandlungs- oder haftunfähig ist.

Der Europäische Haftbefehl ist ein Verfahren zur vereinfachten Auslieferung von Straftätern zwischen den Mitgliedstaaten der EU. Er stützt sich auf einen nationalen Haftbefehl und kann von einer Justizbehörde eines EU-Staates erlassen werden, um die Festnahme und Überstellung einer Person zu erreichen, die sich in einem anderen EU-Mitgliedstaat aufhält. Da die Mobilität innerhalb der Europäischen Union zunehmend steigt, gewinnt auch der EU-Haftbefehl immer mehr an Bedeutung